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Nach dem Brandanschlag: Wahlkreisbüro von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis90/die Grünen).

© picture alliance/dpa

Update

Vom verklebten Schloss bis zum Brandanschlag : Attacken auf Berliner Wahlkreisbüros häufen sich

Allein im November wurden bislang fünf Büros verschiedener Parteien attackiert. Täter wurden nicht gefasst, die linke Szene reklamiert die Taten für sich.

Der jüngste Fall ereignete sich am Mittwoch in der Marzahner Promenade. Der Bitte folgend, dringend in sein Wahlkreisbüro zu kommen, fand der FDP-Abgeordnete Roman-Francesco Rogat dort zwei offenbar durch Steinwürfe beschädigte Scheiben vor. „Ich lass mich davon weder einschüchtern noch unterkriegen“, erklärte Rogat via Twitter. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes übernahm die Ermittlungen.

Rogat ist längst nicht das einzige Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, das zuletzt Ziel von Attacken wurde. Zu Wochenbeginn traf es die Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger, Turgut Altug und Stefan Taschner sogar mitten in ihrer Hochburg Kreuzberg. In der Großbeerenstraße unweit des Mehringplatzes beschädigten unbekannte Täter in der Nacht von Montag auf Dienstag die Frontscheibe des Wahlkreisbüros der drei Politiker.

Fotos zeigen die Spuren mehrerer Schläge auf die Scheibe. Zwar erklärte auch Schmidberger im Nachgang: „Falls uns das einschüchtern soll, hat das nicht geklappt.“ Zweifel aber sind angebracht.

Denn: Die Attacken sind Teil einer Serie von Taten, die sich zuletzt quer durch die Stadt und über Parteigrenzen hinweg ereigneten. Die Sprecher von SPD, Grünen, Linken und CDU brauchen nicht lang, um je eine ganze Reihe von Attacken aufzulisten.

Sämtliche Parteien sind betroffen

Die Palette reicht von verklebten Schlössern über vor den Büros verteilten Fäkalien bis hin zu Brandanschlägen wie dem auf das Wahlkreisbüro der Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Im Wahlkampf wurde ein Transportwagen der CDU zerstört, mehrere Autos von AfD-Abgeordneten in Brand gesetzt. Darüber hinaus wurde eine Mitarbeiterin der SPD-Bundesstaatssekretärin Cansel Kiziltepe in ihrem Büro bespuckt. Sonstige tätliche Angriffe wurden nicht registriert.

Und die Zahl der Attacken steigt. Allein im November wurden bislang fünf Büros von Abgeordnetenhausmitgliedern attackiert, davon je eines von SPD, Linkspartei und FDP sowie zwei der Grünen. Hinzu kommt eine Attacke auf das Büro des ehemaligen AfD-Abgeordneten Andreas Wild, das in der Nacht auf den 31. Oktober mit Farbe beschmiert worden war. Ähnliches ereignete sich vor wenigen Tagen an der Kreisgeschäftsstelle der Grünen Tempelhof-Schöneberg.

Dennis Buchner (SPD), Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, äußerte sich am Mittwoch zu den Taten. Er verurteile die Attacken „auf das Schärfste“ und bezeichnete sie als „Angriffe auf unsere freiheitliche Demokratie“. Die Stadtgesellschaft dürfe solche Vorfälle nicht akzeptieren. Meinungsfreiheit und kontroverse politische Debatten seien „für ein funktionierendes politisches System unerlässlich, besonders in diesen herausfordernden Zeiten“, erklärte Buchner.

Das sind Angriffe auf unsere freiheitliche Demokratie.

Dennis Buchner (SPD), Präsident des Abgeordnetenhauses

Dem stimmten Katina Schubert, Chefin der Linkspartei, sowie Susanne Mertens und Philmon Ghirmai, das Führungsduo der Grünen, zu. Dem Tagesspiegel sagte Schubert: „Wir beobachten die Entwicklung auch mit Hinblick auf die zunehmende gesellschaftliche Verrohung mit Sorge. Politischer Streit wird mit Argumenten geführt, nicht mit eingeschmissenen, beschmierten Scheiben oder verklebten Schlössern.“ Mertens und Ghirmai erklärten: „Die Vielzahl der Angriffe auf unsere Einrichtungen macht uns große Sorgen. Diese ganzen feigen Anschläge sind immer Angriff auf alle Demokrat*innen.“

Hinweise darauf, wer hinter den Attacken stecken könnte und ob es sich dabei um eine zusammenhängende Serie handelt, finden sich im Internet. Auf der von Linksextremen genutzten Plattform „Indymedia“ tauchte zuletzt ein Bekennerschreiben für die mittlerweile sechste Attacke auf das Lichtenberger Wahlkreisbüro des Linke-Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg auf.

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Später folgte auf einer anderen der linken Szene zugeschriebenen Plattform ein Bekennerschreiben für die Attacken auf die Büros von Florian Dörstelmann (SPD), Louis Krüger und Katrin Schmidberger (beide Grüne). Ob die Schreiben authentisch sind oder es sich um „Trettbrettfahrer“ handelt, wie Schlüsselburg zu Bedenken gibt, ist derzeit unklar.

Ergebnisse der Ermittlungen des Polizeiliche Staatsschutz wurden bislang nicht öffentlich, eine Tagesspiegel-Anfrage blieb bislang unbeantwortet. Ungeachtet dessen forderte die Deutsche Polizei-Gewerkschaft am Donnerstag, die unbekannten Täter vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Immerhin konnten zumindest bislang alle Fälle von Vandalismus über die Versicherungen der Abgeordneten und damit ohne Belastung des Landeshaushalts abgerechnet werden. Von der Anfang 2021 per Gesetzesänderung geschaffenen Option, Vandalismusschäden im Fall fehlenden Versicherungsschutzes durch das Abgeordnetenhaus und damit den Steuerzahler erstatten zu lassen, machte bislang niemand Gebrauch.

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