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Berlin: Auf Außerirdische darf geschossen werden

In Marzahn zielen Action-Fans mit Laserpistolen auf Aliens – und auf Menschen. Der Bezirk droht mit Zwangsgeld

Nur drei Waffen sind heute im Einsatz. Die anderen Laserkanonen hängen aufgereiht an der Wand. Alexander Herrmann, 27 Jahre alt, spielt heute sein erstes Lasergame in Marzahn. Die Kampfweste hat er schon übergestreift, die Pistole hält er in der Hand. Gemeinsam mit seinen beiden Freunden nimmt er es gleich mit dem Monster im Spiellabyrinth auf. „Ich hab’ Abitur“, sagt er noch im Vorbeigehen ungefragt. „Wir wollen einfach nur ein bisschen Spaß haben.“ Dann verschluckt ihn der Nebel, der die Gänge des Hallen-Labyrinths verhüllt.

Was die drei jungen Männer „Spaß“ nennen, hält das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf für gefährlich. In dem Spielbetrieb sei es möglich, auf Menschen zu schießen, sagt die Behörde. Und Kritiker derartiger Spiele fürchten, dass so die Hemmung verloren gehe, die Waffe auf einen Menschen zu richten.

Einer oder mehrere Spieler bekämpfen in einem verwinkelten Raum ein zwei mal zwei Meter großes Stoff-Alien, das von der Decke hängt und mit beweglichen Kraken-Armen auf sie schießt. Hinter Trennwänden Deckung suchend, pirschen sich die Spieler - bei Nebel und Dunkelheit - immer wieder an das Monster heran. Für jeden Treffer gibt es Punkte. Ganz ähnlich wie ein Computerspiel funktioniert das Lasergame. Nur wird hier nicht virtuell am Bildschirm gespielt, sondern in einem 140 Quadratmeter großen Raum. Und mit Pistolen, die nicht Schüsse, sondern rote Laserstrahlen abgeben. 1999 kam den Geschäftsführern des Lasergames, Jens Kammer und Christian Paasch, diese Geschäftsidee. Sie hatten ein ähnliches Spiel in Ungarn kennen gelernt. Im Freizeit- und Erlebniscenter „Le Prom“ an der Märkischen Allee versuchten sie, das in Deutschland fast unbekannte Unterhaltungsspiel zu etablieren. 125 000 Euro haben die Betreiber investiert.

„Von Anfang an gab es Schwierigkeiten mit dem Bezirksamt. Allein für die Genehmigung haben wir eineinhalb Jahre gebraucht“, behauptet Geschäftsführer Paasch. Und seit der Eröffnung 2001 gehe die Diskussion weiter. Schon mehrfach sei sein Betrieb von Zivilpolizei kontrolliert worden. Die Stadträtin für Soziales und Wirtschaft in Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle, hält dagegen: „Der Betrieb hat eine Gewerbeerlaubnis für eine Spielvariante erhalten, die ausschließt, dass auf Menschen geschossen wird. Kontrollen haben aber gezeigt, dass sich der Betrieb daran nicht hält.“

Ein Beschluss des Berliner Verwaltungsgericht hat die Rechtsauffassung des Bezirksamts jetzt bestätigt. „Der Betreiber muss sicherstellen, dass das Schießen auf Menschen während des Spiels ausgeschlossen ist. Wenn er technisch dazu nicht in der Lage ist, kann er sein Spiel nicht betreiben“, erklärt Stadträtin Dagmar Pohle. „Es geht um den Schutz von Menschen und nicht darum, einen Gewerbetreibenden zu ärgern. Unsere Entscheidung ist nicht willkürlich, sondern in Deutschland gängige Rechtspraxis.“ Auch in Nordrhein-Westfalen ist ein Laserspiel verboten worden, weil es ermöglichte, Menschen zu beschießen.

Einige Besucher kommen, wie Alexander Herrmann, nur gelegentlich. Andere sind einmal pro Woche da. Junge und alte, Männer und Frauen spielen hier. Einzeln oder in der Gruppe. Die Diskussion um sein Spiel kann Betreiber Paasch nicht verstehen. „Hier wird nicht auf Menschen geschossen, dass ist doch gar nicht der Sinn des Lasergames. Computerspiele sind Gewalt verherrlichender.“

Auch habe er für 12 500 Euro und in Absprache mit den Behörden das europaweit vertriebene Spiel auf deutsche Bedürfnisse umrüsten lassen. Während in Großbritannien auf Menschen geschossen wird, ist in Berlin das außerirdische Monster die Zielscheibe. Allerdings, und darauf zielt der Gerichtsbeschluss, kann auch Christian Paasch derzeit nicht verhindern, dass Menschen in seinem Lasergame aufeinander schießen. Zwar weist er zu Beginn jedes Spiels darauf hin, dass der Schuss auf den Gegner keine Punkte bringt. Aber möglich ist er trotzdem. Und nicht nur das: Er ist ein Element des Spiels. Haben zwei Spieler das Alien zur gleichen Zeit im Visier, kann nämlich ein Schuss auf den Gegenspieler bei jenem eine Art Ladehemmung erzeugen. Ein klarer Spielvorteil. Ein verbotener Vorteil.

Sollten die Lasergame-Betreiber weiter gegen die Auflagen des Bezirksamts verstoßen, kündigte Stadträtin Pohle an, verhänge man Zwangsgelder. „Man rennt ja mehr, als dass man schießt“, sagt Alexander Herrmann, als er die Kampfmontur nach einer halben Stunde wieder abstreift.

Melanie ottenbreit

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