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Interaktive Schönheit. Design-Dozent Boris Müller zeigt auf seiner Homepage, wie schön es im Internet sein könnte.

© PNN

Mehr Eleganz im Netz: Potsdamer Design-Professor langweilt sich im Internet

Der Professor für Interaktionsdesign Boris Müller hält viele Internetauftritte für fantasielos. Daher spornt der Dozent der Fachhochschule Potsdam seine Studenten zu mehr Spielfreude an.

Potsdam - Im Internet fehle es an Fantasie, twitterte Boris Müller unlängst. Seine Studierenden rief der Professor für Interaktionsdesign der Fachhochschule Potsdam dazu auf, dies zu ändern. Müller wünscht sich, dass die Studierenden experimentierfreudiger, lockerer und spielerischer werden. An der FH vermittelt der Designer, wie Internetseiten innovativ, aber auch nutzerfreundlich gestaltet werden können.

Boris Müller ist Professor für Interaktionsdesign an der FH Potsdam.
Boris Müller ist Professor für Interaktionsdesign an der FH Potsdam.

© Manfred Thomas

Riesen-Echo auf Müllers Aufsatz

Als sich Müller in dem Aufsatz „Why do all Websites look the same“ darüber beschwerte, dass Websites immer langweiliger und gleichförmiger würden, erhielt er ein Echo, das ihn überraschte. „Das ging durch die Decke. Der Artikel erhielt mehr als 100.000 Views, über 100 Kommentare und wurde in verschiedenen Foren diskutiert“, so Müller. Bei vielen Websites gebe es heute „Schachteln in Schachteln in Schachteln“. Also stellte er seinen Studenten die Aufgabe, neue und experimentelle Websites zu bauen, denn das Studium sollte ein Ort für „Freiheit und gestalterischen Spielraum“ sein. „Einige beschränken sich aber darauf, nur abzuschauen.“

Der gegenwärtige Trend zu Plattformen, auf denen sich User mit verschiedenen Templates ihre Websites selber zusammenbasteln können, führe zur Gleichförmigkeit der Seiten. „Das ist eine Abwärtsspirale. Die gilt es zu stoppen“, so Müller. Wo vorgefertigte Content Management Systeme individuelles Design ersetzten, könne nichts Neues entstehen. Wie überhaupt beim Design gelte aber auch für Websites: Form und Inhalt müssten sich entsprechen und individuell gestaltet werden. Die Webseite einer kleinen Galerie könne viel experimenteller sein, als die einer Bank oder eines Handelsunternehmens.

Die entstandenen Webseiten sind sehr unterschiedlich gestaltet

Die vier Internetseiten, die er als Beispiele aus dem Studentenprojekt herausgestellt hat, sind dementsprechend sehr unterschiedlich gestaltet. Auch wenn Müller einschränkt, dass nicht die Nutzerfreundlichkeit und praktische Verwendbarkeit im Vordergrund gestanden habe. Frederic Haase und Jonas Köpfer haben für das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) eine neue Website entworfen. Ein Spiel mit Typografie und Bildern sei das geworden, so der Professor. 

Der Betrachter der Seite benötigt einen Moment, um sich durch die in verschiedenen Typografien und Größen angeordneten Überschriften, Hinweise und Rubriken zu finden. Dann aber treten auch die notwendigen Funktionen hervor: Besucherinfo, Öffnungszeiten, Eintrittspreise. Jedes Mal, wenn sich die Seite aufbaut, wird sie im Rahmen des zugrunde gelegten Design Musters neu gestaltet. Das sei nun nicht gerade vorderste Gestaltungs-Avantgarde, aber immerhin funktional gedacht, meint Müller. Jedenfalls verfüge die Website über ein ansprechendes Erscheinungsbild.

Zwei Studenten haben sich für einen "strukturellen Ansatz" entschieden

Amelie Kirchmeyer und Fabian Schultz haben einen „strukturellen Ansatz“ gewählt. In ihrem Entwurf für das Internetportal „Medium“ kann der Betrachter nun in einem Text die strukturellen Besonderheiten des Textes mit verschiedenen Textwerkzeugen hervorheben. Besonders Negatives, auffallend lange Wörter, Fremdwörter lassen sich automatisch vergrößern, verkleinern, farbig verändern. Das habe für eine allgemein zugängliche Website wenig Relevanz, räumt Müller ein. Entsprechende Werkzeuge spielten bei der Textanalyse beispielsweise von Google, Facebook oder auch in der Wissenschaft aber eine große Rolle. Auch beim Generieren von automatischen Texten sei es wichtig, sich über die Bedeutung der einzelnen Textpassagen und inhaltlichen Blöcke am besten visuell Klarheit zu verschaffen.

Fabian Dinklage und Florian Zia haben die Website von Hacker News als studentischen Entwurf neu gestaltet. Aus der ursprünglich ausgesprochen übersichtlichen und schnell zu verstehenden Website ist bei ihnen ein Experimentierfeld geworden. Das weist zwar immer noch die gleiche Untergliederung auf wie die Ausgangswebsite. Nun aber werden die einzelnen Elemente mit überraschenden Pop-Up-Fenstern unmittelbar präsentiert. „Hier werden Daten visualisiert“, erläutert Müller. Und dies stelle auch den zukunftsweisenden Aspekt des Ansatzes von Dinklage und Zia dar. Denn wenn heute immer mehr große Datenmengen gespeichert und verarbeitet würden, müssten diese auch visuell anders dargestellt werden, als nur mit Tabellen und Tortendiagrammen. Unsichtbare Daten und Strukturen müssten auf der Bildschirmoberfläche sichtbar gemacht werden, so Müller. Die Disziplin des Gestaltungsdozenten, das Interface Design, werde daher immer wichtiger. Der schnelle und übersichtliche Zugang von Inhalten, die sich erst durch die immer größer werdenden Datenberge ergeben: Das stelle ganz neue Aufgaben an die Gestaltung.

Müller hat für das Berliner Münzkabinett eine spielerische Webseite entwickelt

An der FH Potsdam werden alle grundlegenden Fächer für Design gelehrt: Zeichnen, Programmieren, Farbenlehre und anderes. Aufgabe der Studenten sei es aber, mit den so zur Verfügung gestellten Kenntnissen Neues zu entwickeln und funktionale Lösungen zu finden, sagt der Hochschullehrer. Das ist Boris Müller, der seit 2003 an der Fachhochschule Potsdam lehrt, selbst gut gelungen. Bei verschiedenen Medienfestivals, unter anderem in Tokyo und beim Type Directors Club in New York hat Müller Preise gewonnen. 

Für das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin hat Müller eine neue Website entworfen, die einen spielerischen Zugang zu dem eher angestaubten Thema historischer Münzsammlungen ermöglicht. Aus einem Münzhaufen kann der Betrachter jeweils auswählen und erhält dann die Angaben der einzelnen Münze wie Gewicht, Herkunft und den Zeitraum, in dem sie verwendet wurde. So werden die alten Metalle zu Preziosen, die trotz ihrer Vielzahl und Gleichartigkeit jede besonders erscheinen. Auch Websites sollten so interessant, vielfältig gestaltet und interaktiv sein, wünscht sich der Designer.

Richard Rabensaat

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