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Von Jan Kixmüller: Gutes Klima an der Havel

Im ablaufenden Jahr 2008 mauserte sich der Forschungsstandort Potsdam weiter zu einem Zentrum der Klimaforschung

Schnell reagieren – das ist vielleicht die beste Umschreibung für das, was die Potsdamer Wissenschaftslandschaft im nun zu Ende gehenden Jahr 2008 auszeichnete. Am 11. November hatte der indonesische Staatspräsident mit Vertretern der deutschen Bundesregierung am Indischen Ozean den Startknopf für den Probebetrieb des Tsunami-Frühwarnsystems gedrückt. Das Potsdamer GeoForschungsZentrum (GFZ) hatte bereits drei Wochen nach der verheerenden Tsunami-Katastrophe vom 26. Dezember 2004 ein Konzept für das Warnsystem vorlegt. Hier wurde schnell reagiert.

Eine schnelle Reaktion forderten 2008 auch die Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ein. Blieben doch der Menschheit kaum noch 15 Jahre, um einen gravierenden Klimawandel zu verhindern. Kein einziges Jahr dürfte in Sachen Klimaschutz noch vergeudet werden, wenn man die Folgen der Erderwärmung beherrschbar halten wolle. PIK-Chef- und Regierungsberater Prof. Hans Joachim Schellnhuber wurde nicht müde, dies immer wieder zu betonen.

Gleichzeitig hat man wichtige Grundsteine dafür gelegt, Potsdam zum Zentrum der Klimaforschung auszubauen. Eine Plattform der hiesigen Institute wurde gegründet, ein Büro des Weltklimarates (IPCC) unter Leitung von Prof. Ottmar Edenhofer am PIK angesiedelt, ein internationales Exzellenzinstitut für Klimaforschung kommt hinzu. Womit sich Potsdam, nach den Worten von Landesvater Matthias Platzeck (SPD), weltweit an die Spitze der Klimaforschung setze.

Auch die Geoforscher trieben neue Ideen zum Klimaschutz voran. Im Juli wurde auf einem Testgelände bei Ketzin erstmals Kohlendioxid in bis zu 800 Meter tief liegende Hohlräume gepumpt. Das GFZ will mit dem Experiment herausfinden, ob sich das Treibhausgas auf diesem Wege „entsorgen“ lässt. Die Energieunternehmen warten ungeduldig auf das grüne Licht der Forscher. Die aber geben sich – ihrem Beruf entsprechend – eher skeptisch bis abwartend.

Das Jahr begann auf dem Potsdamer Telegrafenberg mit einer wichtigen Auszeichnung. Der Geoforscher Prof. Rolf Emmermann, bis 2007 Leiter des GFZ, erhielt das Große Bundesverdienstkreuz. Sein Nachfolger am GFZ, Prof. Reinhard Hüttl, folgte ihm im Oktober mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Auszeichnungen für Potsdamer Forscher gab es wie in den Vorjahren wieder zahlreiche. Zwar war in diesem Jahr kein Leibniz-Preis dabei (2007 ging er an Gerald Haug, GFZ), doch der Kolloidchemiker Markus Antonietti vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm erhielt eine mit 2,5 Millionen Euro dotierte EU-Förderung für seine Arbeit an Materialien, die die CO2-Belastung der Atmosphäre verringern sollen. Antonietti hat schon in den vergangenen Jahren mit seiner „Wunderkohle“ von sich Reden gemacht – er hatte ein Verfahren entwickelt, das über Nacht aus Kompost hochwertige Kohle macht. Auch hier werden in Potsdam weitere Schritte zur Lösung des Klima- und Energieproblems unternommen.

Und, nicht zu vergessen, der Max-Planck-Forschungspreis 2008 ging ebenfalls nach Potsdam: an den Materialforscher Prof. Peter Fratzl. Für seine Pionierleistungen auf dem noch jungen Wissensgebiet der Biomimetik erhielt er 750 000 Euro. Apropos Preise: Die Filmhochschule HFF konnte 2008 wie in den Vorjahren, Monat für Monat wieder Preise für ihre Filmproduktionen einstreichen.

Das Personalkarussell brachte am Wissenschaftsstandort 2008 viel Bewegung. Zu nennen sind hier zwei hochkarätige Personalien. So hieß es, Prof. Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) habe ein Rufangebot an die Berliner Humboldt Universität erhalten. Die Frage der Umberufung sei derzeit noch in der Schwebe, sagte Sabrow, der eine Professur an der Uni Potsdam inne hat, in diesen Tagen. An die Technische Universität Berlin wurde Ottmar Edenhofer, Chefökonom und stellvertretender Direktor des PIK, als Professor für den weltweit ersten Lehrstuhl zur „Ökonomie des Klimawandels“ berufen. Beide, Sabrow und Edenhofer, bleiben der Potsdamer Forschung aber in jedem Fall in ihren Funktionen an ihren Instituten erhalten.

Ein Mann kehrte in diesem Jahr wieder nach Potsdam zurück, und zwar nach sieben Monaten auf einer Eisscholle. Der Techniker Jürgen Graeser überwinterte als erster Deutscher auf einer russischen Forschungsstation, die auf einer Eisscholle quer durchs Polarmeer driftete. Graeser nahm dabei Messungen für die Potsdamer Zweigstelle des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) vor. Gemessen wurden bislang unbekannte Daten aus der Atmosphäre über der Polarregion, auch diese interessant für die Klimaforschung. Mittlerweile plant Graser bereits die nächste Expedition. Im Frühjahr 2009 soll es bereits wieder auf eine Eisscholle gehen.

An der Universität Potsdam wurde indes der lang diskutierte Hochschulentwicklungsplan abgesegnet. Exzellente Forschung, Qualitätsmanagement und mehr wissenschaftlichen Nachwuchs kündigte Uni-Präsidentin Sabine Kunst an. Exzellenzbereich wurden die Kognitionswissenschaften, hinzu kamen acht neue Profilbereiche. An der Umstrukturierung gab es viel Kritik, bisher allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Ansonsten wurde es an der Uni auch in diesem Jahr enger, mit 20 600 Studierenden war die Alma Mater so voll wie nie zuvor. Die Uni legte daraufhin ein Notprogramm auf – zur Bewältigung des Ansturms wurden 350 000 Euro bereitgestellt. Während man sich an der Uni Gedanken um Kapazitäten machte, hatte die Fachhochschule 2008 Erfolg mit ihrem Konzept der Familienfreundlichkeit. Im bundesweiten Wettbewerb landete die FH vorne, in den kommenden zwei Jahren erhält sie 200 000 Euro für familienfreundliche Strukturen.

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise ist es an der Universität auch wieder schick geworden, die Schriften von Karl Marx zu lesen. Wöchentlich trifft sich ein Lesekreis, um gemeinsam „Das Kapital“ zu studieren. Zudem machten sich manche Studenten Gedanken über das Thema Toleranz – schließlich hatte Uni-Professor Heinz Kleger für ein Projekt der Landeshauptstadt ein neues Toleranzedikt verfasst und zur Diskussion gestellt.

Weit lebhafter als über das Edikt wurde in der Studierendenschaft allerdings über die Novelle des Landeshochschulgesetzes debattiert. Die Studierenden fürchten, durch das neue Gesetz in ihrem Mitspracherecht beschnitten zu werden, auch passen ihnen Fristen, Zwangsexmatrikulation und Mindestnoten für das Masterstudium nicht. Die Abstimmung im Landtag musste dann auch noch wiederholt werden, weil die Abgeordneten versehentlich einer alten Fassung zugestimmt hatten. Während also in der Forschung recht schnell auf aktuelle Problemlagen reagiert wird, mahlen die Mühlen der Landespolitik noch etwas langsamer.

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