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Tauwetter. Die Seen der Arktis setzen immer mehr Methan frei.

© David Goldman/AP/dpa

Neue Erkenntnisse zur Erderwärmung: Tauwetter in der Arktis besorgt Polarforscher in Potsdam

AWI-Studie: Der Beitrag des tauenden Permafrosts in der Arktis zur Klimaerwärmung könnte sich bis zum Jahr 2050 verdoppeln.

Potsdamer Polarforscher untermauern die These von Klimaforschern, wonach Rückkopplungseffekte die Erderwärmung beschleunigen könnten. In einer Studie schreiben sie, dass sich die Freisetzung von Methan aus Seen in den arktischen Permafrostgebieten durch den Klimawandel künftig abrupt verstärken könnte. Die Seen in der Arktis würden durch tauenden Permafrost wachsen, an ihrem Grund fresse sich das Wasser immer tiefer in den zuvor gefrorenen Boden.

Bakterieller Abbau von Pflanzenresten verstärkt sich enorm

Das internationale Forscherteam unter Beteiligung des Potsdamer Alfred-Wegener-Instituts (AWI) hat festgestellt, dass sich der bakterielle Abbau von Pflanzenresten in Seesedimenten schon in wenigen Jahrzehnten enorm verstärken dürfte. Womit wiederum auch der Ausstoß des Klimagases Methan steigen dürfte. Schon länger wird vermutet, dass sich dieser Prozess stark auf die Treibhausgasbilanz der Atmosphäre auswirken kann, da Methan bei der Erwärmung des Klimas bis zu 30 Mal stärker als Kohlendioxid wirkt.

„Die Ergebnisse sind ernüchternd“, so die AWI-Forscher. Denn offensichtlich verstärken die Seen das Auftauen der Permafrostböden in erheblichem Maß. Während das allmähliche Tauen in der Umgebung nur im Zentimeterbereich liegt, taute in den letzten Jahrzehnten der Untergrund unter neu gebildeten Seen schon bis in 15 Meter Tiefe auf, so die Forscher. In diesen Seen können nun Mikroorganismen die aufgetaute Biomasse zersetzen und zu Methan und Kohlendioxid umwandeln. Die Wissenschaftler ermittelten, dass sich die Klimawirkung durch das damit zusätzlich entweichende Kohlendioxid und Methan bereits bis zum Jahr 2050 verdoppeln könnte.

Fäulnisprozesse erzeugen Treibhausgas Methan

Ingmar Nitze vom AWI in Potsdam hat für die Studie Satellitenaufnahmen aus den Jahren 1999 bis 2014 ausgewertet. „Kritisch wird es, wenn die Seen so tief sind, dass das Wasser in der Tiefe auch in strengen Wintern nicht mehr gefriert“, erklärt er. Da die Wassertemperatur am Grund der Seen über dem Gefrierpunkt liege, setze sich das Tauen dann auch im Winter fort. So würden Mikroorganismen im aufgetauten Seeboden neuerdings das ganze Jahr über aktiv sein und aus den abgelagerten Pflanzenresten in Fäulnisprozessen Methan produzieren.

Der nun festgestellte Effekt um und unter den Seen ist so stark , dass die Polarforscher von einem „abrupten Tauen“ sprechen. Der Vorgang erreiche damit eine neue Dimension. Die Forscher hatten für die Studie erstmals für alle Permafrostregionen der Erde insgesamt quantifiziert, wie viel Treibhausgas durch die Ausdehnung von Seen zusätzlich entsteht. Auf Grundlage von Satellitenaufnahmen errechnete Ingmar Nitze zusammen mit dem Leiter der AWI-Sektion „Permafrostforschung“, Guido Grosse, wie viele Seen sich in den riesigen Permafrostregionen Alaskas ausdehnen und auch wieder verschwinden. „Wir liefern jetzt erstmals eine genaue Quantifizierung der Permafrostsee-Bilanz und können damit Aussagen treffen, wie viel Permafrost in den vergangenen Jahrzehnten durch schnelles See-Wachstum tatsächlich aufgetaut wurde“, erklärt Nitze.

Abruptes Tauen bislang in Klimamodellen nicht berücksichtigt

Der Gesamtausstoß an Klimagasen im Permafrost unter Einbeziehung der Seen wurde schließlich vom Potsdamer AWI-Mitautor der Studie, Thomas Schneider von Deimling, für die kommenden Jahrzehnte mittels eines Computermodells ermittelt. „Das abrupte Tauen unter den Seen ist ein Phänomen, das bislang in globalen Klimamodellen nicht berücksichtigt wird“, erklärt der Polarforscher Schneider von Deimling. „Wie wir jetzt herausgefunden haben, kann es aber den Anteil der Klimaerwärmung durch tauenden Permafrost verdoppeln, und wir sollten es deshalb künftig unbedingt in die Berechnungen einfließen lassen.“ Der Rückkopplungseffekt in der Arktis wirke sich fast so stark auf den Klimawandel aus wie die globale Landnutzungsänderung, betonen die Forscher.

Die Studie wurde auf deutscher Seite vom European Research Council, von der Europäische Weltraumorganisation ESA und dem Bundesforschungsministerium unterstützt. Die amerikanischen Partner sind von der University of Alaska Fairbanks, der University of New Hampshire, sowie der Alaska Division of Geological and Geophysical Surveys, sie wurden von der Nasa unterstützt.

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