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„Die Waldsiedlung Lichtenberg /  Neubabelsberg“ aus Wasmuths Monatshefte für Baukunst und Städtebau, Ausgabe 5.1920/1921.

© Beata Krampe

Kolumne „Aus der Zeit“: Das Geheimnis der unvollendeten „Waldsiedlung Lichtenberg“ in Berlin

Star-Architekt Peter Behrens plante einst bezahlbaren Wohnraum im Berliner Ortsteil Karlshorst. Der Krieg vereitelte den Plan. Aber Spuren sieht man noch heute.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

| Update:

Hufeisensiedlung, Weiße Stadt, Siedlung Schillerpark – gleich sechs Berliner Siedlungen der Moderne haben es auf die Unesco-Weltkulturerbe-Liste geschafft und erfahren entsprechend viel Aufmerksamkeit. Manche Schätze der Berliner Wohnbaukunst schlummern aber jenseits der Touristen-Routen.

Der Berliner Ortsteil Karlshorst ist bekannt vor allem für die Trabrennbahn, die ehemaligeRussenkolonie“ und die bedingungslose Kapitulation 1945. Die 15-Hektar-Siedlung im südlichen Teil der Wuhlheide, zwölf Minuten Fußweg vom Bahnhof Karlshorst entfernt, ist den meisten weniger vertraut. Dabei wurde sie geplant von einem Schwergewicht des deutschen Designs: Peter Behrens.

Hier, im „Dahlem des Ostens“ – so sollte Karlshorst Investoren schmackhaft gemacht werden – sollte eine neue Gartenstadt entstehen. Wie die Gartenstadt Falkenberg nach englischem Vorbild, mit viel „Luft, Licht und Sonne“ und großzügig ausgelegtem Grün, sollte die Siedlung ein Refugium für den zahlungskräftigen Berliner Mittelstand werden. Dann kam der Erste Weltkrieg.

Grundriss der Waldsiedlung Lichtenberg. Einzelne Gebäude findet man bis heute am westlichen Rand des Waldgebiets Wuhlheide.

© Beata Krampe

Als 1918 die Kanonen endlich schwiegen, blieb nur Elend – Berlin war finanziell ausgeblutet. In der Stadt fehlten rund 130.000 Wohnungen, dabei erwartete allein Lichtenberg circa 25.000 Kriegsrückkehrer. Gleichzeitig schoss der Preis der von Behrens geplanten Wohnungen von 7000 auf 18.000 Mark. Unbezahlbar.

Für die Mieter aus der Arbeiterklasse bedeuteten die Wohnung eine enorm große Verbesserung.

© Beata Krampe

Erst nachdem die preußische Regierung Zuschüsse für den Bau von Klein- und Mittelwohnungen versprach, ging es weiter. Ab dem Frühjahr 1919 bis 1920, als das Geld endgültig ausging, wurden 117 von den geplanten 550 Wohnungen in schlichter Version gebaut, aber komfortabel genug für die Arbeiterklasse. Ein Segen für die, die sie beziehen durften.

Es gab elektrisches Licht, fließend Wasser, eine Gasleitung, Anschluss an die Kanalisation und einen Garten für jede Familie – ein gewaltiger Aufstieg für viele. Für die Schule, Apotheke und Straßenbahnlinie blieb zwar kein Geld, aber die benachbarte Industrie-Eisenbahnlinie, liebevoll „Bullenbahn“ genannt (höchstwahrscheinlich nach der schweren AEG-Elektrolok), bekam immerhin eine Haltestelle. So konnten Kohle, Kartoffeln und gelegentlich Schwarzfahrer in die Waldsiedlung befördert werden.

1937 wurden auch die bisher unbebauten Grundstücke bebaut. Die Häuser hatten nur wenig mit Behrens Entwürfen zu tun. Der Zweite Weltkrieg sorgte für eine weitere ungewollte Umgestaltung eines Teils des Ensembles, gefolgt von nur teilweisem und nicht originaltreuem Wiederaufbau.

Heute ist die „Waldsiedlung Lichtenberg“ ein Geheimtipp für Flaneure und Flaneusen – und ein Beispiel dafür, wie weit entwickelt und sozial Berlins Wohnungsbau einmal war.

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