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Anne Spiegel am Sonntagabend nach ihrem Auftritt in Berlin.

© Annette Riedl/dpa

Update

Urlaub nach der Flutkatastrophe: Mission Karriere-Rettung gescheitert – Familienministerin Anne Spiegel wirft hin

Ihre öffentliche Entschuldigung sorgte für Aufsehen, nun tritt die Grünen-Politikerin Spiegel zurück. Die Partei will zeitnah über die Nachfolge entscheiden.

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) hat am Montag ihren Rücktritt erklärt. „Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht“, sagte sie. Sie habe sich „aufgrund des politischen Drucks“ zu dem Schritt entschlossen. Die 41-Jährige scheidet damit rund vier Monate nach der Vereidigung der Bundesregierung aus dem Amt.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, Spiegel habe eine Offenheit gezeigt, „die wir selten so erlebt haben im politischen Berlin“. Der Co-Parteivorsitzende Omid Nouripour ergänzte, bei aller Härte sei der von Spiegel gewählte Schritt „richtig“. Man danke ihr sehr für die Entscheidung, sagte er. Die Grünen, die über die Spitze im Bundesfamilienministerium entscheiden, wollen nach seinen Worten nun zeitnah einen Vorschlag für die Nachfolge unterbreiten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat „höchsten Respekt“ für den Rücktritt geäußert. „Ich habe mit Bundesministerin Anne Spiegel gut und gerne zusammengearbeitet“, sagte Scholz. Es habe ihn „sehr berührt“, was die 41-Jährige über ihre Lebenssituation gesagt habe. „Deshalb hat ihre Entscheidung höchsten Respekt verdient, meinen hat sie jedenfalls.“ Der Schritt sei Spiegel sicher nicht leicht gefallen, das wisse er aus einem Gespräch mit ihr.

SPD-Chefin Saskia Esken erklärte, Spiegel beweise mit diesem Schritt „trotz ihrer schwierigen familiären Situation persönliche Integrität und Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern“. Der gleiche Maßstab sollte nach den Worten von Esken auch für jene NRW-Kabinettsmitglieder gelten, die nach Bekanntwerden des Ausmaßes der Jahrhundertflut ihren Urlaub noch tagelang fortsetzten.

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Auch der Koalitionspartner FDP sprach von „Respekt“. „Wir wünschen Frau Spiegel und ihrer Familie alles Gute“, sagte Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner, der „Rheinischen Post“. Auf die Frage, ob Spiegel eine Frau im Kabinett nachfolgen müsse, sagte er, das sei alles Sache der Grünen. „Da gibt es keine Einmischung in deren Fragen.“

Hintergrund für den Rücktritt ist der Umgang Spiegels mit der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz im Sommer 2021. Am Sonntag hatte sie sich dafür entschuldigt, kurz nach der Flut in einen langen Urlaub gefahren zu sein.

Seit Wochen stand Spiegel in der Kritik für ihr fragwürdiges Krisenmanagement während der Jahrhundertflut 2021, bei der allein in Rheinland-Pfalz 134 Menschen starben. Sie war damals Landesumweltministerin in Mainz und hatte damit eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Katastrophe.

Alles begann mit einer SMS

Im März wurde zunächst eine SMS bekannt, die Spiegel mit ihrem Pressesprecher austauschte und die nahelegte, dass die damalige Umweltministerin am Morgen nach der Flutwelle vor allem um ihr Image besorgt war. Im April wurde bekannt, dass Spiegel wenige Tage nach der Jahrhundertflut mit ihrer Familie für vier Wochen nach Frankreich in den Urlaub fuhr. Für den Krisenstab sei sie damals jederzeit erreichbar gewesen, sagte Spiegel.

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Doch die Rücktrittsforderungen, vorgetragen vor allem von der CDU, wurden immer lauter. Nachdem in der vergangenen Woche die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) wegen eines Mallorca-Urlaubs während der Hochwasserkatastrophe ihren Posten räumen musste, nahm der öffentliche Druck auf Spiegel weiter zu. Einem Bericht der „Bild“-Zeitung zufolge soll auch die Grünen-Spitze Spiegel zum Rücktritt aufgefordert haben.

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Letztlich sind ihr aber die unwahren Angaben zu Kabinettssitzungen während der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz zum Verhängnis geworden. Spiegel hatte noch am Samstag behauptet, an diesen Sitzungen per Video teilgenommen zu haben. Einen Tag später musste sie einräumen, dass dem nicht so war.

Unbekanntes Polittalent der Grünen

Spiegel war am 8. Dezember zur Bundesfamilienministerin ernannt worden. Ihre Besetzung war für Beobachter überraschend gekommen. Eigentlich war die heutige Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) lange als Bundesfamilienministerin gehandelt worden. Doch nach internen Verhandlungen der Grünen musste sie Spiegel den Vortritt lassen.

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Spiegel galt zu dem Zeitpunkt als noch etwas unbekanntes Polittalent der Grünen. Aufgewachsen ist sie in Ludwigshafen und Speyer als Älteste von vier Geschwistern. Sie studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Psychologie und soll sich politisch schon frühzeitig für Themen wie Integration und Familie begeistert haben.

2011 zog Spiegel mit gerade mal 30 Jahren in den Mainzer Landtag ein. Fünf Jahre später wurde sie Landesfamilienministerin, zehn Jahre später Umweltministerin. Weitere Ämter folgten: Sie wurde Spitzenkandidatin der Grünen im Landtagswahlkampf 2021 in Rheinland-Pfalz. Wenige Monate später stieg sie zur Bundesministerin auf.

Als Mutter von vier Kindern galt Spiegel schon in Rheinland-Pfalz als eine der jungen Powerfrauen, die Kinder und Karriere irgendwie gewuppt bekommt. Schlagzeilen machte sie etwa mit einem Auftritt im Bundesrat.

Bei der Sitzung der Länderkammer im Oktober 2018 hatte sie ihre kleine Tochter - ein Baby damals - mitgebracht. „Für mich gehören Familie und Beruf zusammen“, sagte Spiegel damals Medienberichten zufolge. Mit der Jahrhundertflut wurden die Herausforderungen für die Ministerin, Mutter und Ehefrau dann aber doch zu viel. (KNA, dpa)

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