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Gedenken: Eine Brücke für Rosa Luxemburg

Seit Jahren kämpft der Geschichtsverein für die Ehrung der Politikerin an einem authentischen Ort. Sie will die Brücke, an der die Leiche der ermordeten Rosa Luxemburg ins Wasser geworfen wurde, deren Namen geben.

Mild schien die Wintersonne auf die eiserne Brücke über dem Landwehrkanal, die an der Lichtensteinallee die Verbindung zum Tiergarten schafft. Während die Berliner joggten oder mit dem Hund spazieren gingen, versammelte sich hier vergangenen Sonntag wieder eine kleine Schar zum Gedenken an Rosa Luxemburg. Genau an jener Stelle, an der vor 89 Jahren Freikorpssoldaten die Ikone der Arbeiterbewegung ermordeten und ihre Leiche ins Wasser warfen.

Schon seit Mitte der 1980er Jahre setzt sich die Berliner Geschichtswerkstatt dafür ein, der Brücke den Namen Rosa Luxemburgs zu geben. Bisher jedoch vergebens. Der Senat stellt sich quer, verweist auf den „inflationären“ Gebrauch des Namens Luxemburg. Immerhin gebe es in Berlin sowohl einen Platz als auch eine Straße, die nach ihr benannt seien. Und am Landwehrkanal verweise ein Mahnmal mit einer Gedenktafel auf das Verbrechen. Warum also noch der Brückenname? Dies sei, so argumentiert der Vereinsvorsitzende der Geschichtswerkstatt Jürgen Karwelat, nun mal der authentischste Ort, an dem ihrer gedacht werden könne. Zudem gebe es bisher keine offizielle Bezeichnung der allgemein mit dem Namen des Zoo-Gründers Lichtenstein bedachten Brücke.

Auch ein Kamerateam des RBB war am Sonntag zur Brücke gekommen, doch in den Abendnachrichten liefen nur die nelkengeschmückten Bilder von der traditionellen Großkundgebung der politischen Linken an den Gräbern von Luxemburg und Liebknecht auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Eine historische Einordnung, gar einen kritischen Kommentar suchte man in der Berichterstattung vergebens. Rosa Luxemburg war in der Tat eine der Säulenheiligen der SED, obschon die KPD weiland missliebige Mitglieder des „Luxemburgismus“ verdächtigte. Die aufrechte Sozialistin und scharfe Leninkritikerin galt deutschen Stalingetreuen stets als Abtrünnige.

Lenin habe sie einst einen Adler genannt, erzählt der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Templin bei der kleinen Zeremonie am Landwehrkanal, nicht ohne jedoch „das Register ihrer Sünden aus moskaukommunistischer Sicht herzubeten“: Fraktionsbildung, eine falsche Revolutionsauffassung. „Lenin und seine Kumpanen hätten diesem Adler die Flügel gebrochen, wenn sie nicht vorher schon der Soldateska zum Opfer gefallen wäre.“ Es sei daher eine besondere Dreistigkeit gewesen, dass sich die SED ausgerechnet ihrer bemächtigte. Als er im Januar 1990 sah, wie sich die gerade in SED-PDS umbenannte SED erneut auf dem Weg zu Karl und Rosa machte, habe ihn schließlich die „kalte Wut“ gepackt. „Hände Weg von Luxemburg! Ihr bleibt die Erben Stalins!“, warf Templin den vorbeiziehenden Genossen auf einem um den Hals gehängten Schild entgegen.

Luxemburgs Leben und Wirken, ihr Schicksal als polnische Jüdin, ihre Streitlust und ihr Kampf in der deutschen Sozialdemokratie, all das habe ihn ein Leben lang begleitet. Man mag über Luxemburgs Demokratieverständnis und Revolutionsauffassung streiten, so Templin. Doch ihr Eintreten für soziale Gerechtigkeit, ihre Anklage der „schreienden Gegensätze von Arm und Reich“ sei von „absoluter Aktualität“ geblieben. Auch dafür, findet Templin, soll die Brücke ihren Namen tragen. Carsten Dippel

Carsten Dippel

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