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Berlin: Das Lied von Eis und Schnee

Er gilt als bester Clown der Welt: Slava Polunin gastiert wieder im Admiralspalast. Auf der Bühne wirbelt er mit weißen Flocken – und lädt seine Zuschauer ein, sich noch einmal wie ein Kind zu fühlen.

In viel zu großen Stoffschuhen schlurft Slava Polunin über die Bühne und zieht an einer Schnur drei kleine Holzhäuser hinter sich her. Sein Kopf ist gesenkt, die Mundwinkel heruntergezogen. Ganz langsam tapst er in seinem gelben Overall in den Schatten des Vorhangs hinein. Schritt für Schritt. So lange, bis er im Dunkeln verschwunden ist. Komisch. Normalerweise sehen Clowns glücklicher aus.

Slava Polunin stammt aus Russland, ist 63 Jahre alt und hat den Ruf, der beste Clown der Welt zu sein. „Ich spiele auf der Bühne allerdings ebenso die Komödie wie die Tragikomödie“, sagt er. Glück und Traurigkeit verschwimmen dabei ebenso wie Fantasie und Realität. Es ist eine surreale Traumwelt, die er mit seinem Ensemble inszeniert. Ohne Worte, aber mit großen Bildern. Wie zum Beispiel in der Szene, in der Polunin vor einem grellen Lichtkegel steht und die Arme weit ausbreitet. Lateinische Verse aus Carl Orffs „Carmina Burana“ hallen durch den Saal, tausende Papierschnipsel wirbeln über den Clown und sein Publikum hinweg.

Warum er in einem gewaltigen Schneegestöber steht? Weil er die weiße Winterpracht so sehr liebt. 1950 wird Wjatscheslaw Iwanowitsch Polunin in Novosil, einem Städtchen südlich von Moskau, geboren. Dort lag die Schneedecke manchmal so hoch, dass seine Mutter von der Arbeit nicht nach Hause kommen konnte. Das ängstigte den kleinen Jungen zwar, aber davon abgesehen konnte er mit den Flocken stundenlang spielen und Figuren bauen. Der Schnee verwandelte die Welt um ihn herum und machte sie schöner. Noch immer, so schildert er es, bewege ihn der erste Schnee des Jahres und erinnere ihn an Russland und seine Kindheit.

Bevor Polunin entschied, ein Clown zu sein, hatte er in Leningrad Ingenieurwissenschaften studiert. Seinen Abschluss machte er aber im Leningrader Institut für sowjetische Kultur und gründete 1979 eine Clown-Schule. Sieben Jahre später berief er eine Clown-Konferenz in Moskau ein und organisierte kurz darauf ein Clown-Festival. Der Geheimdienst drohte ihm daraufhin mit Auftrittsverboten, doch statt sich dem Regime zu beugen, machte sich Slava Polunin auf die Reise – mit 150 Künstlern.

Als „Friedenskarawane“ zogen sie 1989 durch ganz Europa und trotzten mit ihren Straßenaufführungen dem Eisernen Vorhang. Von Moskau bis nach Paris. Sieben Monate lang. Am Ende stand Polunin in Berlin auf der Straße des 17. Juni, doch das Magistrat von Ost-Berlin verbot ihm, durch das Brandenburger Tor zu ziehen – wenige Monate, bevor die Mauer fiel. Diese Episode seiner Geschichte nennt er heute „das größte Abenteuer seines Lebens“.

Ein paar Jahre später, 1993, führt Polunin zum ersten Mal seine Snowshow auf, und zwar in seiner Heimat. Seitdem trägt er das Bild eines Märchen-Russlands um die Welt. Er ging für zwei Jahre zum Cirque du Soleil und stand schon in 50 Ländern auf der Bühne. Gehalten hat es ihn dabei aber nur in einer Stadt, wenn auch nur für eine Weile. „Einige Jahre lebte ich in London, weil damals alle Künstler dorthin wollten. Heute ist das so mit Berlin“, sagt er.

Noch heute streift Slava Polunin mit zwei Wünschen durch die Welt: Er möchte die Ordnung der Dinge ein wenig durcheinanderwirbeln und aus Erwachsenen wieder Kinder machen. Zumindest für einen Abend sollen sie wieder träumen und die Welt so absurd und unlogisch sehen, wie sie durch Kinderaugen betrachtet nun einmal scheint. „Meine besten Lehrerinnen sind meine zwei Enkeltöchter“, sagt Polunin. „Kinder sind immer witzig, und ihre Träume machen sie glücklich.“

Die Wirkung von Humor lernte er selbst schon als kleiner Junge kennen – als er Charlie Chaplin zum ersten Mal sah. Der hatte einmal gesagt: „Jeder Tag, an dem du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag.“ So gesehen ist Slava Polunin ein echter Gewinner.

„Slava’s Snowshow“ ist vom 2. Januar bis zum 12. Januar im Admiralspalast, Friedrichstraße 101, zu sehen. Die Vorführungen finden in der Woche um 20 Uhr statt, samstags um 15 und um 20 Uhr sowie sonntags um 14 und um 18 Uhr. Die Karten kosten zwischen 30 und 57 Euro.

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