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Die Steglitzer Schloßstraße verliert an Kaufkraft.

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Studie zu Berliner Innenstädten: Gutsituierte Singles meiden Einkaufsstraßen

Die Zahl der Besucher an Ku’damm und Tauentzien sowie in der Steglitzer Schloßstraße ist wieder so groß wie vor der Pandemie. Dennoch gibt es alarmierende Veränderungen.

Die Top-Einkaufsstraßen in Berlin – Ku’damm/ Tauentzien und die Schloßstraße in Steglitz – haben die Corona-Pandemie überwunden. Die Besucherfrequenzen sind praktisch zurück auf dem Niveau von 2019, wie eine neue Studie im Auftrag von James Cloppenburg (JC) Real Estate herausgefunden hat.

„Der stationäre Einzelhandel ist weiterhin ein Besuchermagnet“, heißt es in der Studie zur „gesellschaftlichen Transformation der Innenstadt“. Doch das ist nur die Oberfläche. Die Studie will anhand von GPS-Daten von Handys und statistischer Vergleichsdaten zu Wohnquartieren der Handy-Besitzer herausgefunden haben, dass sich die Zusammensetzung der Passanten und Käufer verändert. Und zugleich ihre Kaufkraft deutlicher sinkt als im Durchschnitt der Bevölkerung. Gleich zwei Alarmsignale.

In der Schloßstraße in Steglitz ist der Anteil der „Sophisticated Singles“ oder „Anspruchsvolle Großstadtmenschen“, wie Studienautor Nikolas Müller sie auch nennt, mit bis zu 65 Prozent (2019) außergewöhnlich hoch, gerade im Vergleich zu den Einkaufstraßen anderer Städte. Dieser Anteil ging jedoch im Bereich Schloßstraße-Mitte von 64,8 auf 60,6 Prozent zurück, im Bereich Schloßstraße-Nord von 62,6 auf 59,5 Prozent.

Andere Gruppen wie „Bürgerlicher Wohlstand“, „Hart arbeitende Angestellte“ oder „Arbeitnehmer in routinierten Berufen“ nahmen dagegen in der Schloßstraße leicht zu. Ebenso „Post Industrial Survivors“, damit sind Geringverdiener gemeint, oder „Metropolitan Strugglers“, Urbane Überlebenskämpfer. Deren Kaufkraft ist natürlich deutlich geringer als die der wahrscheinlich gut verdienenden Singles.

60,6
Prozent betrug der Anteil der „Sophisticated Singles“ in der Schlossstraße 2022

„Diese Veränderung stellt eine ernstzunehmende Gefahr für eine auf den Erfolg des Einzelhandels ausgerichtete Innenstadtentwicklung dar“, erklärt Müller, der an der Hamburg School of Business Administration unterrichtet.

Im Bereich Ku’damm / Tauentzienstraße ging der Anteil der anspruchsvollen Singles sogar um bis zu 7,8 Prozent zurück. Generell liegt hier der Anteil mit rund 50 Prozent (2019) aber niedriger als in Steglitz. Auch hier nahm der Anteil der „Metropolitan Strugglers“ mit bis zu 1,9 Prozent deutlich zu, bei den „Post Industrial Survivors“ gab es allerdings nur geringe Veränderungen.

Die Einzugsgebiete der Kunden werden größer

Gestiegen ist auch der Anteil der hart arbeitenden Angestellten, um bis zu 2,6 Prozent, denen die Autoren eine eher geringere Kaufkraft zuordnen.

Das Bikini am Breitscheidplatz punktet mit witzigen Ideen und gilt weiterhin als Besuchermagnet.

© imago

Dazu passt, dass sich das Einzugsgebiet der Einkaufstraßen erweitert hat. Die Schloßstraße-Mitte zog 2019 insbesondere Menschen aus der näheren Umgebung an. Seitdem ist das „primäre Einzugsgebiet“ größer geworden, das „sekundäre“ hat sich bis in den südöstlichen Teil Berlins ausgeweitet. „Hierdurch kommen neue Nutzergruppen in die analysierten Innenstadtbereiche. Inwiefern dies vorteilhaft ist, müssen andere Analysen zeigen“, erklärt Müller.

In den Abendstunden und an Sonntagen ist weniger auf den Straßen los als noch vor der Pandemie. 

Nikolas Müller, Autor der Studie zur „Transformation der Innenstadt“

Konkret wird das Einkaufcenter Forum Steglitz im Vergleich zu 2019 weniger intensiv genutzt. „Stabil sind P&C, Decathlon sowie die Mixed-Use Gebäudekomplexe Ecke Schloßstraße/Albrechtstraße sowie Schloßstraße/Joachim-Tiburtius-Brücke. Zusätzliche Magnetwirkung haben das Boulevard Berlin wie auch der Charkiw Park erfahren.“

„In den Abendstunden und an Sonntagen ist weniger auf den Straßen los als noch vor der Pandemie“, ziehen die Autoren Resümee für den Bereich Ku’damm/Tauentzienstraße. „Dennoch zeichnet sich der positive Effekt einer gemischt genutzten Innenstadt im Gebiet rund um den Breitscheidplatz ab.“

KaDeWe und Bikini haben eine „Magnetwirkung“

Bei der Verteilung der Passantenströme hat Karstadt-Galeria-Kaufhof auf dem Kurfürstendamm etwas eingebüßt. Stabil sind dagegen das Bikini Berlin, Peek & Cloppenburg und das KaDeWe. Ihnen attestiert Müller weiterhin eine „Magnetwirkung“.

Seine Schlussfolgerung: „Die Vermutung, dass gemischt genutzte Gebäude, wie beispielsweise das Bikini Berlin, resilienter in Bezug auf die räumliche Nutzung sind, liegt daher nahe.“

Das unterstreicht auch JC Real Estate-Geschäftsführer Kevin Meyer. „Wir brauchen eine höhere Nutzungsvielfalt, um junge Menschen in die Innenstadt zu bringen“, beispielsweise „hochwertige, internationale Gastronomie“ sowie Kultur- und Sportangebote. Die städtischen Kreativen seien durchaus umweltbewusst und wüssten, dass der Onlinehandel nicht gerade nachhaltig ist.

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