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Marie Vetter, eine der Neumieterinnen im Gesobau-Projekt am Stiftsweg mit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey, Jörg Franzen, Vorstandsvorsitzender der GESOBAU AG, und Andreas Geisel, Stadtentwicklungssenator (v.l.n.r).

© GESOBAU AG / Christoph Schieder

Neubauziel trotzdem in weiter Ferne: Berlin errichtet 16.500 Wohnungen im laufenden Jahr

In der Stadt entstehen laut Senat rund vier Prozent mehr neue Wohneinheiten als im Jahr zuvor – dennoch ist das Neubauziel von 100.000 Wohnungen in dieser Wahlperiode kaum zu schaffen.

Wohnraum bauen, kaufen, modernisieren und günstig vermieten – die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften Berlins können die ihnen auferlegten Aufgaben unter den veränderten Rahmenbedingungen kaum noch stemmen.

Gleichwohl machten Bausenator Andreas Geisel und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey am Mittwochnachmittag öffentlich, dass die „Städtischen“ im laufenden Jahr 6400 Wohnungen bauen und Berlin im laufenden Jahr insgesamt auf 16.500 neue Wohnungen kommen werde. Giffey wertete die Zahlen als Erfolg: „Berlin schafft Wohnungen trotz Krise.“ Berlin halte an dem Ziel fest, durchschnittlich 20.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU) erwartet für das kommende Jahr einen Rückgang der Neubauzahlen. „Umso wichtiger ist deshalb, dass bei der im Bündnis verabredeten Verbesserung der Rahmenbedingungen für bezahlbaren Neubau in Berlin jetzt zwei bis drei Gänge hochgeschaltet wird“, sagte BBU-Verbandschefin Maren Kern am Mittwoch.

Die Inflation und steigende Baupreise bremsen die „Städtischen“

Wie alle Marktteilnehmer bewegen sich die „Städtischen“ im Wettbewerb um preisgünstige Grundstücke, Handwerker und Bauträger. Hier voranzukommen, wird infolge der Inflation und bei steigenden Baupreisen immer schwieriger - zumal die wichtigste politische Vorgabe steht. Bis 2026 sollen die „Städtischen“ rund 35.000 Wohnungen neu errichten (7000 Einheiten pro Jahr in dieser Wahlperiode). Zur Einordnung: In Berlin wurden im ersten Halbjahr 8.300 Wohnungen insgesamt von Bauämtern genehmigt – und diese Zahl umfasst kommunale wie auch private Bauvorhaben.

100.000
Neubauwohnungen sind nicht zu schaffen

Nicht allein der Quartal um Quartal zu verzeichnende Rückgang an Baugenehmigungen in Berlin zeigt, dass diese Zahl inzwischen so illusorisch ist wie eine weitere: 100.000 Wohnungen im Neubau im Miteinander von Wohnungswirtschaft und Stadt sind in dieser Wahlperiode ebenfalls nicht zu schaffen – würde es dem Wohnungsmangel auch noch so viel entgegensetzen. Wie berichtet, halten sich Bauträger mit Neubauvorhaben zurück. Damit werden auch die von ihnen einzupreisenden Einheiten für preisgünstigen Wohnraum nicht gebaut. Die Branche erlebt eine beispiellose Stornierungswelle.

Die wirtschaftliche Vernunft wird ausgeblendet

Trotz dieser erschwerten Bedingungen sehen Insider von der Berliner Lokalpolitik selbst gesetzte Hürden, die den kommunalen Wohnungsbauunternehmen das Erreichen ihrer Ziele erschweren. „Die Summe der Stellschrauben, die derzeit entweder falsch oder gar nicht bewegt werden, können irgendwann auch zu einer Schieflage führen“, sagt einer, der beide Seiten – kommunalen Wohnungsbau und Berliner Politikbetrieb – kennt. Da sind zum einen die gedeckelten Mieten, die den Bau neuer und die Bewirtschaftung, die Sanierung älterer Gebäude erschweren.

Seit Jahresbeginn dürfen die sechs Unternehmen mit ihren über 330.000 Wohnungen die Miete bis maximal zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete anheben.

„Aus meiner Sicht ist die eine komplette Ausblendung jeglicher wirtschaftlicher Vernunft – reiner Mieterpopulismus, der von drei Parteien in dieser Stadt betrieben wird“, sagt der Insider. „Die Linke“, seit 2016 mit SPD und Grünen in Berlin in der Regierung, will im Januar ein Konzept für sozialen Wohnungsneubau vorstellen.

In den nächsten zehn Jahren sollen 75.000 dauerhaft bezahlbare Wohnungen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften entstehen

Klaus Lederer, Kultursenator und Bürgermeister Berlins

„Wir wollen ein öffentliches Wohnungsbauprogramm mit Investitionen von jährlich einer Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau auflegen“, sagte Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer. „Damit in den nächsten zehn Jahren 75.000 dauerhaft bezahlbare Wohnungen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften entstehen.“

Baukosten über gedeckelte Miete nicht refinanzierbar

Die Refinanzierung dieser Kosten ist mit gedeckten Mieten nicht zu machen. Achtzig Prozent der Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften liegen unter dem Berliner Mietendurchschnitt, und ihre Bewohner sind nicht allein der Solidarität bedürftige Sozialfälle. Nicht einmal die Hälfte der Mieter kommunaler Wohnungen, sind den unteren Einkommensgruppen zuzurechnen, so wird geschätzt Genauere Statistiken dazu werden nicht geführt.

187.000
Menschen mehr in Berlin bis zum Jahr 2040

Doch wer soll die neuen Wohnungen bauen? Die GBI Unternehmensgruppe etwa, die seit dem Jahr 2016 mehr geförderte Neubau-Wohnungen an Investoren verkauft als jeder andere Projektentwickler in Deutschland? Sie wendete sich in einem Gastbeitrag im Tagesspiegel kürzlich von Berlin ab – und beklagte unattraktive Förderbedingungen. Das Unternehmen hat sich in Deutschland auf den Bau geförderter Wohnungen spezialisiert. Insgesamt 906 Einheiten wurden seit 2016 bis Mitte 2022 von Pensionskassen, Versicherungen, Stiftungen, Privatanleger oder Banken übernommen.

Baugebiete statt Landschaftsschutzgebiete

In finanzieller Hinsicht wäre wohl viel gewonnen, wenn Berlin dem kommunalen Wohnungsbau größere zusammenhängende landeseigene Flächen zuweisen würde, anstelle sie im Kompromiss mit den Grünen zu Landschaftsschutzgebieten zu erklären – wie dies mit der Wartenberger und die Falkenberger Feldflur (Ortsteile Malchow, Wartenberg und Falkenberg) geschehen soll.

Angesichts des erwarteten Bevölkerungswachstums und weiter zu erwartender Ukraine-Flüchtlinge, sehen Kritiker diese Flächenpolitik skeptisch. Wie berichtet, wird bis zum Jahr 2040 eine Bevölkerungszunahme in Berlin um rund 187.000 Menschen angenommen, das sind etwa fünf Prozent.

Die Städtischen Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin – degewo AG, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land, WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte – ließen Fragen nach ihrer finanziellen Situation über den Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. (BBU), David Eberhart, beantworten: Die Frage danach, ob die Unternehmen auf den Weg in die Überschuldung seien, müsse klar mit Nein beantwortet werden.

Es gibt offenbar auch ausreichend Steuergeld, um Wohnungen auf dem freien Markt zu kaufen, in denen schon Menschen wohnen - Wohnungen, die nur den Besitzer wechseln. Weiter sagte Eberhart: „Die aktuell rasant steigenden Preise und Kosten für Bauen, Modernisieren, Energie und Finanzierungen wirken sich selbstverständlich auch auf die Investitionsplanungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften aus. In Abstimmung mit dem Gesellschafter und ihren Aufsichtsräten werden sie hier zeitlich und inhaltlich priorisieren müssen. Entscheidungen hierzu werden fallweise zu treffen sein.“

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