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Der ukrainische Chirurg Olexander Jazkowyna (r.) hilft Chefarzt-Vize Frank Sander im Brandverletzungszentrum des UKB bei einer Operation.

© dpa / Annette Riedl

Hilfe fürs Kriegsland: Ukrainische Ärzte lernen in Berlin, wie sie Verbrennungen am besten versorgen

Das Unfallkrankenhaus Berlin ist auf Brandverletzungen spezialisiert – Wissen, das Ärzte in der Ukraine gut gebrauchen können. Ein Projekt bringt beide zusammen.

Von Mona Wenisch, dpa

Behutsam wickelt der Arzt den Verband um den Kopf des Patienten. Eine Kollegin hält den Schlauch fest, der in die Nase des Mannes führt, eine andere kümmert sich um die verbrannten Füße und Hände. Der OP-Saal im Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) ist an diesem Morgen voll. Zwischen all den deutschen Ärztinnen und Ärzten steht Olexander Jazkowyna – ein ukrainischer Chirurg.

Gemeinsam mit seiner Kollegin Julia Huk ist der 29-Jährige im November mit dem Bus aus der Zentralukraine nach Berlin gekommen. Für zwei Wochen sind sie in Deutschland, um mehr über die Behandlung schwerer Brandverletzungen zu lernen. Wissen, das sie mitten im Krieg gut gebrauchen können.

Lernen von den Experten

Huk und Jazkowyna sind zwei von 40 Ärztinnen und Ärzten, die an acht Kliniken in Deutschland hospitieren. Initiiert hat das Projekt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einem Besuch in der Ukraine diesen Sommer.

Sogenannte Berufsgenossenschaftliche Kliniken wie das UKB in Marzahn-Hellersdorf haben eine hohe Expertise bei Verbrennungen. Sie behandeln mehr als die Hälfte der schwer brandverletzten Patienten in Deutschland, wie der Chefarzt des Zentrums für Schwerbrandverletzte des UKB, Bernd Hartmann, sagt. Dieses Wissen wollen sie teilen. „Gerade in der Verbrennungsmedizin muss man sehr viele grundlegende Techniken erlernen und gemeinsam trainieren. Und das findet jetzt hier statt.“

Zu Hause erwartet die ukrainischen Ärzte eine schwierige Situation: Zwar wohnen Huk und Jazkowyna nicht direkt im Kriegsgebiet, in ihrem Krankenhaus liegen aber viele Kriegsverletzte. Die Stromversorgung ist teilweise unterbrochen. Die Notfallversorgung sei deutlich in den Vordergrund gerückt, sagt Jazkowyna.

Kriegsverletzte behandeln sie auch in Berlin. Nach der Operation geht es zur Visite. Im ersten Zimmer liegt ein ukrainischer Soldat mit schweren Brandverletzungen, der seit September in Berlin versorgt wird. Er kann seine Finger kaum bewegen, alles ist vernarbt: Arme, Beine, Gesicht. Huk kennt solche Anblicke. Neu ist für sie die Behandlung: Seine Narben werden mit Kompressionswäsche versorgt, die die Durchblutung erhöht.

Olexander Jazkowyna, ukrainischer Chirurg, bei einer Operation im Unfallkrankenhaus Berlin. Die Klinik ist auf die Behandlung von Brandverletzungen spezialisiert.

© dpa / Annette Riedl

„Wir sind froh, dass wir die Kompressionstherapie haben und unser Wissen dazu teilen können“, sagt Oberärztin Jenny Dornberger. Allerdings sei das Material sehr teuer. „Man kann leider nicht davon ausgehen, dass so eine Behandlung oder die Versorgung mit Kompressionswäsche überall stattfinden kann.“ Wo immer das Material in der Ukraine vorhanden sei, helfe es den Patienten aber sehr.

Bei der Visite lernt Huk auch, wie Physiotherapie, Ärzte und Ergotherapie am UKB zusammenarbeiten. Sie und Jazkowyna sollen hier Grundlagen lernen, um im Notfall auch ohne manche Materialien auszukommen. „Ein Krieg ist immer eine ganz schreckliche Situation“, sagt Hartmann. Normale Versorgungsstrukturen funktionierten oft nicht. „Man muss also trainieren, auch unter eingeschränkten Bedingungen für die Patienten eine möglichst optimale Therapie zu machen.“

Die ukrainische Rehabilitationärztin Julia Huk (m.) bei der Visite eines brandverletzten ukrainischen Soldaten im Unfallkrankenhaus Berlin. Die Nachsorge dauert bei schweren Brandverletzungen oft jahrelang.

© dpa / Annette Riedl

Die Klinik unterstützt die Ärztinnen und Ärzte daher auch nach ihrer Rückkehr. Sie können Fotos und Fragen schicken und bekommen Rat aus der Ferne. „Ziel ist auch, dass wir nicht nur schulen jetzt in diesen 14 Tagen, sondern dass wir den Kollegen auch zur Verfügung stehen, im Sinne von einer Telemedizin.“ Das Programm soll außerdem verlängert werden, sodass noch mehr als Ärztinnen und Ärzte von Erfahrungen in Deutschland profitieren können.

„Es geht darum, unseren Menschen das Leben und ihre Gesundheit zu erhalten“. Die ukrainische Rehabilitationärztin Julia Huk steht vor dem Unfallkrankenhaus Berlin.

© dpa / Annette Riedl

Julia Huk hat als Rehabilitationsärztin nach einigen Tagen schon viel mitgenommen. „Sehr positiv ist, dass die Reha hier sehr früh beginnt“, erklärt die 25-Jährige. „Bei uns ist das gewöhnlich später und ich wünsche mir, dass wir das auch übernehmen.“ Zwar sei es für den Patienten teilweise schmerzhaft. „Ich nehme aber mit, wie das gemanagt wird, dass es für ihn erträglich ist und dabei trotzdem das beste Ergebnis erzielt wird.“

Die Gedanken an den Krieg lassen Huk und Jazkowyna auch in Deutschland nicht los. Er wolle aus seinem Aufenthalt in Berlin das meiste rausholen und jeden Tag arbeiten, sagt Jazkowyna. Und dann so schnell wie möglich zurückkehren, um weiter zu helfen. „Wir hoffen auf Frieden für die ganze Welt. Krieg ist immer schlecht für den Menschen.“

Huk sagt, sie sei eigentlich Sportmedizinerin gewesen – habe sich aber umentschieden. „Vor allem wegen des Krieges“, sagt sie. „Jetzt sind andere Fragen nicht so wichtig wie früher, sondern es geht darum, unseren Menschen das Leben und ihre Gesundheit zu erhalten.“ (dpa)

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