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Homepage: Seiner Zeit voraus

Zum Abschied des Geographen Prof. Wilfried Heller fürchtet das Institut für Geographie um seine Zukunft

Zum Abschied von Prof. Wilfried Heller von der Universität Potsdam schloss sich ein Kreis. Aber nicht unbedingt im Guten. Der renommierte Humangeograph konnte, nachdem er vor 13 Jahren an die Uni Potsdam kam, die damalige existenzielle Bedrohung für das Fach Geographie abwenden. Mehr noch, wie sein vielzähligen Laudatoren zu seiner Abschiedsfeier nun betonten, ist ihm auch die Errichtung des bundesweit einzigartigen Studiengangs Regionalwissenschaften zu verdanken.

Nun aber, nach seiner Pensionierung steht seine Professur auf der Kippe. Die Universitätsleitung habe im Zuge der Strukturdebatte an der Hochschule beschlossen, die Humangeographie mit ihrer sozialwissenschaftlichen Basisorientierung den anderen, ausschließlich naturwissenschaftliche orientierten Geowissenschaften zuzuschlagen. So zumindest sieht es Hellers Kollege Prof. Hans-Joachim Bürkner. „Die Stellung der Humangeographie samt der Erfolge und der internationalen Sichtbarkeit ihrer Transformationsforschung würde von einer derartigen Entwicklung erheblich beeinträchtigt“, so Bürkner, der die Professur zur Wirtschafts- und Sozialgeographie inne hat, eine gemeinsame Berufung mit dem Institut für Regionalentwicklung und Strukturwandel (IRS).

Der stellvertretende Leiter des Instituts für Geographie, Prof. Hartmut Asche, formulierte die paradoxe Entwicklung zur Abschiedsfeier im Audimax der Uni wie folgt: „Wilfried Heller verlässt das Institut für Geographie in ebenso schwierigen Zeiten, wie er es vor 13 Jahren vorgefunden hat“. Das Potsdamer Klima sei eben doch rau und ohne Himmelslicht, zitierte Asche frei nach Alexander von Humboldt.

In den 13 Jahren seines Schaffens an der Potsdamer Uni hatte Heller so etwas wie eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Nicht nur, dass er das Profil der Geographie in Potsdam schärfte, auch war er einer der Ersten, der die Studienreform zu Bachelor und Master in Potsdam vorantrieb. Heller sei immer seiner Zeit etwas voraus, wurde dann auch von mehreren Laudatoren festgestellt.

So auch mit seinen Forschungsaktivitäten in Südosteuropa. Wer hätte denn in den 1970er und 80er Jahren gedacht, dass regionale Migrationsysteme, die Situation ethnischer Minoritäten und Ost-West-Wanderungen in Rumänien, Griechenland oder auch der Türkei einmal mit den neuen Außengrenzen der EU in den Fokus der aktuellen Geopolitik geraten könnten. Nach der Wende wurde die Forschungsaktivität Hellers, der selbst Wurzeln in Böhmen hat, in den Transformationsländern des Postsozialismus aktueller denn je. Passte sich doch Hellers Fokus auf Demographie, Migration und räumliche Entwicklung geradezu nahtlos in die Debatten der Gegenwart ein.

Heller war 1994 über Göttingen kommend aus Heidelberg an der damals noch jungen Potsdamer Universität gelandet. Als Professor der Sozial- und Kulturgeographie hatte er das Institut für Geographie in seinem Aufbau unterstützt, und war federführend an der Erarbeitung neuer Studienordnungen beteiligt. Neben der Multidisziplinarität seiner Arbeit baute er auch zahlreiche Kontakte und Kooperationen in osteuropäische Nachbarländer auf. Aktivitäten, die mit den Würden des Ehrendoktors und Ehrenprofessors an den Universitäten Bukarest und Cluj-Napoca (Klausenburg/Siebenbürgen) honoriert wurden. Auch war Heller Wegbereiter der Kooperation mit dem Institut für Regionalentwicklung und Strukturwandel (IRS) in Erkner.

Bedenklich fand mancher nun beim Abschied von Professor Heller, dass mit seinem Weggang eine in vielen Jahren aufgebaute Potsdamer Forschungstraditionen wieder aufgegeben werden könnte. Die Wiederbesetzung von Hellers Professur wurde mitten im Verfahren von der Unileitung gestoppt. Am Institut für Geographie befürchtet man nun, dass im Zuge der Neuaufstellung der Potsdamer Uni (PNN berichteten) die Geographie in einen möglichen neuen Exzellenzbereich zur Klimaforschung geraten könnte. „Dazu müsste sich das Institut vollkommen neu ausrichten“, so Asche. Und sollte die Professur von Heller – eine so genannte Eckprofessur mit tragender Bedeutung – woanders hingeschoben werden, würde das Institut im Kern beschädigt. „Und würde nicht mehr lange existieren“, so Asche.

Uni-Sprecherin Janny Armbruster verwies auf die derzeit laufende Strukturentwicklungsplanung der Universität. Zur Zeit müssten alle (Wieder-)Ausschreibungen auch im Blickwinkel der Profilbildung der Hochschule gesehen werden. Kritik an den Schritten von Uni-Präsidentin Sabine Kunst sei unberechtigt, da die Unileitung zur Hochschulentwicklungsplanung zunächst nur die Richtung vorgegeben habe, die nun von den Gremien und vor allem in den Fakultäten zur Diskussion stehe. „Nun müssen die Fakultäten Stellung beziehen und auch eigene Vorstellungen einbringen, das ist ein ganz normaler Prozess“, so Armbruster gegenüber den PNN. Die Strukturplanung der Uni soll bis zum Frühjahr 2008 abgeschlossen sein.

Prof. Heller selbst bezog nur allgemein Stellung zum Disput um seine ehemalige Professur. Man sollte in einer offen Diskussion miteinander umgehen und keine autoritären Entscheidungen treffen. Ansonsten will er sich aus der Debatte heraus halten. Hat er doch selbst als Pensionär noch genug andere Dinge im Kopf. So etwa weitere Forschungsprojekte zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformation der Reformstaaten in Südosteuropa, die unter anderem mit der VW-Stiftung bereits eingefädelt sind. Offensichtlich ist der Bedarf in diesem Forschungsfeld tatsächlich recht groß.

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