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Antike Ansichten. Mit Hilfe einer VR-Brille kann man durch das Forum Romanum gelangen.

© Ottmar Winter

Filmuni Potsdam macht es möglich: Ein virtueller Spaziergang durch das Forum Romanum

Ein Projekt der Filmuniversität Potsdam macht einen virtuellen Spaziergang durch das Forum Romanum möglich. Am Samstag können dies alle ausprobieren. Mit einem Trick wird dabei Übelkeit vermieden.

Potsdam - Cicero steht vor einem gewaltigen Portikus. Acht korinthische Säulen eines Tempels erheben sich hier hinter dem römischen Politiker. Er selbst ist in eine braun-orangefarbene Toga gehüllt. Von seinem exponierten Standort aus spricht Cicero zu den Menschen, die vor ihm auf dem Platz stehen, der einige Meter tiefer liegt. Während er redet, gestikuliert der Politiker – so wie es zu einer überzeugenden Rede häufig dazugehört.

Diese Szene, die in Rom auf dem Forum Romanum spielt, ist freilich nur nachgebildet. Erdacht und virtuell erschaffen an der Potsdamer Filmuniversität „Konrad Wolf“. Beim Tag der offenen Tür am kommenden Samstag können die Besucher im Foyer der Bildungseinrichtung mit einer Virtual Reality (VR) Brille in die Welt des alten Roms eintauchen. Dann soll Cicero wieder lebendig werden, vor den Augen des Betrachters wird er sich bewegen und sogar sprechen – allerdings auf Deutsch, wie Sylvius Lack von der Filmuniversität verrät. Der akademische Mitarbeiter arbeitet derzeit an dem auf zwei Jahre angelegten Projekt „Virtual History“, in dem das Forum Romanum in seiner antiken Schönheit digital wieder auferstehen soll. Im realen Rom der heutigen Zeit sind nur noch bauliche Reste dieses einstigen Zentrums politischen, wirtschaftlichen und religiösen Lebens erhalten.

Ein Trick gegen Übelkeit

Mithilfe einer VR-Brille und eines VR-Controllers in der Hand können sich die Nutzer der an der Babelsberger Filmuni entwickelten Software künftig über das digital rekonstruierte Forum Romanum bewegen und dabei Blicke in verwinkelte Ecken werfen. Das ist jedenfalls das Ziel der etwa zwölfköpfigen Projektgruppe, die von Beate Hetényi geleitet wird. Am Samstag zum Tag der offenen Tür können die Besucher das teilweise rekonstruierte Forum Romanum erleben und dabei einen virtuellen Spaziergang durch das antike Gelände machen. Bei dieser Erkundung mit der VR-Brille bewegt man sich jedoch weniger im Laufen als vielmehr im Hüpfen – eine bewusste Entscheidung der Entwickler, sagt Sylvius Lack. Denn bilde man den realen Blick eines Spaziergängers virtuell nach, werde vielen Menschen unter der VR-Brille übel. Daher also lieber Hüpfer.

Echten Fotorealismus wird es ohnehin auch nach Fertigstellung des Projekts nicht geben. „Das halte ich persönlich für nicht erreichbar“, sagt Lack über den ganz realen Schein. Schließlich seien die finanziellen Ressourcen und somit auch die Rechenleistung der Hardware begrenzt.

Um den römischen Politiker, Anwalt und Philosophen Cicero möglichst lebensecht in der digitalen Umgebung zu platzieren, konnten die Entwickler der Filmuniversität den Schauspieler Joachim Berger vom Potsdamer Hans Otto Theater dafür gewinnen, sich in dem volumetrischen Studio auf dem Gelände von Studio Babelsberg dreidimensional einscannen zu lassen. Berger war dabei in eine Toga und nachgefertigte römische Sandalen gekleidet. Das volumetrische Studio in Babelsberg – es gibt weltweit nur wenige solcher Einrichtungen – ist mit 32 Kameras ausgestattet. Es ermöglicht hologrammartige Darstellungen realer Menschen.

Drei Monate über Torbogen debattiert

Wie „real“ die Gebäude auf dem Forum Romanum am Ende des Projekts „Virtual History“ zu erleben sein werden, sei momentan noch offen, sagt Lack. Da von den antiken Bauten auf dem Forum Romanum vielfach nur noch Ruinen oder Fundamente erhalten geblieben sind, stellen sich die Babelsberger Entwickler immer wieder aufs Neue die Frage, wie einzelne Details im alten Rom tatsächlich ausgesehen haben. Sylvius Lack zeigt am Bildschirm auf einen Torbogen neben dem Vestatempel. Über drei Monate hinweg habe man während der Arbeit an dem Projekt über die exakte Höhe allein dieses Torbogens debattiert.

Für ihre Arbeit konnten die Entwickler auf die archäologischen Forschungen der Berliner Humboldt-Universität zurückgreifen. Doch auf dem Weg zur Rekonstruktion kann die Archäologie nicht alles leisten. Lack präsentiert eine Skizze, die während der Arbeiten an dem Projekt entstanden ist. Darauf sind unter anderem eine berankte Hauswand und Markisen zu sehen. Wenn es diese Pflanzen und Textilien am Forum Romanum je gegeben haben sollte, so dürfte es dennoch überaus schwierig sein, sie dort nachzuweisen. Das Vergängliche ist eben auch für den Archäologen sehr flüchtig.

Geräusche aus den Häusern

Will man jedoch die Stimmung, ja das wahre Feeling des alten Roms zurückholen, so sind auch diese Details sehr wichtig. In dem bis Mai nächsten Jahres laufenden „Virtual-History“-Projekt, das nach Angaben der Filmuniversität ein Budget von knapp 600.000 Euro hat, kommen daher zwei gegenläufige Ansätze zum Tragen. Zum einen ist da die Wissenschaft, die allein auf nachweisbare Fakten setzt. Die subjektive Ebene sollte dabei ohne Belang sein. Zum anderen spielt aber auch die Kunst eine Rolle – um das antike Flair „wirklich“ zurückholen zu können. „Die künstlerische Ebene arbeitet ja gerade mit subjektivem Empfinden“, erläutert Lack das Spannungsverhältnis zwischen der wissenschaftlichen und der künstlerischen Herangehensweise.

Auch akustisch sollen die Nutzer einen möglichst realen Eindruck vom antiken Treiben auf dem Forum Romanum erhalten. So versuchen die Entwickler, sogar die Klänge, die einst aus den Gebäuden auf den Platz nach draußen drangen, detailgetreu nachzubilden. In einem Vorlaufprojekt, so Lack, sei man etwa für die Rede von Cicero und ihrer Wirkung auf dem Platz der Frage nachgegangen: „Wie viele Menschen können ihn wirklich hören?“ Wo das digital wiederauferstandene Forum Romanum später einmal eingesetzt wird, sei indes noch nicht entschieden. Ein musealer Kontext sei jedenfalls denkbar, sagt Lack. In der Versenkung verschwinden wird das Projekt demnach nicht. „Es soll natürlich eine Öffentlichkeit erfahren“, so Lack.




Von der Kunsthochschule zur Universität
Der Vorläufer der Filmuniversität, die Hochschule für Film und Fernsehen (HFF), wurde im Oktober 1954 im Schloss Babelsberg gegründet. Sie war die erste und bis 1966 auch die einzige Hochschule für künstlerische, administrative und wissenschaftliche Filmberufe in ganz Deutschland. Ab 1985 erhielt sie den Namenszusatz „Konrad Wolf“, im Gedenken an den Regisseur und ehemaligen Präsidenten der Akademie der Künste der DDR. „Im grenznahen Babelsberger Villenviertel gelegen und das politische Geschehen stets vor Augen, gelang es der Ausbildungsstätte in diesen Jahren doch erstaunlich gut, das schwierige individuelle Verhältnis zwischen (erlaubter) künstlerischer Freiheit und staatlich verlangter politischer Anpassung zu Gunsten der persönlichen Kreativität zu regeln“, so die Filmuni heute. Auch wenn Exmatrikulationen künstlerischer und politischer Vordenker leider nicht ausblieb, wie die Beispiele von Thomas Brasch und Thomas Heise zeigen. In Babelsberg sind bis zur deutschen Wiedervereinigung etwas mehr als 2000 Filmschaffende – Regisseure, Produzenten, Dramaturgen, Schauspieler, Filmwissenschaftler, Kameraleute, Autoren, Ton- und Schnittbearbeiter – ausgebildet worden. 1990 dann wurde die HFF vom neuen Land Brandenburg als einzige Hochschule übernommen. Durch die Veränderungen nach der Wiedervereinigung wurde schnell deutlich, dass die Hochschule einen Großteil der von ihr genutzten Villen in Babelsberg würde aufgeben müssen. Im Jahr 1994 beschloss der Landtag dann den notwendigen Neubau eines Lehr- und Studiogebäudes für die Hochschule. Das neue moderne Gebäude wurde im Oktober 2000 eingeweiht. Und schließlich wurde die HFF dann am 8. Juli 2014 im 60-sten Jahr ihres Bestehens von der Filmhochschule zur Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“. „Als Ergebnis der eingeschlagenen Profilentwicklung“ hatte das brandenburgische Wissenschaftsministerium und die Hochschule „die Umwandlung und den Ausbau zur ersten Filmuniversität in Deutschland beschlossen. Ziel ist eine interdisziplinär orientierte künstlerische, technologische wie wissenschaftliche Ausbildung und Forschung zum Thema Film in der Historie, Gegenwart und Zukunft. (Kix)

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