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Die Flüchtlingssatire im "Almanach" des Bundespresseballs finden nicht alle gelungen

© Repro: Tagesspiegel

Streit um "Almanach" des Bundespresseballs: "Baby-Flüchtlingsschwimmen (ab 3 Monate)" - ist das Satire?

Ein als Satire gedachter Beitrag im "Almanach" des Bundespresseballs über einen "Schwimmkurs für Flüchtlinge" polarisiert. Nun entschuldigt sich der Vorstand der Bundespressekonferenz.

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Streit um einen Beitrag im "Almanach", dem "Satiremagazin der Bundespressekonferenz zum Bundespresseball": Er beschreibt auf drei Seiten einen "Schwimmkurs für Flüchtlinge", angeboten von der "Bundes-Badeagentur BBA".

"Das schaffen wir 2017" ist die traditionell jedes Jahr zum Ball erscheinende Satire-Broschüre in diesem Jahr überschrieben - und den Machern war es wichtig, dass das Thema Flüchtlinge vorkommt. Im umstrittenen Beitrag finden sich "Angebote" wie "Baby-Flüchtlingsschwimmen (ab 3 Monate)", "Vorschul-Flüchtlingsschwimmen (ab 3 Jahre)" oder auch "Refugiums-Flüchtlingsseepferdchen in Vorbereitung". Im Text zum "Vorschul-Flüchtlingsschwimmen" heißt es, die Kurse würden auf das richtige Überlebensschwimmen vorbereiten, "mit Festhalten an Treibgut, Tauchen bei hohem Wellengang, Springen vom Schlauchbootrand und Atemtechniken bei Nacht und Kälte."

Nicht alle können mit dieser Satire etwas anfangen. "Menschenverachtend" nennt sie der Journalist Robert Roßmann von der "Süddeutschen Zeitung" auf Twitter - und löst eine heftige Diskussion aus. "So viel Zynismus und Menschenfeindlichkeit macht fassungslos", twittert die Grünen-Vorsitzende Simone Peter.

Die Diskussion um Satire-Freiheit ist nicht neu, auch hier wird sie geführt. Die Macher des "Almanach" aber fühlen sich missverstanden, selbst wenn nicht alle im Team den konkreten Beitrag glücklich finden. Der freie Journalist Alexander Fritsch, der zum neuen Autorenteam des "Almanach" gehört, nennt die Debatte "bizarr". Es müsse doch jedem klar sein, dass es hier nicht um Humor auf Kosten der Flüchtlinge gehe. "Im Gegenteil" habe man sich damit auseinandergesetzt, dass noch immer viel zu viele Menschen die hoch gefährliche Flucht über das Mittelmeer wagten. "Humorziel sind nicht die Schwachen, sondern die, die nichts dagegen tun." Ihm sei "völlig unverständlich", wie man die Satire im "Almanach" anders interpretieren könne.

"Nicht das Flüchtlingsstück ist zu hart, die anderen waren zu harmlos"

Jens Peter Paul, der ebenfalls zum Redaktionsteam des "Almanach" gehört, erklärt: "Was ich uns vorwerfe, ist heute: Nicht das Stück ist zu hart - die anderen im ,Almanach' 2016 sind zu harmlos. Nur deswegen sprengen die ,Schwimmkurse' den gemütlichen Rahmen."

Auch der Journalist und Podcaster Tilo Jung, engagiertes Mitglied der Bundespressekonferenz, mag an der Satire nichts Verwerfliches finden. Er sagte dem Tagesspiegel: "Diese Satire im alljährlichen Satireheft ist böse und bissig. Aber 'Don't shoot the messenger!' Mit Blick auf die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik ist die Satire grandios, weil sie provoziert und hoffentlich aufrüttelt. Sowas als menschenverachtend zu bezeichnen, finde ich übertrieben. Menschen im Mittelmeer zur Abschreckung sterben zu lassen und dies nicht ständig als menschenverachtend zu behandeln, finde ich dementsprechend eine Untertreibung."

Der Almanach sei so alt wie der Bundespresseball selbst (hier ein Best-of), steht auf der Homepage des Veranstalters, der Bundespresseball GmbH. "Seit den 50er Jahren nehmen Mitglieder der Bundespressekonferenz das politische Geschehen auf die Schippe. Dabei hat sich als Regel herausgestellt, dass Politiker, die nicht im Almanach erwähnt werden, nicht wirklich wichtig sind."

Die aktuelle Ausgabe des "Almanach" kannten vor Drucklegung mehrere Vorstandsmitglieder der Bundespressekonferenz. Formal abgenommen worden sei sie vom Vorstand nicht, heißt es aus Vereinskreisen. Im Bundespressekonferenz-Vorstand herrscht die Auffassung vor, Satirefreiheit sei ein hohes Gut. Satire müsse auch verstören und weh tun, um einem Thema die notwendige Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Vorstand der Bundespressekonferenz bittet um Entschuldigung

Es dauerte bis Mittwochnachmittag, dann gab es eine Reaktion vom Vorstand der Bundespressekonferenz. Der Beitrag „Schwimmkurse für Flüchtlinge“ habe Kritik und Missfallen erregt. Der Vorstand bedauert, dass mit diesem Beitrag Gefühle und Wertvorstellungen verletzt worden sind. „Dafür bitten wir um Entschuldigung.“

Der Vorstand der Bundespressekonferenz erklärte, der Beitrag sei im Vorfeld von der Redaktion und den Herausgebern des "Almanach" kontrovers diskutiert werden. Es sei „die Absicht der Autoren gewesen, in überspitzender Form auf die Katastrophe von Tausenden von Toten im Mittelmeer aufmerksam zu machen und zur Diskussion über das Schleusertum anzuregen“. Eine Mehrheit der Beteiligten sei der Meinung gewesen, dass der Beitrag „die Grenzen der Satire zwar austestet, aber nicht überdehnt“.

Der Vorstand der Bundespressekonferenz, in der sich die Hauptstadtjournalisten zusammengeschlossen haben, kündigte an, sich im kommenden Jahr intensiv mit der Zukunft des "Almanach" zu beschäftigen.

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