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Grüne Fabriken. Pflanzen wie Tabak sollen Inhaltsstoffe produzieren.

© Foto: A. Rüsche, picture-alliance /dpa/dpaweb

Grüne Gentechnik: Den Ertrag verdoppeln

25 Jahre Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm: Grüne Gentechniker erforschen Methoden zur Optimierung von Pflanzen.

Zum 25. Jubiläum gibt es eine Neuheit: Das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm (MPI-MP) eröffnet am heutigen Mittwoch einen Erweiterungsbau mit rund 5000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche. Es bietet Platz für neue Büroräume, Labore, Klimakammern, Pflanzenanzuchtkammern und IT-Flächen sowie Werkstatt- und Lagerflächen. Etwa 350 Mitarbeiter sollen hier in Zukunft forschen können. Aktuell hat das 1994 gegründete Institut rund 400 Beschäftigte aus über 30 Ländern. Heute wird das Jubiläum gefeiert.

„Die Entwicklung eines umfassenden und ganzheitlichen physiologischen Ansatzes für die Pflanzenforschung durch Kombination von molekulargenetischen Werkzeugen mit neuartigen biochemischen und physiologischen Methoden“ – so formuliert das Golmer Institut das Ziel seiner Arbeit. Dabei geht es zum einen um die Nutzung genetisch unterschiedlicher Pflanzen, die miteinander verglichen werden. Zum anderen sollen Methoden zur Untersuchung der Merkmalszusammensetzung und der Merkmalsausprägung der Pflanzen entwickelt werden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, die Funktion von Genen aufzudecken. Das erreichen die Forscher entweder dadurch, dass ein neues Gen eingeführt wird, um neue Eigenschaften von Pflanzen zu entdecken. Oder es werden Gene in der Pflanze stillgelegt, um zu ermitteln, in welchem Merkmal sich diese Pflanzen von den Ursprungspflanzen unterscheiden.

Ein anderer Forschungsweg besteht darin, die klassische Mutagenese zu nutzen, bei der das Erbgut von Pflanzen durch Strahlung oder Chemikalien in Teilen zufällig verändert wird. Die dadurch ausgelösten Merkmalsänderungen werden erfasst, um dann zu untersuchen, auf welcher Änderung im Erbgut sie beruhen: „So kann vom Merkmal auf das dazugehörige Gen geschlossen werden“, erklärt Instituts-Sprecherin Ursula Ross-Stitt.

Methoden und Erkenntnisse der grünen Gentechniker werden unter anderem zur Optimierung von Pflanzen genutzt. So wurde in einem Kooperationsprojekt des MPI-MP mit der Universität Hohenheim und dem Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben versucht, den Prozess der Pflanzenkreuzung zu beschleunigen. Dazu wurden genetische Fingerabdrücke von Maispflanzen erstellt. Blattproben wurden auf solche Inhaltsstoffe untersucht, die am Wachstum der Pflanzen beteiligt sind. Letztlich konnte ein auf den Erbgut- und Inhaltsanalysen der Elternpflanzen basierendes Computermodell zur Vorhersage der Leistungsfähigkeit der Nachkommen erstellt werden.

Ein anderes Beispiel aus der Anwendung zeigt, wie Maispflanzen dabei helfen könnten, den Reisertrag zu steigern. Reis, eine der wichtigsten Nutzpflanzen der Erde, nutzt den sogenannten C3-Weg der Photosynthese. Bei gemäßigten Temperatur- und Lichtverhältnissen ist dies die effektivste Art, das Kohlendioxid zu fixieren. In heißer und trockener Umgebung, wie sie aufgrund des Klimawandels in vielen Regionen prognostiziert wird, ist diese Photosynthese jedoch nicht effektiv genug. Andere Pflanzen wie etwa Mais und Hirse nutzen den sogenannten C4-Weg. Dieser arbeitet bei Hitze und Trockenheit deutlich besser. Ein internationales Forscher-Team unter Beteiligung Golmer Pflanzenphysiologen untersucht nun den Wechsel im Reis von C3 zu C4. Die Wissenschaftler gehen dabei davon aus, dass sich dadurch eine Ertragssteigerung um bis zu 50 Prozent bewirken lässt. Das C4-Reisprojekt wurde auf der Grundlage von Diskussionen am Internationalen Reisforschungsinstitut (IRRI) im Jahre 2008 initiiert und wird durch die Bill & Melinda Gates Stiftung finanziert.

Ein anderes Vorhaben befasst sich mit der Frage, inwiefern sich Pflanzen als Grüne Fabriken der Zukunft nutzen lassen. So ist es Wissenschaftlern des Golmer Instituts bereits gelungen, die für die Bildung des Farbstoffs Astaxanthin benötigten Gene in Tabakpflanzen einzubringen. Astaxanthin gehört zur Gruppe der Carotinoide. Der Farbstoff wird auf Lachs- oder Forellenfarmen dem Futter zugesetzt, damit die dort gezüchteten Fische ihre rötliche Farbe erhalten. In der Natur erhalten sie ihre Lachsfarbe durch die Aufnahme von Astaxanthin aus Plankton und Mikroalgen. Gegenwärtig wird der Farbstoff durch eine industrielle chemische Synthese hergestellt. Dies sei im Vergleich zu ihrem Verfahren teuer und umweltbelastend, so die Forscher.

Mittlerweile haben die Forschungsarbeiten der grünen Gentechniker aus Golm auch zu reichlich Anerkennung geführt. So wurde Lothar Willmitzer, neben Mark Stitt und Ralph Bock einer der Direktoren des Instituts, für seine Pionierleistungen im Bereich der pflanzlichen Stoffwechselforschung (Metabolomik) und seine Ausgründungsaktivitäten im Jahre 2015 vom Stifterverband und der Max-Planck-Gesellschaft mit dem Stifterverbandspreis ausgezeichnet.

Ralph Bock und sein  Team wiederum wollen Chloroplasten als Produktionsstätte für Pharmazeutika und andere neue Inhaltsstoffe nutzen. Für diesen Bereich hat der Wissenschaftler vom Europäischen Forschungsrat (ERC) 2,5 Millionen Euro erhalten. Zusammen mit Mitteln aus anderen europäischen Forschungsprogrammen gehen für diese Arbeit insgesamt knapp 14 Millionen Euro an das MPI-MP und seine europäischen Kooperationspartner. 

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