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Der bisherige Ausleihbetrieb soll bis zum 14. Februar eingestellt werden.

© Annette Riedl/dpa

Lockdown bis 14. Februar: Berlin schließt ab Samstag alle öffentlichen Bibliotheken

Die Schließung kommt überraschend: Der Berliner Senat hatte den Schritt zuvor abgelehnt. Für digitale Angebote gibt es einen kostenlosen Bibliotheksausweis.

Überraschender Nachtrag zur Senatssitzung: Berlin schließt ab Samstag alle öffentlichen Bibliotheken. Bisher hatte es noch einen reinen Ausleihbetrieb gegeben, doch dieser wird nun auch bis zum 14. Februar eingestellt - so lange dauert der verschärfte Lockdown nach der neuesten Corona-Verordnung.

Wie der Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB) am Freitag mitteilte, sei die Entscheidung von den Leitungen aller Bibliotheken gemeinsam getroffen worden. Sie gilt für die Bibliotheken in den Bezirken und die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB).

Damit reagiere der VÖBB "auf die erneut gestiegene Notwendigkeit der Kontaktvermeidung", hieß es in der Mitteilung. "Uns ist bewusst, dass die Bibliotheken einen immens wichtigen Teil der Berliner Infrastruktur darstellen, daher waren die VÖBB-Häuser bis jetzt teilweise mit einem sehr eingeschränkten Angebot geöffnet." Eine "schwierige Entscheidung" nannte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) den Schritt. "Ich tue alles für eine schnelle Wiedereröffnung."

Digitale Angebote sollen die Lücke füllen. Am Donnerstag wurde dafür bereits ein kostenloser digitaler Bibliotheksausweis aufgelegt, der drei Monate gültig ist. Auf der zentralen Website stehen neben 166.000 E-Books und 24.000 Hörbüchern auch sieben Lernprogramme mit 1850 unterschiedlichen E-Learning-Kursen zur Verfügung.

Musik- und Filmstreaming wird ebenfalls angeboten, von Klassik zu Unterhaltungsmusik und von Dokumentationen über Kinderfilme bis zu Spielfilmen. Nach Tagesspiegel-Informationen wollen die Bibliotheken aber zumindest prüfen, ob sie neben dem digitalen Angebot Schüler*innen herkömmliches Lernmaterial zukommen lassen können. Denn nicht jedes Kind hat einen digitalen Zugang jederzeit verfügbar.

Senat hatte Schließung zuvor abgelehnt

Die Schließung kommt deshalb überraschend, weil der Senat in seiner Sondersitzung am Mittwoch noch einmal deutlich gemacht hatte, dass der reine Ausleihbetrieb fortbestehen kann. Nach Tagesspiegel-Informationen hatte die Senatskulturverwaltung zwar am Mittwochvormittag alle Bezirke informiert, dass geplant sei, im Zuge der Lockdown-Verschärfung auch den Bibliotheksbetrieb einzustellen. Doch dafür gab es in der Sitzung am Nachmittag keine Mehrheit. Um 17.50 Uhr kam per Messenger die Botschaft: "Doch keine Bibliotheksschließung, Kommando zurück."

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"Der Leihbetrieb im Abholungsmodell für Bibliotheken ist zulässig", stand stattdessen am Donnerstag in der Mitteilung der Senatskanzlei zur neuen Corona-Verordnung. Das hörte sich so an, als bliebe alles beim alten - doch die entscheidende Änderung lag im Detail: Bisher war der Leihbetrieb im Lockdown nach dem Supermarktmodell organisiert, wie ZLB-Sprecherin Anna Jacobi auf Nachfrage erklärte: Die Bürger*innen konnten sich nach kontrolliertem Einlass die Medien aus den Regalen holen und dann verbuchen.

Das Abholungsmodell hingegen funktioniere nach dem Prinzip "Click and Collect", das viele Händler*innen auch praktizieren: Online-Bestellung und Übergabe an der Tür oder am Tresen.

Zu wenig Personal für Click and Collect

Das aber hielten die Bibliotheken nicht für umsetzbar - jedenfalls nicht von heute auf morgen, zumal ihnen auch noch Personal fehlt, das zu den Gesundheitsämtern abgeordnet ist. Am Donnerstagnachmittag beriet sich deshalb die "Stäko": die Ständige Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Berliner Öffentlichen Bibliotheken.

Sie sprach sich bereits für eine Schließung aus, die der Senat mehrheitlich gar nicht wollte. Direkt danach tagte die ihr vorgesetzte Verbundkonferenz: Das sind die Amtsleiter*innen der Bezirke und die Spitze der Zentral- und Landesbibliothek, auch die Senatskulturverwaltung war dabei.

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Dem Vernehmen nach war eine Mehrheit für eine Schließung, nur wenige Bezirke standen dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Es bleibe nun "nichts mehr außer Shoppen", war von Kritikern zu hören, zumal die Bibliotheken für viele noch eine wichtige Anlaufstelle gewesen seien, um den Lockdown erträglich zu machen - ob sich nun Senioren*innen mit Literatur versorgten oder Familien mit Spielen. Zumal der Ausleihbetrieb gut und sicher organisiert gewesen sei.

Am Ende überwog aber die Meinung, zu einer einheitlichen Position zu kommen. Einzelne Bibliotheken offen zu halten, würde eher dazu führen, das "halb Berlin" dorthin laufe, wie ZLB-Sprecherin Jacobi sagte.

Wie groß die Nachfrage im Lockdown war, zeigt das Beispiel Amerika-Gedenkbibliothek, der Hauptstandort der ZLB am Kreuzberger Blücherplatz. 1200 bis 1500 Besucher*innen habe man dort in den vergangenen Wochen noch jeden Tag verzeichnet, berichtete Jacobi. Im Normalbetrieb schwanke die Zahl, je nach Jahreszeit und Tag, sonst zwischen 3000 und 5000. Die Mitteilung allerdings ging es erst am Freitagnachmittag um 17 Uhr raus - um kurz vor Schluss noch "Besucheranstürme zu vermeiden".

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