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Jennifer Schulz vom Uni-Projekt „Urbane Waldgärten“ auf dem Gelände in Britz. 

© C. Koall, dpa

Forschung an der Uni Potsdam: Waldgärten als neues Urban Gardening

Wissenschaftler der Uni Potsdam erforschen das Konzept der Waldgärten. Das könnte ein neuer Trend für grüne Städte werden.

Gemeinschaftliches Gärtnern in der Großstadt liegt im Trend. Potsdamer Forscher wollen jetzt eine weitere Form etablieren: Urbane Waldgärten. „Sie sind die Zukunft des Urban Gardening“, ist die Umweltwissenschaftlerin Jennifer Schulz von der Universität Potsdam überzeugt. Auf einem Gelände im Süden Berlins, das derzeit vom Park „Britzer Garten“ genutzt wird, will sie mit Freiwilligen einen rund 5000 Quadratmeter großen Waldgarten anlegen, bewirtschaften und das Projekt wissenschaftlich begleiten. Weitere Städte sollen folgen.

„Ein Waldgarten besteht vorwiegend aus essbaren Pflanzen, die sich in mehreren Vegetationsschichten teilweise überlappen, ganz ähnlich der Struktur von Wäldern“, erklärt Schulz. Obst- und Nussbäume, Beerensträucher, Gemüse und Kräuter sollen langfristig miteinander angebaut und geerntet werden können. Was das Konzept unter anderem ausmache, sei die Langfristigkeit, sagt Schulz. Sie plane für mindestens 30 Jahre. Außerdem vereine ein Waldgarten auf relativ kleiner Fläche viele Nutzpflanzen, die sich bei geschickter Planung gegenseitig bereichern und schützen. Im heißen Sommer sorge das Blätterdach zudem für Schatten und Kühle - ein Plus in Zeiten des Klimawandels. Ein weiterer Vorteil: Durch abgestorbene Pflanzenteile entstehe eine dichte Humusschicht, die Bodenfeuchte halte.

Außerdem seien Waldgärten Nahrungsquelle und Lebensraum für Insekten, Vögel und kleine Säugetiere. „Das Konzept kommt aus den Tropen, aber auch in Europa gibt es bereits Waldgärten“, so Schulz, die auch für die Internationale Gartenausstellung in Berlin-Marzahn 2017 einen solchen Garten angelegt hat.

Eine Münchner Stiftung fördert urbane Gärten bundesweit

„Vielen Projekten, bei denen in Kisten und Hochbeeten gegärtnert wird, sind ökologische Grenzen gesetzt. Das Konzept der Waldgärten geht darüber hinaus und bietet die Möglichkeit, in den Boden zu gehen“, sagt Christa Müller, Vorstandsvorsitzende der Münchner Stiftung „Anstiftung“, die bundesweit urbane Gärten und ein Netzwerk dazu fördert. Waldgärten könnten helfen, eine gewisse Dauerhaftigkeit zu garantieren und die Flächen vor einer Bebauung zu schützen. Noch befindet sich das vom Bundesamt für Naturschutz geförderte Projekt in Berlin in der Entwicklungsphase. Schulz und Kollegen organisieren derzeit Workshops mit Interessierten. Läuft alles nach Plan, kann 2021 begonnen werden. Geeignete Flächen zu finden sei eine der größten Schwierigkeiten, so Schulz.

Berlin sei ein Glücksfall gewesen. Dort sollen auf rund 2,8 Hektar ohnehin neue Gartenflächen entstehen – als Ausgleich für Kolonien, die dem Ausbau der Autobahn 100 weichen mussten. Der zuständige Kleingartenverband Neukölln sieht die Waldgarten-Idee positiv. „Kleingärten müssen sich neu erfinden“, sagt Geschäftsführer Manfred Hopp. 

Vor allem an junge Menschen richtet sich die Idee

Der Waldgarten sei besonders für Berliner geeignet, die sich nicht gleich langfristig an einen Garten mit Laube binden und flexibel bleiben wollen. Wir überlegen ohnehin schon länger, wie wir mehr junge Menschen für das Gärtnern begeistern können“, so Hopp. Um Raum für den Waldgarten zu schaffen, würde sein Verband nur 60 statt der 80 geplanten Parzellen einrichten. „Im Waldgarten könnten dann etwa 20 Familien gärtnern“, sagt er. Besonders beliebt seien Waldgärten momentan in den Niederlanden, sagt Harald Wedig, der als Waldgarten-Pionier in Deutschland gilt. „Den Niederländern fehlt es an Wald, gleichzeitig sind sie gute Gärtner. Es gibt dort deshalb ein großes Bedürfnis, Gärten in waldähnlichen Strukturen anzulegen.“ Der Gärtner war bislang an etwa 15 Waldgartenprojekten beteiligt, unter anderem in der Oberlausitz. Dass diese Form nun die Städte erobern soll, sei wunderbar. 

Aus Sicht der Soziologin Müller liegt für Gemeinschaftsgärten die größte Herausforderung darin, alle Interessen unter einen Hut zu bringen. „Das Soziale ist ja häufig das, was schwierig zu bewältigen ist. Soziale Probleme führen bisweilen dazu, dass Projekte nicht so funktionieren, wie sie könnten“. Für den Waldgarten in Berlin sieht sie das Problem derzeit allerdings nicht. Dort werde von Anfang an Wert auf eine rege Beteiligung der künftigen Gärtner gelegt. Das urbane Gärtnern verzeichne in Deutschland seit zehn Jahren ein kontinuierliches Wachstum. „Man kann davon ausgehen, dass die Zahl der urbanen Gartenprojekte schon bei über 1000 liegt“, sagt Müller.

Der Trend gehe derzeit in verschiedene Richtungen. „Die Nachnutzung von nicht mehr genutzten Friedhöfen ist ein neues Thema“, so Müller. Zum Beispiel sei der bekannte Prinzessinnengarten aus Berlin-Kreuzberg jetzt auch auf einem ehemaligen Friedhof in Neukölln aktiv. In der Bremer Neustadt sei ein weiteres Projekt richtungsweisend: Dort haben Anwohner einen versiegelten, ungenutzten Platz in eine blühende Grünfläche verwandelt. Zunächst wurde in Kisten gegärtnert, später konnte der Platz entsiegelt und neu gestaltet werden. (dpa)

Anja Sokolow

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