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Gutes Konzept. Julia Krebs bringt Schülern die Natur näher.

© C. Micha

Absolventen der Universität Potsdam: Wenn Kinder mit der Ernte nach Hause kommen

Mehr als 20 000 junge Menschen studieren an der Universität Potsdam. Was einige von ihnen nach dem Abschluss machen, stellen die PNN in einer Serie in Kooperation mit der Universität vor: Die Uni-Absolventin Julia Krebs gehört zum Gründungsteam des Babelsberger Bildungsvereins GemüseAckerdemie.

Potsdam - Für Julia Krebs ist das Arbeitsjahr in drei Phasen unterteilt: Vor-Ackerzeit, Acker-Zeit und Nach-Ackerzeit. Doch bereits in der regnerischen Vor-Ackerzeit herrschte diesmal Hochbetrieb bei der GemüseAckerdemie. Bevor der Frühsommer losbrach, musste alles umgeräumt werden. Auf den Tischen des Babelsberger Vereinssitzes Ackerdemia e.V., der die GemüseAckerdemie verantwortet, stapelten sich Geschirr und Infomaterialien, Schränke wurden geleert und in Umzugskartons verpackt. Der Grund dafür war der Erfolg: „Wir wachsen weiter und brauchen deshalb mehr Platz“, sagt die 40-jährige Julia Krebs.

2014 wurde der Verein gegründet, mehr als 30 fest angestellte Mitarbeiter hat er inzwischen. Dazu gehören neun Regionalmanager, die die GemüseAckerdemie in ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich vertreten. Sie alle verfolgen das Ziel „die Wertschätzung für Lebensmittel in der Gesellschaft zu steigern“ und der „Entfremdung von der Natur entgegenzuwirken“, wie es Ackerdemia formuliert. Praktisch gesehen tut der Verein vor allem eins: Er bringt Schul- und Kitakinder wieder in „Bodenkontakt“.

Das ganzjährige Bildungsprogramm soll belebte Gärten an Bildungseinrichtungen bringen, um aus dem Nachwuchs kleine Ackerbauern zu machen. Die Kinder sollen lernen, wie Gemüse angepflanzt wird und wie viel Mühe die Lebensmittelproduktion erfordert. Im Jahr 2018 nehmen mehr als 220 Schulen und Kitas in ganz Deutschland sowie in Österreich und der Schweiz an dem Programm teil. Bis zum Jahr 2020 sollen es 650 Schulen werden, so das Ziel des Vereins.

 „Ich fand die Idee witzig."

Julia Krebs gehört zum Gründungsteam von Ackerdemia und ist für Kommunikation und Marketing zuständig. Dass aus der GemüseAckerdemie mal ein Vollzeitjob wird, hätte sie nie gedacht. Nach ihrem Studium der Sportökonomie an der Universität Potsdam hatte sie im Marketing bei Air Berlin gearbeitet und war gerade in Elternzeit, als der Gründer und Initiator Christoph Schmitz sie anheuerte. „Ich fand die Idee witzig und dachte, da habe ich mal ein bisschen Beschäftigung, während das Baby schläft“, erzählt sei heute.

Gutes Marketing für eine gute Idee, das trieb die 40-Jährige an. „Gerade im Non-Profit-Bereich gibt es so tolle Konzepte, die schlecht aufgearbeitet sind, sodass sie niemanden erreichen“, sagt sie. Damit das der GemüseAckerdemie nicht passiert, ziert eine bebrillte Karotte mit hohem Wiedererkennungswert alle professionell erstellten Publikationen aus Potsdam.

Ein Türöffner soll die schlaue Karotte sein, denn der Verein braucht engagierte Pädagogen für sein Konzept. Man erreiche die Kinder nicht ohne Lehrer und Erzieher, so die Erfahrung der Gründerin. „Und damit die sich auf das Projekt einlassen, wollen wir die perfekte Unterstützung anbieten“, sagt die Uni-Absolventin. Das Angebot von Ackerdemia umfasst Infomaterial und Fortbildungen für Lehrer, Erzieher und Schüler, die Bestellung von Saat- und Pflanzgut, wöchentliche Newsletter und Info-Videos, Exkursionen und Unterrichtsmaterial. Auch auf dem Acker gibt es Beistand: Zu den wichtigen Anpflanzterminen kommen Ackerdemia-Mitarbeiter vorbei, um eine korrekte Einsaat zu garantieren. Das ganze Jahr über werden die Schulen und Kitas von freiwilligen Mentoren und Ackerhelfern unterstützt.

Die Kinder bringen ihre Ernte stolz nach Hause

Trotz all der Förderung durch den Verein erfordere ein eigener Garten aber Engagement von Schulen und Kitas, so die Sportwissenschaftlerin. Dennoch lohnt es sich für die Einrichtungen, wie der Verein in seinem jährlichen Wirkungsbericht nachweisen kann. Der Bericht listet viele Vorteile auf: Die Kinder lernen demnach durch die Ackerarbeit neue Gemüse-Sorten und -Arten kennen und wollen diese auch ausprobieren, sie trügen Verantwortung, entwickelten mehr Wertschätzung gegenüber den Lebensmitteln, bewegten sich mehr und kooperierten besser.

Stolz würden die Kinder auch ihre Ernte nach Hause bringen. Doch dort ergibt sich manchmal auch ein Problem. „In manchen Familien findet das Thema gar keinen Anklang, weil dort niemand weiß, was er mit der Ernte jetzt machen soll“, erzählt Julia Krebs. Tatkräftig hat der Verein aus dieser Beobachtung neue Projekte entwickelt. Das Kochbuch „AckerKüche“ etwa, das familientaugliche Rezepte vorstellt. Oder ein Online-Programm, das „Ackerfamilie“ heißen soll, und Familien etwa beim Gärtnern auf der Fensterbank unterstützt.

Bei Julia Krebs sprießen ständig neue Ideen für die GemüseAckerdemie. Doch manchmal sind es die kleinen Momente, die ihr den Wert ihrer Arbeit am besten vermitteln. Sie erinnert sich an einen Schüler, der am Programm teilgenommen hat: „Zu Beginn stand der sehr ablehnend auf dem Acker und hat eigentlich nur Faxen gemacht“, berichtet die Gründerin. Die Wandlung während des Gartenjahres war enorm: „Zum Schluss hat er seinen Acker regelrecht verteidigt, wenn jemand auf ein Beet getreten ist.“ 

Julia Krebs studierte von 1998 bis 2007 an der Universität Potsdam Diplom-Sportökonomie mit dem Schwerpunkt Marketing

Corinna Micha

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