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Mit 18 schon eine Institution. Henriette Herz (1764 - 1847) auf einem Gemälde von Anna Dorothea Lisiewska.

© picture alliance/Fine Art Images/Heritage-Images

Intellektuelle, Musiker, Geschäftsleute: Junge Juden und ihr Einfluss auf die Geschichte Berlins

Der in Berlin lebende israelische Dichter Ronen Altman Kaydar hat sich auf die Spuren junger jüdischer Berliner begeben. In einem Buch fasst er ihre Geschichten zusammen.

Als Henriette Herz den ersten Literatursalon Berlins gründete, war sie erst 16 Jahre alt. Es war das Jahr 1780, gerade hatte sie geheiratet und einige Damen der Gesellschaft zum Tee in ihre Wohnung in Mitte eingeladen.

Ihre gleichaltrige Freundin Brendel Mendelssohn brachte ihr ein Geschenk ihres Vater Moses mit, über das sie sich ganz besonders freute: Ein neues Buch von ihrem Lieblingsdichter Goethe, aus dem dann gleich vorgelesen wurde.

Den Salon im Nikolaiviertel führte sie 23 Jahre lang weiter. Zu Besuch kamen viele prominente Berliner, darunter der Bildhauer Johann Schadow, der Dichter Friedrich Schlegel und vor allem die umschwärmten Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt.

Hebräisch gegen die Langeweile

Letzterer bat die Gastgeberin sogar, ihm Hebräisch beizubringen und rühmte sie dafür, ihn aus der Langeweile des Familienschlosses im Norden der Stadt erlöst zu haben. Nach dem Tod ihres Mannes konnte Henriette Herz den Salon nicht weiterführen, musste ihren Lebensunterhalt mit Privatstunden verdienen.

Immerhin überzeugte Alexander von Humboldt König Friedrich Wilhelm IV. davon, der Salonière im Alter eine Rente zu zahlen, bis sie mit 83 Jahren starb.

Auf andere Weise prägte Fanny Hensel, geborene Mendelssohn das gesellschaftliche Berliner Leben. Schon als Teenager erfreute sie die Gäste des Hauses mit ihrem Klavierspiel. Ihren Vater Abraham überraschte sie mit 14 Jahren bei seiner Geburtstagsfeier. Da spielte sie ihm alle 24 Präludien von Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier auswendig vor.

Der Vater ahnte damals schon, dass seine talentierte Tochter darunter leiden würde, dass ihr großes Talent immer nur eine Zier sein würde, niemals ein veritabler Beruf wie bei seinem Sohn. Tatsächlich wurden Fannys Lieder unter dem Namen ihres Bruders veröffentlicht, Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Liszt und Schumann im Publikum

Es war die Zeit, als in Berlin wohlhabende Juden oft zum christlichen Glauben übertraten, auch um gesellschaftlich besser Karriere machen zu können. Auch die Geschwister waren getauft.

Fanny konnte schließlich als Ehefrau des Malers Wilhelm Hensel Konzerte geben, wenn auch nur für 300 Zuhörer. Immerhin lauschten ihr Franz Liszt und Robert Schumann. Und bevor sie mit nur 42 Jahren an einem Schlaganfall starb, schaffte sie es sogar noch, eine eigene Liedersammlung unter ihrem Ehenamen zu veröffentlichen.

Adolf Jandorf war ein Draufgänger, als er mit 22 Jahren nach Berlin kam und sich dem etablierten Kaufmann Alfred Mannheimer vorstellte. Eine geniale Blitzidee gab ihm das finanzielle Fundament für die Heirat.

Ronen Altman-Kaydar in Berlin.

©  Ronen Altman-Kaydar/Ariella-Verlag

Ein millionenfach verkauftes Kissen mit der Aufschrift „Nur ein Viertelstündchen“ setzte den Grundstein für die Karriere, die im Kaufhaus des Westens gipfelte, das er für die Eliten der Stadt aufbaute.

Bereits 1926 verkaufte er seine Geschäfte an den Neffen von Hermann Tietz. Noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten starb er 1932.

Autor des Buches, in dem die Geschichten junger jüdischer Berliner:innen erzählt werden,  ist der in Tel Aviv geborene Dichter Ronen Altman-Kaydar, der inzwischen in Berlin lebt und neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit auch als Reiseleiter arbeitet.

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