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Märzwinter. Österliches Schneetreiben am Ostseestrand.

© F. Gambarini/dpa-Bildfunk

Klimaforscher erklären frostigen Frühling: Warum der März so kalt war

Neue Erkenntnisse von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zeigen, dass der Polarwirbel schwächer wird. Das beeinflusst auch unser Wetter.

Potsdam. Jetzt ist er also endlich da, der Frühling. Sehnsüchtig erwartet, weil der März diesmal recht unterkühlt ausfiel. Mit rund 2,5 Grad im Mittel blieb der März mehr als zwei Grad unter dem langjährigen Durchschnitt – und war sogar kälter als der Januar. Alle fünf Jahre gibt es statistisch gesehen einen sogenannten Märzwinter – im März 2013 gab es sogar Dauerfrost bis über das Monatsende hinaus. Die Kaltlufteinbrüche Ende Februar und Mitte März waren so ungewöhnlich, dass sich auch Klimaforscher dafür interessierten. Natürlich darf es im März auch noch mal kalt sein. Doch dass Mitteleuropa – und zuvor Teile Nordamerikas und Eurasiens – von Polarluft geradezu geflutet wurden, während es in der Polarregion viel zu warm war, war anomal.

Überraschende Wärmeanomalie in der Arktis 

Auf die Wärmeanomalie reagierten Arktisexperten dann auch mit einiger Überraschung, gleichzeitig konstatierten sie, dass in der Arktis immer mehr Eis abtaut. Ein Meereisexperte machte sogar offenes Wasser nördlich von Grönland aus. Die Entwicklungen dort sind für uns nicht unerheblich, da das Wetter in Mitteleuropa stark von der Nordatlantikregion beeinflusst wird. Der Potsdamer Klimaforscher und Ozeanologe Stefan Rahmstorf – Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Uni Potsdam – hat jüngst im Wissenschaftsblog „scilogs“ die Entwicklung genauer betrachtet: Die Arktis erwärmt sich demnach mittlerweile mehr als doppelt so schnell wie der Rest des Globus. Auch der Verlust von Landeis habe sich in den letzten Jahrzehnten beschleunigt, was den Anstieg des globalen Meeresspiegels immer weiter beschleunige.

Auch langfristige Klimaentwicklungen spielen eine Rolle

Temperaturanomalien von 25 Grad wie Ende Februar in der Nordpolarregion lassen sich zunächst mit kurzfristigen Wetterschwankungen erklären. Doch würden hier, so Rahmstorf, auch langfristige Klimaentwicklungen eine Rolle spielen. „Wenn diese beiden Dinge sich einfach addieren, dann würde sich praktisch weiter dasselbe Wettergeschehen abspielen, nur auf etwas höherem Temperaturniveau.“ Was aber passiert, wenn die Erwärmung sich nicht einfach zum normalen Wetter hinzuaddiert, sondern die Dynamik des Wettergeschehens sich selbst ändert, untersucht seit vier Jahren eine PIK-Nachwuchsgruppe um Dim Coumou. Dazu untersuchen die Forscher den Zusammenhang von Jetstream, Polarwirbel und Wetterextremen. „Sie konnte bereits in ,Science’ aufzeigen, dass eine frühere Befürchtung tatsächlich eingetreten ist. Der Jetstream hat sich über die letzten Jahrzehnte verlangsamt, dafür schwingt er stärker von Nord nach Süd und zurück: seine Mäander werden größer“, erklärt Rahmstorf.

Pötzliche, massive Erwärmung über dem Nordpol

Und diese Vorgänge können auch direkt Einfluss auf unser Wetter haben. Denn der Polarwirbel schließt eigentlich die arktische Kaltluft wie ein Zaun ein, in der unteren Schicht der Atmosphäre, der Troposphäre umschließt der Jetstream die Kaltluft. Doch gelegentlich bricht der stratosphärische Polarwirbel zusammen oder kehrt gar seine Strömungsrichtung um: Dann kommt es zu einer plötzlichen, massiven Erwärmung der Stratosphäre über dem Nordpol – mit Auswirkungen auf die Großwetterlage der Nordhalbkugel. Dies sei letztlich auch die Ursache für den Kaltlufteinbruch im Februar gewesen.

Neue Erkenntnisse zu den Vorgängen hat auch PIK-Doktorandin Marlene Kretschmer, die den Polarwirbel mit Hilfe einer Clusteranalyse – einem objektiven Algorithmus, der die tägliche Lage des Polarwirbels in Gruppen einteilt - analysiert hat. Die Diplom-Mathematikerin fand heraus, dass die Schwächephase des Polarwirbels im Zeitraum von 1979 bis 2015 zunehmend länger anhält. Die Zahl der Tage, an denen dieser Zustand herrsche, habe gemessen am linearen Trend um rund das Fünffache zugenommen. Ein starker, stabilen Polarwirbel direkt über dem Pol trete hingegen viel seltener auf. Dies sei ein Grund dafür, warum sich im nördlichen Eurasien die Winter gegen den globalen Erwärmungstrend zuletzt abgekühlt haben, so Rahmstorf. In einer weiteren Studie konnte Marlene Kretschmer zeigen, dass es vor allem der Eisschwund in der Barents-Kara-See ist, der zu der zunehmenden Instabilität des Polarwirbels führt. „Damit führt die Indizienkette direkt zur globalen Erwärmung, die ja diesen Eisschwund verursacht“, erklärt Rahmstorf. „Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis. Es betrifft auch uns.“ 

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