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Konferenz mit der Klasse: Für viele Kinder ist das seit Monaten Alltag.

© imago images/Westend61

Teams und Zoom in Schulen: Der Berliner Video-Unterricht hat ein Datenschutzproblem

Lernen im ungeschützten Raum: Die Datenschutzbeauftragte warnt vor problematischen Folgen bei Plattformen wie Teams oder Zoom. Viele Schulen nutzen sie dennoch.

Der Streit tobt seit Ausbruch der Pandemie, und er wird – Stichwort drohende Schulschließungen bei einer 7-Tage-Inzidenz über 165 – weiter anhalten: Wie halten es Bildungsverwaltung und Schulen im Fernunterricht mit dem Datenschutz?

Nachdem Maja Smoltczyk, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, mehrfach energisch auf die Risiken der Nutzung von gegen Datenschutzregeln verstoßende Software-Anbieter im Bereich Videokonferenzen hingewiesen hatte, bewegte sich die Bildungsverwaltung zuletzt mit Tippelschritten in Richtung gesetzeskonformer Umsetzung.

Dass selbst Rechtspolitiker wie Sven Kohlmeier (SPD) für Unterricht vor Datenschutz plädiert hatten, war für Smoltczyk nur ein Nackenschlag von vielen. Die in der Szene angesehene, in Politik und Verwaltung ob ihrer Hartnäckigkeit eher unbeliebte Smoltczyk hat sich davon nicht irritieren lassen, verzichtet aber auf eine erneute Kandidatur für den seit 2016 von ihr besetzen Posten.

Viele können die Einwände der Datenschutzbeauftragten schwer nachvollziehen: Was soll daran gefährlich sein, wenn eine Grundschulklasse ihren Unterricht beispielsweise per Microsoft Teams oder Zoom abhält? Problematisch seien insbesondere die „Übermittlung personenbezogener Daten in unsichere Drittstaaten“ wie die USA sowie die Verarbeitung dieser Daten durch die Anbieter „zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken“, teilt die Behörde auf Anfrage mit – und wird noch konkreter. So würden bei Videokonferenzen in der Regel biometrische Daten verarbeitet, also Stimme und Gesichtsbilder. Da die unveränderbar seien, seien sie auch besonders sensibel.

Je nach Unterrichtsfach könnten auch Angaben zu Leistung, Gesundheit oder religiöse und politische Ansichten der Nutzer erfasst und automatisiert ausgewertet werden – zur Nutzung durch die Anbieter oder zur Weitergabe an Behörden.

Maja Smoltczyk, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Es sei nicht ausgeschlossen, dass jemand wegen einer Äußerung im Unterricht noch nach Jahrzehnten Probleme bei Reisen bekomme: „So kann eine unbedachte Bemerkung im Schulunterricht später zu Problemen bei der Einreise in einen Drittstaat führen, weil der Anbieter der Lernplattform diese Daten an die dortigen Behörden verkauft hat.“ Potenziell heikle Fächer seien Deutsch, Politik und Ethik.

Aber auch die Religionszugehörigkeit könne den Tech-Firmen wider Willen offenbart werden – allein durch Teilnahme am Religionsunterricht. „Vielleicht möchte auch nicht jede*r offenlegen (insbesondere bei manchen Reisen), dass er oder sie einst beispielsweise das Jüdische Gymnasium in Berlin besuchte“, teilt die Datenschutzbehörde weiter mit. Davor sollen die Datenschutzbestimmungen schützen, für deren Kontrolle und Durchsetzung man zuständig sei.

Beim Lernraum Berlin haben die Mahnungen Wirkung gezeigt

Immerhin: Zumindest beim Lernraum Berlin, der lange stiefmütterlich behandelten Lernplattform des Landes Berlin, haben die Mahnungen Smoltczyks Wirkung gezeigt. Mittlerweile nutzt das Programm mit „Big Blue Button“ eine von Datenschützer:innen anerkannte Software für Videokonferenzen. Bis zur Rückkehr der Schulen in den Präsenzunterricht lagen die Nutzerzahlen jedoch deutlich unterhalb der Marke, die von einem flächendeckenden Einsatz hätte zeugen können.

An vielen Schulen herrscht Wildwuchs. Die Nutzung von Programmen wie Zoom oder MS-Teams gehörte bis zuletzt zum Alltag und würde bei einer erneuten Schulschließung wohl wieder vielfach an der Tagesordnung sein.

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Dafür sprechen Zahlen der Bildungsverwaltung, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegen. Demnach wird die Plattform „itslearning“, vom Senat als Ergänzung für den immer wieder mit technischen Problemen kämpfenden Lernraum Berlin beschafft, von weniger als 8000 Lehrer:innen und Schüler:innen genutzt. Berlinweit gibt es knapp 400.000 Lehrer:innen und Schüler:innen.

Erfragt hat die Zahlen der CDU-Abgeordnete Dirk Stettner. Er kritisiert darüber hinaus, dass den 24 Schulen, die bereits vor dem Abschluss des Rahmenvertrages zwischen Bildungsverwaltung und „itslearning“ auf eigene Kosten das Programm genutzt haben, die entstandenen Kosten nicht ersetzt werden.

Hinzu kommt: „Der Wechsel auf die Landesplattform itslearning für die Schulen mit eigenen Verträgen ist möglich, benötigt aber hohen Vorbereitungsaufwand, da eine Migration der bestehenden Daten und Accounts nicht automatisiert erfolgen kann.“

Echte Anreize für die Schulen, notfalls auch auf eigene Faust datenschutzkonforme Lösungen zu suchen und umzusetzen, sehen anders aus. So dürfte es vielerorts bei Zoom und Co bleiben – trotz aller Risiken für die Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen.

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