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Offen. Die exakte Zuordnung des Potsdamer Hundsgifts steht noch aus.

© MB

PNN-Serie: Pflanze des Monats: Wächst Hundsgift im Botanischen Garten?

Im Botanischen Garten der Uni Potsdam wachsen exotische und heimische Pflanzen. In den PNN stellt Kustos Michael Burkart jeden Monat eine von ihnen vor. Heute: Amerikanisches Hundsgift.

Die aktuelle Pflanze des Monats kam 1995 als Samentütchen aus einem österreichischen Botanischen Garten nach Potsdam, unter dem Namen Apocynum cannabinum (Amerikanisches Hundsgift). Die Pflanze gedeiht und blüht seit Jahren jeden Sommer bei uns. Bereits vor einiger Zeit sagte ein Kollege, bei der Pflanze handle es sich um etwas anderes, nämlich das Venezianische Hundsgift (Apocynum venetum). Der neue Name wurde in der Pflanzendatenbank notiert, fand aber nicht den Weg auf das Etikett im Beet. Bis der Kollege kürzlich wieder vorbeikam und erneut darauf hinwies.

Hat hat er aber Recht? Die Überprüfung erwies sich als schwierig. Schon der Umfang der Gattung Apocynum ist unklar. Die letzte umfassende Bearbeitung stammt von 1930 und beschreibt zwölf Arten, die teils in Nordamerika, teils in Eurasien vorkommen. Alle Arten haben große Verbreitungsgebiete und sind sehr variabel; ein früherer Bearbeiter unterschied allein für Nordamerika über 50 Arten.

Hundsgift wird als Heilpflanze genutzt und ist giftig; das Venezianische Hundsgift, welches von Südosteuropa bis ans Chinesische Meer vorkommt, ist in China auch als Tee in Gebrauch. Es erfährt durch die Pharmazie gerade große Aufmerksamkeit wegen seiner stimmungsaufhellenden und beruhigenden Wirkungen. Sowohl in Nordamerika als auch in Asien wurden und werden die langen und sehr zähen Bastfasern der Stängel vielfältig verwendet; sie sind spinnbar und sollen an Feinheit sogar Baumwolle übertreffen. Der Artname cannabinum des Amerikanischen Hundsgifts bezieht sich auf diese hanfähnlichen Eigenschaften. Der Milchsaft kann zur Herstellung von Kaugummi verwendet werden, und die reichblühenden, duftenden Sträucher sind auch eine gute Bienenweide.

Leider kann eine eindeutige Antwort zur Identität unserer Pflanze im Moment nicht gegeben werden. Die meisten Merkmale sprechen für die Zuordnung zu einer dritten, ebenfalls nordamerikanischen Art, dem Gewöhnlichen Hundsgift (A. androsaemifolium), aber auch für die beiden anderen Arten gibt es Anhaltspunkte. Zur Aufklärung wäre Vergleichsmaterial nötig, das in Herbarien eingesehen oder von dort ausgeliehen werden könnte – ein großer Aufwand für eine einzige der rund 16 000 Pflanzen im Botanischen Garten.

Fehler und Unsicherheiten sind ständige Begleiter des wissenschaftlichen Arbeitens. Das gilt auch für diese Kolumne. Von den 119 bisher abgedruckten „Pflanzen des Monats“ hatten vier einen falschen Namen, wie sich hinterher erwies. Bei zwei anderen einschließlich der aktuellen besteht weiterhin Unsicherheit. Fehler sind aber immer auch ein Ansporn, etwas dazuzulernen. Besonders schön ist das in dem folgenden Vers formuliert: „Durch Fehler wird man klug, darum ist einer nicht genug.“ 

Michael Burkart

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