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Die Welt in Bewegung setzen. Die kommenden drei Jahre sind in den Augen der Klimaforscher entscheidend für die wirksame Begrenzung katastrophaler Folgen des Klimawandels. Daher haben sie nun an die Teilnehmer des G-20-Gipfels appelliert.

© epd/Stephan Wallocha

Aufruf zum Klimaschutz: Nur noch drei Jahre

Potsdamer Klimaforscher beteiligen sich an einem Appell zum G-20-Gipfel in Hamburg: Bis 2020 müssten demnach sechs Ziele erreicht sein, um das Schlimmste zu vermeiden.

Potsdam/Hamburg/Washington - Vor dem am Donnerstag in Hamburg beginnenden G-20-Treffen hat sich die Wissenschaft zusammen mit Politikern und Wirtschaftsführern mit einem eindringlichen Appell zu Wort gemeldet: Um den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken und das Klima zu stabilisieren, müsse die Weltgemeinschaft nun mit Hochdruck handeln, heißt es in dem Aufruf. Mehr als 60 bekannte Forscher, Wirtschaftsführer und Politiker riefen in der vergangenen Woche in Washington die führenden Industrieländer und aufstrebenden Wirtschaftsnationen (G20) zu größeren Anstrengungen auf. Unter anderem zählt auch der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, zu den Autoren des Appells.

Schellnhuber: Die Klima-Mathematik ist brutal klar

Schellnhuber erklärte die Dringlichkeit der Lage wie folgt: „Die Klima-Mathematik ist brutal klar: Die Welt kann zwar nicht innerhalb von wenigen Jahren geheilt werden, aber wenn wir nichts tun, dann können wir sie durch Fahrlässigkeit bereits bis 2020 tödlich verwunden.“ Entschlossenes Handeln bis 2020 und darüber hinaus sei notwendig: Es müsse die Richtung vorgeben, um dann jedes Jahrzehnt die Emissionen von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) zu halbieren.

Der aktuelle Aufruf zu sechs kurzfristigen Maßnahmen ist das Gegenstück zum langfristigen Ansatz des ‚Carbon Law‘, den einige der Autoren – darunter wiederum auch PIK-Direktor Schellnhuber – kürzlich in „Science“ veröffentlicht haben. Beide Strategien könnten sich ergänzen: „Zusammen zeigen sie den Weg in die Dekarbonisierung auf“, so Schellnhuber. Er hofft, dass sich das ‚carbon law‘ – eine Art Fahrplan ohne Kohle und Öl – zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung entwickelt, die Innovation und Marktkräfte mobilisiert. „Das wird dann nicht mehr zu stoppen sein – aber nur, wenn wir jetzt die Welt in Bewegung setzen“, erklärte der Potsdamer Forscher.

Die kommenden drei Jahre sind entscheidend

Der G-20-Appell fußt auf der Annahme, dass verheerende Hitze-Extreme und der Anstieg des Meeresspiegels noch wirksam begrenzt werden könnten, wenn das Verfeuern fossiler Brennstoffe rasch reduziert wird. Dabei sind nach Auffassung der Autoren die nächsten drei Jahre entscheidend: Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen zu können, ist laut Experten bis 2020 eine Wende im Ausstoß von Treibhausgasen nötig.

Das Pariser Abkommen sieht vor, den Anstieg der Temperaturen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit unter zwei Grad zu begrenzen, aber möglichst bei eineinhalb Grad zu stoppen, um katastrophale Auswirkungen zu verhindern. „Es ist weiterhin ein langer Weg, um die Weltwirtschaft kohlenstofffrei zu machen“, stellen die Unterzeichner fest. Sorge besteht auch wegen des Ausstiegs der USA unter Präsident Donald Trump aus dem Pariser Abkommen, der vertragsgemäß im November 2020 wirksam wird.

Große Transformation zur Nachhaltigkeit

Dennoch wähnen sich die Unterzeichner einer großen Transformation zur Nachhaltigkeit näher als je zuvor. „Wir stehen kurz davor, die Wende in der Kurve der Treibhausgas-Emissionen bis 2020 hinbekommen zu können“, sagt Christiana Figueres, Leitautorin des Nature-Kommentars und frühere Chefin der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Diese monumentale Herausforderung falle zusammen mit einer noch nie dagewesenen Bereitschaft, sich selbst Ziele zu setzen: auf der Ebene der sub-nationalen Regierungen in den USA, der Regierungen auf allen Ebenen außerhalb der USA und dem privaten Sektor. „Diese Chance für die nächsten drei Jahre ist historisch einmalig“, erklärte Figueres, die die „Mission 2020“ anführt.

Formuliert wurden sechs „Meilensteine für eine saubere industrielle Revolution“, die alle Vertragsparteien in drei Jahren erreichen müssten. Sollten die Emissionen nach 2020 weiter ansteigen oder auch nur so hoch bleiben wie bisher, sind die Temperaturziele von Paris „fast nicht mehr erreichbar“, warnten die Autoren des Aufrufs. Die sechs Ziele der Experten für 2020 reichen vom Energie- über den Transport- bis zum Finanzsektor. Die Autoren sind zuversichtlich, dass sowohl der technologische Fortschritt als auch die politische Debatte einen Punkt erreicht haben, der den Beginn einer „großen Transformation zur Nachhaltigkeit“ ermöglicht.

Das Jahr 2020 ist für die Unterzeichner aber nicht nur politisch bedeutend. Nach jüngsten Untersuchungen sei diese Wegmarke auch physikalisch von großer Bedeutung, um die Erderwärmung zu bremsen. Die jüngste Forschung habe gezeigt, dass es schwer wird, den weltweiten Anstieg der Temperaturen auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, wenn das Verringern der CO2-Emissionen bis in die Zeit deutlich nach 2020 verzögert wird. Ein Überschreiten dieser Grenze sei riskant, weil eine Reihe von Kippelementen im Erdsystem – etwa die großen Eisschilde – dann destabilisiert werden könnten.

Investitionen in fossile Energieträger seit dem Pariser Abkommen riskanter

Auch der Chef-Ökonom des Potsdamer PIK und Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin, Ottmar Edenhofer, hat sich vor dem G-20-Gipfel zu Wort gemeldet. „Es wäre vernünftig für die G-20-Finanzminister, in der Klimapolitik einen Verbündeten zu sehen, selbst wenn der Klimawandel nicht ihr Hauptanliegen ist“, erklärte ein Autorenteam unter Leitung von Edenhofer in „Nature“. Auch hier sieht man erste Fortschritte im Klimaschutz: Investitionen in fossile Energieträger seien seit dem Pariser Klimaabkommen riskanter geworden, so die Autoren. Eine CO2-Bepreisung könnte zudem Einnahmen schaffen, die dringend benötigte Investitionen in Infrastruktur ermöglichen. Allerdings müssten sich die Finanzmärkte mit dem Risiko auseinandersetzen, da die Klimaregulierung Vermögenswerte abwerten könne. „Sie müssen reagieren, ohne dabei die internationalen Kapitalmärkte zu destabilisieren“, so Edenhofer.

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