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Berlin: Brandenburger Tor: Neun Stockwerke bis zur Quadriga

Mal turnt "Paulchen Panther" auf der Plane herum, mal ist darauf der Kreml abgebildet. Immer aber breitet sich das Telekom-Logo darauf aus.

Mal turnt "Paulchen Panther" auf der Plane herum, mal ist darauf der Kreml abgebildet. Immer aber breitet sich das Telekom-Logo darauf aus. Schließlich zahlt der Sponsor für die Sanierung. Während man sich an die Werbefassade des Brandenburger Tors längst gewöhnt hat, liegt dahinter eine eigene, ungewöhnliche Welt. Um das Langhanssche Tor ist aus 4000 Quadratmetern Aluminiumplatten und kilometerlangen Rohren eine High-Tech-Baustelle errichtet worden. Lastenaufzüge verbinden neun Etagen, hoch über der Erde gibt es Container mit Büros und Materiallagern. Unten, in zwei Einfahrten, haben Lastwagen bequem Platz. Die ganze Konstruktion lässt sich beheizen.

Schilder und Planquadrate

Von all dem matt glänzenden Aluminium im Inneren heben sich die dorischen Säulen, der Sandstein und die Grünspan überzogenen Kupferbleche des klassizistischen Bauwerks ab. Ein wenig erscheint es wie ein Tempel, den Archäologen soeben aus dem ägyptischen Sand gegraben haben. Schildchen unterteilen die Fassade in Planquadrate. Auf dem Gerüst untersuchen Restauratoren Schadstellen und zeichnen sie in Pläne ein. Arbeiter tragen Schutt ab.

Seit der Öffnung der Mauer haben Verkehr, U-Bahn-Bau, Wetter und Lärm dem Brandenburger Tor zugesetzt. Nach nur zehn Jahren muss es wieder saniert werden. Bis zum Ende des Jahres sollen die Statik verbessert und die Sandsteinoberfläche restauriert sein. Nach Revolution, Kriegen und nicht immer gelungenen Reparaturen sieht sie heute aus wie ein Flickenteppich. Auf halber Höhe zwischen Boden und Quadriga-Sockel verunstaltet ein riesiger nikotingelber Fleck eine der grauen Säulen. Hier wurde irgendwann eine schadhafte Stelle mit dem falschen Sandstein ausgebessert, erklärt Michael Pauseback, Chef der mit der Restaurierung beauftragten Firma Caro. Anfangs mag die so genannte Vierung noch ausgesehen haben wie der Untergrund, doch "der Alterungsprozeß verlief unterschiedlich".

Das Tor ist übersät mit solchen Stellen, an denen zum Teil Wasser ins Gemäuer dringt. Allein bis zu 450 Vierungen, die dringend ausgewechselt werden müssen, haben Pausebacks Mitarbeiter gezählt. Für sie Ersatz zu finden, ist keine Leichtigkeit. Aus Cottaer, Magdeburger und Postaer Sandstein besteht das Tor. Die alten Steinbrüche, aus denen Langhans seinen Baustoff bezogen hat, seien "geschlossen oder leer", sagt der Kunsthistoriker. Nun werde europaweit nach Material mit den gleichen Eigenschaften gesucht.

Ab März wird es unter der Plane richtig zur Sache gehen. Noch verschaffen sich die Restauratoren einen Überblick über die Schäden, untersuchen Wissenschaftler das Gestein. In gut zwei Monaten soll begonnen werden, die Vierungen auszuwechseln. Zudem wird dann der Sandstein mit Lasergeräten gereinigt. Vor allem an der Westseite des Tores haben sich unter dem Einfluss von Witterung und Schadstoffen Gipskrusten gebildet, die die Fassade angreifen. Bis zu zwei Quadratmeter Fläche sollen mit einem Laser am Tag gesäubert werden können.

Treppen führen zum so genannten Architrav, dem Aufbau auf den zwölf Säulen. Ein niedriges Eisentürchen gibt den Weg in die "Soldatenkammern" frei, drei hohe Räume unter der Quadriga. Die Stasi soll hier einst Abhörgeräte installiert haben. Jetzt sind Arbeiter dabei, Gestein aufzusammeln, das sich im Laufe der Jahrhunderte angesammelt hat. Michael Pauseback zeigt auf altertümliche Verankerungen im Boden, auf Stahlbänder, die zu den Flanken des Baus führen, um Schwingungen aufzufangen. 210 Jahre ist diese Konstruktion alt. Sie hält nicht mehr. Der Stein, in der der Anker steckt, ist geborsten.

Ursprünglich habe man geplant, den Toraufbau mit Stahlträgern zu verstärken, sagt Pauseback. Doch die hätten acht Tonnen gewogen und wären damit zu schwer gewesen für die Säulen.

Denn auch das Fundament des Brandenburger Tors ist marode, von "Hunderten von Leitungen" durchlöchert, die im Laufe der Jahre von Ost nach West verlegt wurden. "Wenn die Füße wacklig sind und der Kopf schwer, wird das Tor instabil", sagt Pauseback. Nun soll erst einmal das Fundament gemauert und dann neu gemessen werden. Die Soldatenräume bekommen wahrscheinlich ein "Korsett" aus Holz.

Ein Tor in Weiß?

"Noch ist die Frage, was wir mit der Oberfläche des Tors tun", sagt Pauseback beim Blick vom Dach des Tors. Experten sollen vorschlagen, welchen Anstrich es bekommt. Neben einer farblosen Imprägnierung kommt auch eine Farbschicht in Frage. Beispielsweise hat sich der Architekturprofessor Tilmann Buddensieg für einen weißen Anstrich ausgesprochen. Denn so sah das Tor bei der Eröffnung 1791 aus. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. "Noch wird diskutiert", sagt Pauseback.

Neun Treppen abwärts. Der Weg führt an Gesimsverzierungen und Reliefs vorbei, an Kunstwerken, die sonst kein Mensch aus wenigen Zentimetern Abstand sieht. Ein eigentümliches Kreuz ist in eine Säule gemeißelt: die Signatur eines Steinmetzen aus dem 18. Jahrhundert. Am nördlichen Toranbau ist ein Riss zu erkennen, knapp unter dem Dach. Er klafft mindestens einen Zentimeter breit. Ein statisches Problem, erklärt Pauseback. Mittelteil und Flügel des Tors sind miteinander verbunden. Die Konstruktion sei den seit 1989 gestiegenen Belastungen nicht gewachsen. Sie soll auch verändert werden.

Und was hält Pauseback vom "offenen Tor"? Über dieses Politikum redet der Chef des Sanierungsunternehmens ungern. Er überlegt kurz und formuliert dann vorsichtig: "Der Verkehr gefährdet das Brandenburger Tor nicht. Aber er tut ihm eben auch nicht gut."

Tobias Arbinger

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