zum Hauptinhalt

© privat

Der letzte Hirte in Marzahn-Hellersdorf: Ein Leben zwischen Hund und Schaf

Knut Kucznik bringt die Schafe in die Stadt: Drei seiner Herden grasen auf den Weiden des Bezirks. Den Beruf wählte er aus Tierliebe - und wegen der Freiheit.

Knut Kucznik hat eine Vision: „Mein Herzenswunsch ist es, dass es viel mehr Tiere in Berlin gibt“, sagt der Schäfermeister. Etwa 800 Schafe und 100 Wasserbüffel betreut der Schäfer, drei seiner Herden grasen in Marzahn-Hellersdorf, zum Beispiel in den Gärten der Welt und an der Hönower Weiherkette.

Die Weiherkette hat sich nach der Neugestaltung in ein kleines Schäferidyll am Stadtrand verwandelt: Auf den Weiden in dem Landschaftsschutzgebiet wacht ein stattlicher Pyrenäenberghund über die Schafsherde, gemeinsam mit einem kleineren Artgenossen. Die schneeweißen Hütehunde leben gemeinsam mit den Schafen in den umzäunten Weiden. „Die Hunde sind mit den Schafen aufgewachsen und sie werden irgendwann auch bei den Schafen sterben. Sie verbringen ihr ganzes Leben mit der Herde“, sagt Kucznik.

Pyrenäenberghund an der Hönower Weiherkette

© Dominik Lenze

Den Lebensentwurf seiner Hunde kann Kucznik wohl sehr gut nachvollziehen: Der Schäfer ist in der DDR aufgewachsen. „Für Querköpfe wie mich gab es da keine Freiheit – außer draußen auf der Weide mit meinen Schafen“, sagt er. Es hätte aber auch ganz anders kommen können: „Mein Vater war Schlachter“, erzählt er. Tierliebe sei ihm durch seine Eltern vermittelt worden. „Aber jeden Morgen 20 Schweine zerschneiden – das war einfach nicht mein Konzept“, so Kucznik.

800
Schafe werden von ihm betreut

Obwohl er Brandenburger ist, trägt Kucznik Marzahn-Hellersdorf im Herzen: Er kennt den Bezirk und die Leute, er freut sich, wenn Nachbarn Futter für seine Tiere vorbeibringen. Auch seine „Angestellten“ bekämen dann und wann ein Leckerli – gemeint sind die beiden Hunde. Wenn Menschen aus dem Bezirk Freude an seinen Tieren haben, stimmt das auch Kucznik glücklich: „Wo kriegen Stadtkinder denn heutzutage sonst noch Lämmer zu sehen, ohne dafür Eintritt zu zahlen?“, fragt er.

Neugestaltung der Weiherkette war umstritten

Die Neugestaltung der Hönower Weiherkette, wo jetzt auch Kuczniks Schafe leben, war im Bezirk umstritten: Die Bürgerinitiative Schutzgemeinschaft Hönower Weiherkette hatte die Neugestaltung des Gebietes seit Jahren vehement bekämpft. Eugen Levonyck, ein Sprecher der Initiative, zeigt sich nach wie vor kampfbereit: „Wir wollen keine frei laufenden Nutztiere und keine Zäune“, sagt er. Auch die Hütehunde, die die Schafe auf den Weiden bewachen, sieht er kritisch.

Anzeigen wegen Lärmbelästigung durch das Bellen der Hunde seien bereits in Vorbereitung. Andere Menschen aus dem Bezirk hingegen freuen sich über die Schafe und ihre pelzigen Beschützer: „Ich bin ein großer Hundefan und hoffe sehr, dass die Pyrenäenberghunde an der Hönower Weiherkette weiterhin ihre Arbeit machen dürfen“, schreibt eine Tagesspiegel-Leserin.

Ich wünsche mir mehr Weiden und Schafe statt Sense und Benzinkanister.

Knut Kucznik, Schäfermeister

Trotz seiner guten Laune gibt es eine Sache, die Kucznik wirklich verärgert: Vandalismus an den Zäunen entlang der Hönower Weiherkette. „Irgendwie lehn’ ich’s ab, das für normal zu halten,“ sagt er und fügt hinzu, dass mit dem verschwendeten Steuergeld „doch wirklich Besseres gemacht“ werden könnte.“ Wegen des Vandalismus konnten auch nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, Hochlandrinder hier hingebracht werden,“ erklärt er. Zu groß war die Sorge, dass die Tiere durch die beschädigten Zäune entkommen und auf die Bahnschienen oder die nahe gelegene Straße rennen könnten.

Bis dahin seien die Schafe aus Kuczniks Sicht der ideale Kompromiss: Skudden, so heißt die Schafsrasse, die hier weidet, seien „territorial“: Selbst wenn ein Loch im Zaun ist: „Die rennen nicht raus,“ sagt er. Dass er etwas Dorfleben zurück in den Bezirk bringt, freut ihn besonders: „Früher hat es drei Schäfermeister hier gegeben“, sagt Kucznik. Er habe sie noch alle persönlich gekannt. Zwei seien bereits verstorben, der andere zu alt, um noch Tiere zu hüten.

Nun ist Kucznik der letzte Hirte im Bezirk. Seine Hoffnung: „Also ich fänd’s ja schön, wenn es noch etwas mehr back to the roots geht: Mehr Weiden und Schafe statt Sense und Benzinkanister“, so Kucznik.

Sie wollen mehr aus MARZAHN-HELLERSDORF lesen? Dominik Lenze berichtet in seinem aktuellen Newsletter auch über diese Themen:

  • Streit um Grundstücksbebauung geht weiter
  • Hönower Weiherkette neu gestaltet
  • Arbeitslosigkeit im Bezirk steigt
  • Brand in Lagerhalle
  • Band-Proberäume zu vergeben
  • Kreuzung Mehrower Allee/Blumberger Damm gesperrt
  • Neubauwohnungen für Marzahn-Hellersdorf geplant
  • Betrunkener begeht Fahrerflucht und stellt sich danach
  • Wohnmobil in Flammen aufgegangen
  • Menschen aus dem Kiez engagieren sich gegen Rechtsextremismus
  • KGB-Kunstwoche führt ins Schloss Biesdorf
  • Tagesspiegel lädt zum Genussmarkt
  • Diskussionsrunde über interkulturelles Engagement
  • Grillnachmittag in Kaulsdorf
  • Tag der offenen Tore in Alt-Marzahn
  • Wo kann gespart werden? Debatte um Bezirks-Haushalt 

Wenn Sie Anregungen, Kritik oder gern auch Lob zu unserer Bezirksberichterstattung loswerden wollen, schreiben Sie unseren Autor:innen, deren E-Mail-Adressen Sie in den Newslettern finden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false