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Agrarforscher finden neue Bakterien-Art in Potsdam: Clostridium bornimense

Wissenschaftler in Potsdam haben eine neue Bakterienart entdeckt und sie nach dem Ortsteil Bornim benannt.

Potsdam - Potsdam hat eine eigene Bakterienart. Forscher des Potsdamer Leibniz-Instituts für Agrartechnik Bornim (ATB) haben in einem Biogasreaktor eine neue Bakterienart der Gattung Clostridien entdeckt – und sie nach einem Potsdamer Ortsteil benannt. Clostridium bornimense lautet nun der Name des Bakteriums, das die Forscher des Instituts nach dem Ort benannt haben, in dem sich ihr Institut befindet. Clostridium bornimense sei zwar ein eher unspektakulärer Vertreter seiner Gattung, immerhin aber eine echte Neuentdeckung. Die Agrarforscher haben ihren Fund unlängst in der renommierten Fachzeitschrift „International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology“ veröffentlicht.

„Wir haben diese neue Spezies nach ihrem ,Heimatort’ benannt“, sagt Michael Klocke Leiter der Arbeitsgruppe Mikrobielle Systemökologie am ATB. Die Art sei aus dem Modell-Biogasreaktor des Instituts isoliert worden. „Es handelt sich dabei um die erste Artbeschreibung, die jemals am ATB durchgeführt wurde“, so Klocke. Das Bakterium wurde bislang nur dort gefunden. Die Forscher gehen aber davon aus, dass es Teil der „normalen“ Mikroflora in Biogasanlagen ist.

Clostridien sind harmlos - meistens

Von den Clostridien sind mittlerweile über hundert Arten bekannt. Sie kommen nahezu überall vor, vor allem aber in Böden und im Verdauungstrakt von Säugetieren. Darunter sind nicht nur harmlose Vertreter ihrer Art. So ist beispielsweise das Clostridium botulinum dafür verantwortlich, dass verdorbenes Fleisch den lebensbedrohlichen Botulismus auslösen kann. Auch der Tetanuserreger Clostridium tetani stammt aus der Familie.

Die meisten Clostridien sind aber für den Menschen harmlos, einige sind sogar nützlich. „Clostridien können eine Reihe industriell interessanter Gärungsreaktionen durchführen und werden für verschiedene biotechnologische Anwendungen gezielt eingesetzt“, erklärt Agrarforscher Kocke. Auch das Bornimer Bakterium scheint harmlos zu sein. Die Analyse des Erbguts dieser Art hat keine Hinweise auf eine Toxinproduktion oder sonstige krankheitsauslösende Eigenschaften ergeben“, so Klocke. „Eine Gefährlichkeit können wir daher ausschließen.“ Nützlich sei das Bakterium alleine schon deswegen, weil es das Wissen der Forscher und ihr Verständnis der in Biogas stattfindenden mikrobiologischen Abbauprozesse grundlegend erweitert habe. „Das Bakterium verfügt zudem über einige sehr interessante und unerwartete Eigenschaften, wie etwa zusätzliche Mini-Chromosomen, welche sich potenziell als Werkzeuge für gentechnische Modifikationen einsetzen lassen könnten.“ Wie weit verbreitet C. bornimense ist und welche Lebensräume es bevorzugt, lasse sich allerdings noch nicht sagen.

Clostridien spielen wichtige Rolle beim Abbau von Biomasse

Unter dem Mikroskop lässt sich das Potsdamer Bakterium nicht von anderen stäbchenförmigen Clostridien unterscheiden. Dazu mussten die Forscher schon eine molekulare Analyse eines speziellen Abschnitts der Erbsubstanz vornehmen. Nur so ist eine stammesgeschichtliche Einordnung auch von unbekannten Mikroorganismen möglich. Und siehe da: Das unbekannte Bakterium zeigt deutliche Unterschiede zu allen bisher bekannten Clostridien-Arten: Lediglich 93 Prozent des Markergens stimmten mit der am nächsten verwandten Art überein. „Die hohe genetische Distanz zu allen bekannten Arten führte zur Einordnung des Mikroorganismus als neue Spezies und zu dessen taxonomischer Erstbeschreibung“, so Sarah Hahnke, die federführende Autorin der Erstbeschreibung.

Clostridien spielen in Biogasanlagen eine zentrale Rolle beim Aufschluss und Abbau der organischen Biomasse unter Luftabschluss. Dabei sind sie unter anderem für die Produktion von Gärsäuren verantwortlich. Diese Gärsäuren sind wiederum die Lebensgrundlage für andere mikrobielle Keime. Die wiederum wandeln die Gärgase dann in die Biogase Methan, Kohlendioxid und Wasserstoff um. „Clostridium bornimense übernimmt in diesem Gefüge wahrscheinlich die Rolle eines Mittlers zwischen den Mikroorganismen, die den primären Aufschluss der Biomasse vollziehen, und den gasbildenden Mikroorganismen“, so die Agrarforscher.

Das "Who is who" unter den Bakterien

Hunderte unterschiedlichster Arten von Mikroorganismen bilden in den Biogasanlagen eine komplexe und dynamische mikrobielle Gemeinschaft, erklärt die Wissenschaftlerin Sarah Hahnke Clostridien. Die beteiligten Arten sind häufig nicht oder nur sehr schwer kultivierbar. „Die Isolierung neuer Arten stellt daher oft eine sehr zeitaufwendige Herausforderung dar“, so Hanke. Das Verfahren des genetischen Fingerabdrucks der gesamten mikrobiellen Gemeinschaft steht den Forschern erst seit wenigen Jahren zur Verfügung. Damit können sie die Zusammensetzung wie auch Veränderungen in den Mikroben zeitnah verfolgen.

„Eine Biogasanlage war für uns lange Zeit eine Blackbox“, sagt Michael Klocke. Mit der Aufklärung der Biogas-Mikrobiologie hatten die Forscher vor zehn Jahren begonnen. „Wir wollten Licht ins Dunkel des Reaktors bringen“, erinnert er sich. Damit sei man seitdem ein großes Stück weiter gekommen. Dass unter den weltweit rund eine Milliarde Bakterienarten nicht nur alte Bekannte sein würden, hatten die Forscher bereits vermutet. Neue Bakterienarten sind für sie nicht nur interessant, um ein „Who is who“ der Biogasmikroben zu erstellen. Insbesondere der Frage, wie die mikrobielle Gemeinschaft gesteuert werden kann, um Bioenergie in der Zukunft noch effizienter zu erzeugen, wollen sie nun nachgehen.

Und wo viel Licht ist, gibt es auch Schatten: „Wir haben Arten gefunden, die verstärkt im Vorfeld kritischer Prozesszustände auftreten.“ Mit diesem Wissen wollen sie nun Biomarker als Anzeiger entwickeln, die eventuell sogar als Frühwarn-Indikatoren für ungünstige Prozessentwicklungen wie Fehlvergärungen und Schwimmdeckenbildung in der Biogasanlage dienen könnten.

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