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Umdenken. Mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger empfiehlt der Umweltforscher Tim Butler, um die Luft in Potsdam sauberer zu machen.

© Sebastian Gabsch

Potsdamer Umweltforscher Tim Butler im Interview: „Wir sollten von Autos Abstand nehmen“

Tim Butler vom Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS über saubere Luft in den Städten, die Potsdamer Zeppelinstraße und die Zukunft des Diesel.

Herr Butler, werden in 15 Jahren noch Autos mit Verbrennungsmotoren durch unsere Städte fahren?

Ich gehe davon aus, dass es immer einen Platz für den Verbrennungsmotor geben wird. Der Motor hat viele Vorteile, etwa die große Reichweite. Ein Nachteil ist aber die Luftverschmutzung. Um die Luftqualität in den Städten zu verbessern, müssten in zehn bis 15 Jahren wesentlich weniger der gängigen Dieselautos unterwegs sein. Elektro- und Hybridautos sind Alternativen. In der Stadt sind die Wege kurz. Wenn es eine ausreichende Struktur zum Aufladen der E-Autos gibt, kann das vielen Verbrauchern ausreichen. Aber auch der Benziner bleibt eine Alternative.

Der Benziner, tatsächlich?

Bei der Luftreinhaltung sind die gegenwärtigen Benziner den Dieselfahrzeugen weit voraus. Das Hauptproblem der Benzinmotoren ist ihr Klimaeffekt, also der Ausstoß von Kohlendioxid. Das lässt sich bei Verbrennungsmotoren nur lösen, wenn man nachhaltig erzeugten Sprit nutzt.

Elektroautos sind aber ökologisch auch nicht unbedenklich, wegen der Akkus etwa.

Das stimmt. Hinzu kommt, dass das Problem nur verlagert wird, wenn Kohlestrom genutzt wird. Dann ist die Luft in den Städten zwar besser, aber die Kohlekraftwerke bleiben schmutzig. Eigentlich brauchen wir eine umfassende Mobilitätswende.

Die wie aussieht?

Wir sollten von den Pkw Abstand nehmen. Der öffentliche Nahverkehr muss massiv ausgebaut werden, die Städte sollten stärker mit Blick auf die Bedürfnisse der Fußgänger und Radfahrer gestaltet werden. Wir müssen die große Menge an Fahrzeugen in den Städten reduzieren. Wenn wir das schaffen, wäre das ein riesiger Fortschritt für den Klimaschutz und bessere Luftqualität.

Ich bin schon jeden Tag froh, wenn ich mit dem Rad überhaupt heil durch den Autoverkehr komme.

Man muss mit den Radwegen anfangen. Wenn alle Autofahrer sehen, dass es mehr Platz für Fahrräder gibt und diese eventuell sogar schneller am Ziel sind, werden viele einsehen, dass sich der Umstieg auf das Fahrrad lohnen könnte.

In Potsdam wurde nun die Zeppelinstraße vorübergehend verengt, um die Luft zu verbessern. Eine sinnvolle Maßnahme?

Wir sind alle sehr gespannt, ob und was das bringt. Dazu muss man allerdings langfristige Messwerte abwarten, denn die Grundwerte sind über ein ganzes Jahr gemittelt. Ich befürchte allerdings, dass eine Verengung einer Straße das Problem nur auf andere Straßen verlagert.

Was lässt sich durch intelligente Ampelabschaltungen erreichen?

Wichtig wäre zunächst einmal, dass Autos weniger im Stop-and-go-Verkehr und Stau stecken, dabei entstehen nämlich mehr Schadstoffe. Das könnte lokale Verbesserungen bringen. Ob es aber der gesamten Stadt nützt, kann ich nicht sagen.

Und Fahrverbote?

Das sind die einfachsten Maßnahmen, um etwas zu erreichen. Und es kann sein, dass die Städte durch Gerichtsurteile dazu gezwungen werden.

Wer ist für saubere Luft in der Pflicht, die Kommunen, der Gesetzgeber oder die Industrie?

Die aktuelle Luftverschmutzung wird stark durch die große Menge an Dieselfahrzeugen verursacht. Diese stoßen viel mehr Stickoxide aus als erlaubt. Auch die neuen Pkw mit Euro-6-Norm überschreiten die Grenzwerte. Hintergrund ist ein enges Zusammenspiel der Regierungen und der Autoindustrie in Deutschland und Europa bei der Förderung von Dieselautos. Der Dieselkraftstoff ist beispielsweise steuerlich begünstigt, obwohl Dieselfahrzeuge mehr Stickoxide als Benziner ausstoßen. Hier muss man ansetzen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen ändern. Doch da bin ich skeptisch.

Inwiefern?

Wir kennen diese Zusammenhänge mit dem Klimaschutz und der Luftverschmutzung schon recht lange. Als Antwort ist man auf Diesel umgestiegen und hat ein noch größeres Problem geschaffen. Aktuelle Studien zeigen, dass moderne Dieselfahrzeuge genauso viel CO2 ausstoßen wie Benziner. Das liegt daran, dass die Fahrzeuge immer größer wurden. Die Industrie hat den Vorteil des Diesel genutzt, um größere Autos zu bauen. Heute sind die großen SUV in Mode, die natürlich viel mehr Kraftstoff brauchen als kleinere, leichte Wagen. Langfristig dürfen nur noch Fahrzeuge zugelassen werden, die die Normen und Standards für Klimaschutz und Luftreinhaltung tatsächlich einhalten – bei realen Fahrbedingungen.

Warum eigentlich die ganze Aufregung? 1990 waren die Stickoxid- und Feinstaubwerte wesentlich höher als heute.

Das stimmt, die Luftqualität ist in Deutschland besser geworden. Aber viel langsamer als erwartet. Laut Statistik sind die Quellen der Stickoxide stark rückläufig, doch die tatsächlich gemessenen Werte sinken nicht entsprechend.

Warum?

Wegen der Dieselfahrzeuge. Die Situation ist ziemlich akut. Die Zeit drängt.

Hat der Diesel überhaupt noch eine Zukunft?

Mittlerweile gibt es tatsächlich Dieselmotoren, die sauberer sind. Die neusten Diesel-Lkw stoßen weniger aus als die Euro-VI-Norm verlangt. Die Abgasreinigung bei den Lkw funktioniert – und das könnte auch in Pkw eingebaut werden. Allerdings müssten wir dafür auf die nächste Generation der Pkw warten. Bis dahin aber werden die jetzigen Dieselautos immer noch zu viele Stickoxide ausstoßen.

Sind denn die Autos überhaupt das Hauptproblem?

Der Transportsektor ist für über 40 Prozent des gesamten Ausstoßes an Stickoxiden in Europa verantwortlich, in den Städten sicherlich noch viel mehr. Der Rest stammt hauptsächlich von der Industrie, von Kraftwerken und Heizungen. Diese Quellen werden im Laufe der Zeit weniger Schadstoffe hervorbringen. Am dringendsten ist es, die schmutzigen Dieselautos zu beseitigen.

Ihre Vision der Stadt in 20 Jahren?

Die Städte werden viel freundlicher für Radfahrer und Fußgänger sein. Das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs ist stark ausgebaut, sodass nur wenige Menschen das Auto brauchen. Ganz auf Autos werden wir aber nicht verzichten können. Die Autos in den Städten werden jedoch möglichst schadstofffrei sein, also Hybrid- oder Elektroautos. Auch die Flotten der Kommunen und Dienstwagen werden deutlich sauberer sein. Viele kleine Schritte werden schließlich zum Erfolg führen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller.

Tim Butler (42) ist Experte für Klima und Luftqualität am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam und Gastprofessor an der Freien Universität Berlin.

Hintergrund:

Der Umweltforscher Tim Butler ist Teilnehmer der aktuellen Potsdamer Sommerakademie, in der die Zukunft von Städten beleuchtet wird: Internationale Experten aus 30 Ländern diskutieren bis zum 13. September im Rahmen der „Potsdam Summer School“ mit renommierten Nachhaltigkeitsforschern, welche Lösungen und Strategien sich in Zeiten des Klimawandels eignen – etwa für wachsende Städte. Die Ergebnisse werden in einem Memorandum zusammengefasst. An der Summerschool am Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS nehmen auch Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, des Geoforschungszentrums, des Alfred-Wegener-Instituts, des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung und der Universität Potsdam teil. Die 42 Teilnehmer im Alter von 25 bis 45 Jahren wurden aus mehr als 350 Bewerbungen ausgewählt. Mit einem breiten Spektrum an Wissen treffen sie in Potsdam auf internationale Nachhaltigkeitsforscher. Gemeinsam wollen sie Strategien für die Zukunft menschlicher Lebensräume entwickeln.

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