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Absperrungen am Berliner Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg.

© Cay Dobberke

Streit um Sicherheitskosten: Warum der Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg so schlecht vor einem Anschlag geschützt ist

Nur kleine Gitter stehen am Markt vor dem Schloss Charlottenburg. Einen eventuellen Terroranschlag mit einem schweren Fahrzeug könnten sie wohl nicht verhindern.

Einige Absperrgitter, die meisten davon aus Plastik und ein paar aus Stahl, sind beim Berliner Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg der einzige Schutz vor Terroranschlägen mit Fahrzeugen. Einem Lastwagen würden sie wohl kaum standhalten. Außerdem stehen die Gitter nicht direkt am Festplatz, sondern auf dem Mittelstreifen des Spandauer Damms und trennen nur die Hälfte der Fahrbahn vom Markt.

Zusätzlich stellt die Polizei während der Öffnungszeiten zwei Einsatzfahrzeuge an den Eingang. Trotzdem wirkt das Gelände viel weniger geschützt als der Breitscheidplatz in Charlottenburg, der als Reaktion auf den dortigen Terroranschlag im Dezember 2016 mit massiven Barrieren und Pollern umgeben wurde. An den ersten vier Tagen gab es beim Markt am Schloss sogar überhaupt keine Absperrungen (wir berichteten).

Zu dieser Situation hat ein langer Streit um die Sicherheitskosten geführt. Scharfe Kritik an Berliner Behörden übte der Marktveranstalter Tommy Erbe am Mittwoch gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt sowie Berliner Oppositionspolitikern. Der Charlottenburg-Wilmersdorfer Ordnungsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) „muss zurücktreten“, findet Erbe.

Ich habe alle Gerichtsverfahren gegen das Land Berlin gewonnen.

Tommy Erbe, Veranstalter des Weihnachtsmarkts vor dem Schloss Charlottenburg

Doch das Bezirksamt weist die Verantwortung von sich. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe zum Weihnachtsmarkt vor dem Schloss klargestellt, dass „für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten, zu der auch die Terrorismusabwehr zählt, grundsätzlich die Polizei zuständig ist“. Diese hat die Absperrgitter nun aufgestellt.

Am Donnerstag antwortete uns die Polizei nur sehr allgemein. Weihnachtsmärkte unterlägen „Einzelfallbetrachtungen“ durch die Sicherheitsbehörden. „Notwendige Maßnahmen werden getroffen und im Bedarfsfall angepasst und ergänzt.“ Jeder Markt „weist eigene Gegebenheiten, Erfordernisse und Bedingungen auf“. Ein Vergleich sei „mithin nicht möglich“.

Der Ärger hatte im Jahr 2017 begonnen, als das Bezirksamt den Marktbetreiber dazu verpflichtete, ein umfangreiches Sicherheitskonzept zu erarbeiten und auf eigene Kosten umzusetzen. Anders als am Breitscheidplatz sorgte die Berliner Innenverwaltung nicht selbst für Absperrungen. Tommy Erbe ging juristisch gegen die Anordnung des Bezirks vor, sah sich allerdings genötigt, dieser zunächst „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ nachzukommen.

Andernfalls hätte der Markt nicht mehr stattfinden können. Denn der Parkplatz, auf dem sein Markt stattfindet, gehört zwar der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, ist aber als öffentliche Grünfläche ausgewiesen – obwohl es dort keine Wiese und nur wenige Bäume gibt. Damit ist das Bezirksamt die Genehmigungsbehörde.

Wegen der Sicherheitskosten und anderer Streitpunkte habe er „neun Gerichtsverfahren gegen das Land Berlin geführt und alle gewonnen“, sagt Tommy Erbe. Allein in diesem Jahr gab es fünf Urteile oder Eilentscheidungen. Im September eskalierte der Streit, weil die Marktgenehmigung noch immer fehlte. Sie wurde erst im Oktober erteilt, nachdem das Oberverwaltungsgericht den Bezirk dazu verpflichtet hatte.

Dem Veranstalter geht es ums Prinzip. Die jährlichen Sicherheitskosten von 13.000 bis 14.000 Euro seien nicht ausschlaggebend für seine rechtlichen Schritte gewesen, sagt er. Die Auseinandersetzung habe ihm viele „schlaflose Nächte“ bereitet, weil er 2017 bis 2019 lange nicht wusste, ob der Markt stattfinden kann. In den folgenden zwei Jahren fiel dieser wegen der Corona-Pandemie aus. Die Gerichtskosten summieren sich laut Erbe auf etwa eine Viertelmillion Euro. Bisher sei ihm nur ein Bruchteil zurückerstattet worden. Was ihn zusätzlich ärgert: Nachdem er jahrelang gezwungen war, große Poller aufzustellen, hat die Polizei nun lediglich Gitter und Fahrzeuge platziert.

Als „rechtlichen und sicherheitspolitischen Skandal“ prangert Hans-Peter Vierhaus, der den Marktbetreiber als Fachanwalt für Verwaltungsrecht vertritt, das Verhalten der Bezirks- und Landesbehörden an. „Die ducken sich weg.“

Der Landes- und Fraktionschef der Berliner CDU, Kai Wegner, ärgerte sich am Mittwoch über die langen Genehmigungsverfahren. Bei dem Markt gehe es auch um „Familienbetriebe, Arbeits- und Ausbildungsplätze“. Sicherheitskosten dürfe die Senatsinnenverwaltung „nicht den Bezirken und schon gar nicht dem Veranstalter aufdrücken“.

Eine „organisierte Verantwortungslosigkeit“ warf der innenpolitische Sprecher der Berliner FDP-Fraktion, Björn Jotzo, den Bezirks- und Landesbehörden vor. Erbes „unternehmerische Leistung“, einen der schönsten Weihnachtsmärkte Berlins auszurichten, werde „nicht gewürdigt“.

Die Ämter haben es in die Grütze geritten.

Björn Jotzo, FDP-Abgeordneter und Innenpolitiker

Außerdem wies der Abgeordnete darauf hin, dass der diesjährige Markt wohl der letzte sein wird. Die Schlösserstiftung verlängert den Mietvertrag nicht und will auf einem Teil der Fläche ein Besucherzentrum für das Schloss Charlottenburg bauen. Bisher ist kein anderer geeigneter Festplatz in Sicht. Also hätten die Ämter „die Standort- und die Sicherheitsfrage in die Grütze geritten“, kritisierte Jotzo.

In der Frage, welche Behörde für die Terrorabwehr zahlt, „muss das Bezirksamt gegenüber der Innenverwaltung eskalieren“, forderte der Vorsitzende der FDP-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf, Felix Recke-Friedrich. Abgesehen davon sei es unsinnig, „jedes Jahr eine Diskussion zu führen“. Recke-Friedrich plädiert für eine permanente „eingebaute Sicherheit“, zum Beispiel durch sogenannte Stadtmöbel.


Hier die Themen aus dem aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für die City West:

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Anwalt Vierhaus sprach sich grundsätzlich für eine „Genehmigungsfiktion“ bei Veranstaltungen aus. Erteile ein Amt nicht innerhalb einer bestimmten Frist die Erlaubnis (oder verweigere sie aus einem plausiblen Grund), würde ein Antrag danach automatisch als genehmigt gelten und damit „der Spieß umgedreht“.

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