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Junge Iraker an deutschen Unis: Studieren für den Wandel

Von Bagdad nach Berlin: Seit 2009 sind mehr als 500 irakische Studierende nach Deutschland gekommen. Mit dem hier gewonnenen Wissen sollen sie helfen, den Wandel in ihrer Heimat voranzutreiben.

Agenten des Wandels sollen sie sein, die jungen Irakerinnen und Iraker, die mit Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Deutschland studieren. Im Februar 2009 startete die „Strategische Akademische Partnerschaft“ zwischen Deutschland und dem Irak. Seitdem sind fast 500 Studierende aus Städten wie Bagdad, Kerbala oder Erbil für einen Master oder eine Promotion nach Berlin, Leipzig oder Dresden gekommen. Gleichzeitig gingen 70 Deutsche in den Irak, um dort zu studieren. Über acht Millionen Euro wurden bereits in das Projekt investiert. Die Partnerschaft (ähnliche gibt es etwa auch für Ägypten und Tunesien) soll die irakischen Hochschulen nach Dekaden des Kriegs wieder besser international vernetzen, Akademikern neue Perspektiven vermitteln und den gesellschaftlichen Wandel im Irak beflügeln.

In Bagdad schließt die Uni aus Sicherheitsgründen schon um 16 Uhr

Sana Ali ist eine von denen, die diesen Wandel möglich machen sollen. Vor zweieinhalb Jahren kam sie mit einem DAAD-Stipendium nach Deutschland, Sie lernte erst Deutsch in Göttingen. Jetzt studiert sie Psychologie im Master an der Freien Universität. Der Wechsel nach Berlin war für sie aufregend, das Studium in Deutschland empfindet sie als große Chance. „Das Leben hier ist sehr sicher. Ich kann mich besser auf mein Studium konzentrieren, weil ich mich hier freier bewegen kann.“ In Bagdad werden die Universitäten bereits um 16 Uhr geschlossen – aus Sicherheitsgründen, damit alle die Chance haben, vor Einbruch der Dämmerung zu Hause zu sein. In Berlin kann Ali noch bis spätabends in der Unibibliothek sitzen und an ihrer Master-Arbeit schreiben. „Es ist auch angenehm, dass ich mich mit einem Kommilitonen im Restaurant treffen kann, um ein Referat vorzubereiten, ohne dass es unschicklich wirkt“, sagt sie.

Sie kommt aus der autonomen Region Kurdistan, deren Regierung die Stipendien der Austausch-Studierenden vollständig aus eigenen Mitteln finanziert. Die Stipendien der Studierenden aus anderen Landesteilen finanzieren der DAAD und die irakische Regierung je hälftig.

Wie können irakische Studierende zu kritischem Denken animiert werden?

So wie bei Muhammad Al-Maliki, der aus Basra kommt, einer Stadt im Süden des Iraks. Er ist Anglist und promoviert mit einem DAAD-Stipendium an der Humboldt-Universität zu der Frage, wie irakische Studierende zu kritischerem Denken animiert werden können. Im Irak habe ihn gestört, dass das Hochschulsystem sehr hierarchisch und autoritär organisiert sei. „In Deutschland hat es mich dann inspiriert, dass Studierende an deutschen Unis recht eigenständig sind und viel mitbestimmen dürfen“, sagt er. Wenn er zurückkehrt, möchte er das irakische Ausbildungssystem gerne in dieser Hinsicht reformieren.

Auch Sana Ali möchte der irakischen Wissenschaft neue Impulse geben, wenn sie zurück in ihre Heimat geht. Bevor sie nach Deutschland kam, hat sie in Kerbala und Erbil in NGOs zu Kinder- und Frauenrechten gearbeitet. Jetzt plant sie, zu dem Thema zu promovieren und ihr Wissen später im Irak anzuwenden. „Für die Promotion möchte ich aber gerne in Berlin bleiben“, fügt sie noch hinzu: „Hier habe ich die Voraussetzungen, die ich brauche.“

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