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Eine Frage der Verteilung. Auf der Suche nach U-Booten könnten Marineschiffe auch von neuesten Forschungsergebnissen aus der Physik profitieren.

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Warum ein Workshop der Potsdamer Universität mit Geldern vom US-Verteidigungsministerium gefördert wurde

Auch an der Universität Potsdam gibt es ein Forschunsgvorhaben, in das Gelder aus dem US-Verteidigungsministerium geflossen sind. Wie der Physiker Ralf Metzler den PNN bestätigte, handelt es sich dabei um einen Workshop, der im Juni 2013 auf der Mittelmeerinsel Korsika stattfand. Thema waren mathematische Modelle für die Verbreitungswege von Molekülen in Zellen. Laut Metzler handelt es sich um Grundlagenforschung ohne direkten Nutzen für die militärische Forschung. Die Forscher um Ralf Metzler hatten herausgefunden, dass die Ausbreitung von Molekülen mathematisch der Ausbreitungsbewegung von Menschen überraschenderweise ähnelt. Vor diesem Hintergrund würden sich aus der Bewegung von Menschen beispielsweise Rückschlüsse auf die Verbreitung von Infektionskrankheiten ziehen lassen. Denkbar wäre auch, die Erkenntnisse für Suchprozesse, etwa nach Unterseebooten, einzusetzen.

Am Montag hatte die „Süddeutschen Zeitung“ und der „NDR“ Recherchen veröffentlicht, wonach das US-Verteidigungsministerium deutsche Hochschulen mit Millionensummen für die Forschung unterstützt. Mehr als zehn Millionen Dollar haben demnach mindestens 22 Hochschulen und Forschungsinstitute seit dem Jahr 2000 erhalten. Manche Vorhaben laufen noch immer. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert öffentliche Hochschulen und Forschungseinrichtung nun auf, durch Zivilklauseln jegliche Militärforschung auszuschließen.

Der Workshop „Search and Exploration III“ der Potsdamer Universität wurde vom Office of Naval Research mit umgerechnet rund 7300 Euro gefördert. Die Ausbreitungsprozesse von Molekülen standen dabei im Vordergrund. „Dahinter stecken die gleichen mathematischen Beziehungen wie hinter Ausbreitungsprozessen von Menschenmengen“, erklärt Metzler. Im Prinzip basierten solche Prozesse auf der sogenannten Brownschen Bewegung. Wenn man Zucker in einem Kaffee auflöst, verteilen sich die Zuckermoleküle gleichmäßig. In der Natur würden sich viele Bewegungsmuster ähnlich verhalten. Studien in den USA hätten gezeigt, dass die Verbreitungswege beispielsweise von Dollarnoten – von Mensch zu Mensch – denen von Molekülen in einer Flüssigkeit ähneln. „Aus der Statistik über die Bewegung von Menschen lassen sich so beispielsweise Rückschlüsse über die Geschwindigkeit, mit der sich eine Krankheit ausbreitet, ziehen“, erklärt Metzler. Anhand von weltweiten Flugbewegungen habe sich die Ausbreitung der Sars-Infektion vor zehn Jahren sehr gut nachzeichnen lassen.

Die Ausbreitung von Infektionskrankheiten sei ein sehr wichtiger Punkt bei der genannten Forschung. Metzler selbst interessiert sich vor allem für die molekularen Prozesse in den Zellen, hier gehe es um Fragen der Genregulierung, wie Proteine in den Zellen Netzwerke nutzen, um an die DNA anzubinden. Ihm gehe es um grundlegende Funktionsmechanismen biologischer Prozesse, beispielsweise die Prozesse, welche eine Zelle nach einer äußeren Verbrennung startet, so der Physiker. Hintergrund der Forschung sei, dass die Physik heute die Möglichkeit eröffne, sogar einzelne Proteine in der Zelle zu verfolgen.

Einen direkten militärischen Nutzen dieser Forschungsarbeit sieht Metzler nicht. Natürlich könne man über die Kenntnis solcher Prozesse versuchen, U-Boote im Meer zu finden. Denn auch Unterseeboote würden sich nach den genannten Prinzipien im Meer verteilen. „Ich bin mir allerdings sicher, dass das Militär da eh viel bessere Methoden hat als die, die wir in unseren einfachen Modellen diskutieren“, so der Physikprofessor.

Ein anderes Beispiel ist die Verteilung von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser; auch dazu könne die Grundlagenforschung Erkenntnisse bringen. „Natürlich kann man solche Prozessen immer auch unter militärischen Aspekten betrachten“, so der Physiker. Aus jeder Grundlagenforschung lasse sich auch potenziell ein militärischer Nutzen ziehen, räumt Metzler ein. Aber in diesem Fall gehe es den Wissenschaftlern primär nicht um militärische Forschungsziele. „Wir befassen uns mit relativ fundamentalen mathematischen Theorien, dazu passen verschiedenste Fördermöglichkeiten“, erklärt der Forscher.

Die Konferenz war unter anderem auch vom Office of Naval Research (ONR) unterstützt worden. Das ONR führt wissenschaftliche Forschung im Namen der US-Navy durch. Es habe aber keine Verträge mit dem ONR gegeben, so Metzler. Zudem handele es sich um einen kleinen Förderbetrag. Neben dem US-Geld habe es für das Forschertreffen auf Korsika auch noch Fördergelder aus EU-Quellen gegeben. Von der US-Navy kam rund ein Drittel der Mittel, sie wurden genutzt, um die Anreise und den Aufenthalt von zwei bis drei Wissenschaftlern zu finanzieren. Zwar habe man unterschreiben müssen, dass ein Beobachter des ONR teilnehmen darf, doch es sei kein Abgesandter erschienen. Die einzige Auflage sei gewesen, jedem, der von der Förderung profitiert, die Quelle des Geldes zu nennen. Die ONR-Finanzierung sei von den Potsdamer Physikern beantragt worden, wie andere Fördergelder auch.

Ralf Metzler kann die öffentliche Kritik an der US-Finanzierung nicht nachvollziehen. Er wundere sich vielmehr über das große Interesse an dem Thema. Metzler verweist zudem auch auf die zunehmend schlecht gewordene Finanzierungssituation von Forschungstreffen. „Da geht man jeder Möglichkeit nach, woher man überhaupt ein wenig Geld bekommen kann.“ Eine für das kommende Jahr geplante Konferenz in Italien stehe unter schlechten Vorzeichen, da es in Italien gar keine Gelder mehr für Konferenzen gebe. „In Zukunft müssen wir das Geld von den Teilnehmern nehmen“, befürchtet der Wissenschaftler.

Der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller, hatte nach Bekanntwerden der Pentagon-Förderungen in Deutschland als ersten Schritt die Offenlegung aller militärischen Forschungsprojekte an Hochschulen und Instituten gefordert. Dies müsse bei Forschungsvorhaben für die Bundeswehr ebenso gelten wie für Projekte im Auftrag des Pentagon. Längerfristig sollte durch Zivilklauseln Militärforschung von den Hochschulen verbannt werden.

Der Studierendenausschuss Asta der Uni Potsdam und der wissenschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion der Linken, Peer Jürgens, hatten sich mehrfach für eine solche Zivilklausel in Brandenburgs Hochschulgesetz ausgesprochen. Jürgens votierte für eine Aufnahme einer entsprechenden Klausel im Rahmen der Novelle des Landeshochschulgesetzes. Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) lehnt eine Zivilklausel hingegen ab, sie favorisiert Ethikkommissionen an den Hochschulen (s. Kasten).

Der Potsdamer Uni-Asta betont indes, dass er Wissenschaftsförderung an der Uni Potsdam durch Sponsorengelder militärischer Einrichtungen auch dann verurteile, wenn thematisch kein direkter Zusammenhang zu militärischem Nutzen erkennbar ist. „Wir möchten die Unileitung noch einmal vehement auf unsere Forderung nach einer Zivilklausel und deren anschließender Einhaltung hinweisen“, so Asta-Sprecherin Marei Frener. Von der Universität war gestern dazu keine Stellungnahme zu erhalten.

„Militärische Verquickungen haben an der Uni Potsdam eine fragwürdige Tradition“, meint Asta-Sprecherin Marei Frener. Sie verwies darauf, dass die Bundeswehr bereits seit Jahren an der Finanzierung des Studiengang „Military Studies“ beteiligt ist. In die Kritik geraten war auch das Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit (Bigs), das mit der Uni Potsdam kooperiert und teilweise von Rüstungsfirmen getragen wird.

In Brandenburg gab es neben der Zuwendung der Forschungsabteilung der US-Navy für die Uni Potsdam auch Gelder vom Pentagon für einen Workshop an der Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) zu den Ursachen militärischer Konflikte im Jahre 2007 (3700 US-Dollar). Hinzu kommen 15 000 US-Dollar vom Office of Naval Research, die für eine Konferenz der Potsdamer Forschungsstelle des Alfred Wegener Instituts (AWI) in Genf zur Temperaturmessung in Permafrostgebieten flossen. Das AWI verweist in einer Stellungnahme darauf, dass die Daten im Rahmen der Klimaforschung erhoben wurden. „Insofern ist der Nutzen eines globalen Temperaturmonitorings von Dauerfrostböden gesamtgesellschaftlich relevant und für militärische Einrichtungen genauso groß wie für andere gesellschaftliche Gruppen.“

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