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An einer Hamburger Uni werden Studierende aus dem Ausland beraten.

© picture alliance / dpa

Fachkräfte aus dem Ausland: Wenig willkommene Akademiker

Internationale Studenten, die nach dem Abschluss in Deutschland bleiben wollen, haben es oft schwer. Die größte Hürde: Eine qualifizierte Arbeit zu finden, die von der Ausländerbehörde anerkannt wird.

Nächstes Jahr wird Gabriel da Silva sein Studium abschließen. Er wird zu seiner Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde gehen, sein Zeugnis vorlegen und eine Aufenthaltsverlängerung beantragen. Seit fünf Jahren studiert der Brasilianer in Thüringen. Er würde hier auch gerne arbeiten.

Wie da Silva wollen viele Studierende aus dem Ausland nach ihrem Abschluss in Deutschland bleiben, die meisten versprechen sich eine gute Arbeit. Wer von ihnen diesen Wunsch tatsächlich umsetzt und wie lange sie bleiben – darüber gibt es keine offizielle Statistik. Eine Umfrage des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) unter 11 000 internationalen Studierenden, die im Oktober veröffentlicht wird, zeigt, dass sich jeder zweite eine Zukunft in Deutschland vorstellen kann. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hakte 2013 bei Nichteuropäern nach, die zwischen 2005 und 2012 hier studierten. Von ihnen lebt über die Hälfte noch in der Bundesrepublik. Allerdings hatte nur jeder Vierte eine Arbeitserlaubnis (hier geht es zur BAMF-Umfrage).

Damit sich die Ausgaben pro Student lohnen, müssen 30 Prozent bleiben

Viele Absolventen beschreiben die Arbeitssuche als zäh. Wer nicht aus Europa kommt, fürchtet die Ausweisung. Andere fühlen sich schlicht nicht willkommen. Dabei buhlt Deutschland auf der Internetseite „Make it in Germany!“ um Fachkräfte aus der ganzen Welt. An Berufseinsteigern, die hier studiert haben, sollte Deutschland ein besonderes Interesse haben. Damit sich die Ausgaben für das Studium – etwa 14 000 Euro pro ausländischem Studenten – lohnen, müssten dreißig Prozent nach dem Abschluss mindestens fünf Jahre in Deutschland arbeiten, ergibt seine Studie von Prognos im Auftrag des DAAD (link zur Prognos-Studie). „Wir sind froh über alle Absolventen, die bleiben, ob temporär oder länger. Wir brauchen sie dringend“, beteuert Bildungsministerin Johanna Wanka.

Susanne Orth vom Career Center der Viadrina in Frankfurt/Oder beobachtet, dass das Interesse, in Deutschland zu arbeiten, im Laufe des Studiums steigt. Auch da Silva wollte zunächst in Deutschland studieren, um danach als Deutschlehrer nach Brasilien zurückzukehren. Doch aus dem Bachelor- wurde ein Masterstudium, und nun kann er sich vorstellen, ganz zu bleiben. „Wenn man fünf Jahre in einem anderen Land lebt, ist man nicht mehr der gleiche Mensch“, sagt er.

Am Studienerfolg hängt die Aufenthaltserlaubnis

Seine Begeisterung trifft allerdings nicht nur auf Gegenliebe. Da Silva ist 32 Jahre alt, die Ausländerbehörde hat ihm signalisiert, dass das eigentlich zu spät für ein Studium ist. Dort hat man ein Auge darauf, ob er die Regelstudienzeit einhält und lässt sich jeden Schein vorlegen. „Ich bin bei Prüfungen immer aufgeregt, weil daran meine Aufenthaltserlaubnis hängt“, sagt er. Länger als zehn Jahre wird kein Studentenstatus genehmigt, Dissertation inklusive. Häufig werden Promotionsangebote wegen Zeitmangels ausgeschlagen.

Der DAAD setzt sich dafür ein, dass diese Zeiten gesetzlich gelockert werden – auf zehn Jahre Studium plus fünf weitere für eine Promotion. Der Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Engelhard Mazanke, sieht hingegen keinen Handlungsbedarf, die Regeln seien schon jetzt die liberalsten weltweit. „Nur bei der Vernetzung der zuständigen Stellen könnten wir innovativer sein.“ Er wünscht sich eine Art Lotsendienst, der Ankömmlinge begleitet – von der Anmeldung eines Unternehmens bis zum Kitaplatz.

Nach dem Abschluss darf er 18 Monate lang nach qualifizierter Arbeit suchen

Wenn er fertig ist, darf da Silva noch 18 Monate lang in Deutschland einen Job suchen. „Bei Akademikern sind wir großzügig“, sagt Mazanke. „Wer mit einem abgeschlossenen Studium zu uns kommt und sagt, dass er Arbeit sucht, kriegt eigentlich immer eine Verlängerung. Man muss das nicht mal mit einer Bewerbung nachweisen.“

Findet da Silva jedoch in dieser Zeit nichts, was seiner Qualifikation entspricht, muss er zurück nach Brasilien. Die Nebenjobs, mit denen er im Augenblick seine Miete zahlt, darf er nicht weitermachen. Damit wollen die Behörden vermeiden, dass Unternehmen Ausländer zu Dumpinglöhnen beschäftigen.

Aber was ist angemessen? Unlängst wurde in Berlin der Fall einer Inderin öffentlich, die als Integrationslotsin arbeitete und trotzdem ausgewiesen werden sollte. Damit sie bleiben konnte, musste ihr Gehalt angehoben werden.

Mit einem Abschluss in Deutsch als Fremdsprache wird auch da Silva voraussichtlich nicht zu den gut verdienenden Absolventen gehören, an die die Politik denkt. Schon jetzt kommt er kaum über die Runden, Bafög darf er als Nichteuropäer nicht beantragen. Offiziell finanziert sein Vater den Aufenthalt, auch wenn da Silva schon lange sein Geld selbst verdient. Die Behörden dürfen das nicht wissen. Deshalb möchte er auch nicht mit seinem richtigen Namen in der Zeitung stehen.

Auf Hilfe von den Hochschulen können die Absolventen nicht rechnen

Auf Hilfe von den Hochschulen beim Berufseinstieg können die Studierenden aus dem Ausland nicht rechnen. Die Career Center, die dafür zuständig sind, werden häufig drittmittelfinanziert, langfristige Vernetzung mit Firmen ist da schwierig. Martina Dömling vom Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg hat eine Handreichung für ostdeutsche Hochschulen geschrieben, in der sie Career Center ermuntert, auf die Bedürfnisse ausländischer Absolventen einzugehen – mit Bewerbungstrainings, rechtlicher Beratung und regionalen Jobbörsen (hier geht es zu dem Leitfaden).

Denn die Erwartungen der Studierenden seien oft nicht dieselben wie die der Firmen, sagt Dömling. Wer aus dem Ausland kommt, kennt global agierende Firmen wie Siemens und Daimler und möchte dort am liebsten ein paar Jahre Arbeitserfahrung sammeln – das macht sich als Referenz in der Heimat gut, fehlende Deutschkenntnisse sind kein Hinderungsgrund.

Nur knapp 35 Prozent fühlen sich in Deutschland willkommen

Die ostdeutsche Wirklichkeit sieht anders aus: Hier sind vor allem kleinere und mittlere Unternehmen ansässig, die Verkehrssprache ist Deutsch. Die Gehälter sind meist niedriger als im Westen, mitunter gibt es Vorbehalte, ausländische Mitarbeiter einzustellen. Ein idealer Mitarbeiter kommt für diese Firmen aus der Region und sucht einen Lebensarbeitsplatz. „Manchmal bleiben Ingenieurstellen lange unbesetzt, weil das Potenzial ausländischer Absolventen nicht gesehen wird“ , sagt Martina Dömling.

Mitunter erleben Studierende Rassismus. Nur knapp 35 Prozent fühlen sich in Deutschland willkommen, ergab eine Umfrage des DAAD. 30 Prozent der Afrikaner aus dem Subsahara-Raum berichteten von Diskriminierung, acht Prozent hatten physische Attacken erlebt. Probleme hatten Ausländer auch mit Behördengängen, ein Drittel bereits bei der Ankunft. Im November soll auf einer Tagung des BAMF diskutiert werden, wie Ausländerbehörden internationale Studierende besser begrüßen können.

Mit polnischen Praktika konnten hiesige Arbeitgeber nichts anfangen

Doch selbst wer gut Deutsch spricht und nicht fremd aussieht, kann Schwierigkeiten haben, eine Stelle zu finden. Agnieszka Bressa kommt aus Polen, vor fünf Jahren verbrachte sie ein Erasmus-Jahr in Potsdam, danach blieb sie für ein Studium der osteuropäischen Kultur. Deutsch hat sie in der Schule gelernt, in Potsdam besuchte sie Sprachkurse und las deutsche Zeitungen. Dennoch glaubt sie, dass ihr Deutsch und ihre Fachkenntnisse für eine „vernünftige Stelle“ nicht ausreichten. Auch konnten deutsche Arbeitgeber mit den Praktika, die sie in Polen gemacht hatte, meist nichts anfangen. Bressa ließ nicht locker: Sie besuchte Schulungen zum Berufseinstieg und machte ein Praktikum in einer Online-Redaktion, wo sie danach übernommen wurde. Sie glaubt an eine Zukunft in Deutschland. „Ich wusste, dass es schwierig sein würde, eine Arbeit zu bekommen“, sagt sie. „Aber ich sehe das positiv: Man entwickelt sich dabei auch weiter.“

Nicht immer ist es nötig, dass Studierende sich ganz von der Heimat lösen. Firmen, die internationale Mitarbeiter einstellen, nutzen gern deren Wissen über ihre Heimat. So arbeitet die Berliner Recyclingfirma Alba mit der Universität Viadrina zusammen, weil das Unternehmen auch in Osteuropa aktiv ist und an der Viadrina viele Osteuropäer studieren. Mitarbeiter stellen die Unternehmenspraxis in Wirtschaftsvorlesungen vor und laden zu Praktika ein. Vor drei Jahren legte Alba zudem ein Traineeprogramm für Chinesen auf, die in Deutschland studiert hatten. Mit ihnen wollte Alba sein Asiengeschäft weiterentwickeln.

Appell aus dem Career Center: "Lernt frühzeitig Deutsch!"

Aber sogar Alba hält noch vieles für verbesserungsbedürftig. Die Studierenden müssten besser integriert werden. In Kleinstädten hätten zum Beispiel asiatische Gruppen kaum mit Deutschen zu tun, sagt Susanne Nitzsche, die bei Alba für Personalmarketing zuständig ist. Internationale Absolventen sollten für Unternehmen „erreichbarer“ sein – etwa für Newsletter und Workshops.

Susanne Orth vom Career Center in Frankfurt sieht die Firmen in der Verantwortung: „Wir brauchen mehr Praktika, denn sie sind ein niedrigschwelliger Einstieg für internationale Studierende“, sagt sie. Die Unternehmen müssten sich Gedanken machen, wie sie internationalen Fachkräften besser begegnen – auch jenseits guter Deutschkenntnisse. Die Studierenden müssten umgekehrt wissen: „Lernt frühzeitig Deutsch! Es reicht nicht, sich nur in der Kneipe das Bier auf Deutsch bestellen zu können.“

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