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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Live-Schalte mit den Ministerpräsidenten.

© Michele Tantussi/Reuters/Pool/dpa

Update

„Rücksicht, Umsicht, Vorsicht“: Merkel fordert mehr Druck auf Reisende in Risikogebiete

Verdienstausfälle für Infizierte aus Risikogebieten werden nicht mehr übernommen. Obergrenzen für Privatfeiern wird es hingegen nicht geben. Ein Überblick.

Bund und Länder erhöhen angesichts steigender Coronavirus-Infektionen den Druck auf Urlauber, auf vermeidbare Reisen in Risikogebiete zu verzichten.

Wo immer möglich solle von Reisen in Risikogebiete abgesehen werden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder.

Um dieser Aufforderung Nachdruck zu verleihen, soll es für Covid-19-Erkrankte nach einer Rückkehr aus Risikogebieten keine Kompensation des Verdienstausfalls als Folge der Erkrankung mehr geben, wenn ihr Urlaubsziel bereits bei Reiseantritt als Risikogebiet deklariert war.

Dies soll laut Merkel im Infektionsschutzgesetz verankert werden.

Das wurde bereits beschlossen

  • Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollen demnächst eine Corona-Quarantäne frühestens durch einen Test ab dem fünften Tag nach Rückkehr beenden können. Diese Regelung soll „möglichst“ ab dem 1. Oktober 2020 gelten.
  • Die Reiseanmeldungen und Einreisekarten soll digitalisiert werden. Auch die Quarantäne bei Reiserückkehrer aus Risikogebieten soll schärfer kontrolliert werden
  • Kostenlose Corona-Tests für Einreisende aus Nicht-Risikogebieten werden zum 15. September abgeschafft. "Das ist kein zielgerichtetes Testen", sagte die Bundeskanzlerin nach der Live-Schalte.
  • Beim Verstoß gegen die Maskenpflicht wird ein Bußgeld von 50 Euro fällig, Bußgelder könnten von den Bahnkontrolleuren selbst einkassiert werden. Nur Sachsen-Anhalt schloss sich dem Beschluss nicht an.
  • Gesetzlich Versicherten mit Anspruch auf Kinderkrankengeld werden fünf zusätzliche Tage zur Betreuung eines kranken Kindes gewährt. Alleinerziehende erhalten zehn zusätzliche Tage.
  • Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist, sind bis mindestens Ende Dezember 2020 verboten.

Kanzlerin Merkel hat verkündet, dass die Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten vorerst aufrechterhalten wird. „Die Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten hat sich mit Blick auf die leider verhältnismäßig hohe Positivrate unter den Getesteten und die Verstöße gegen die Quarantänepflicht grundsätzlich als richtig und wichtig erwiesen“, heißt es in der Beschlussempfehlung.

Merkel erläuterte, bei den freiwilligen Tests zeige sich eine sehr niedrige Infektionsrate. Bei den Rückkehrenden aus Risikogebieten werde jedoch ein großer Teil von Zurückkehrenden positiv getestet.

„Corona ist wieder voll da in Deutschland“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Urlaube seien ein Risiko gewesen, das habe man gewusst. "Die Zahlen gehen zu früh zu hoch", sagt er mit Blick auf den kommenden Winter. Man müsse einen "zweiten Lockdown" verhindern.

„Daneben streben Bund und Länder weitere Vereinbarungen mit den Risikoreiseländern nach dem Vorbild der Vereinbarung mit der Türkei an, wonach Rückreisende im Reiseland vor der Rückreise verbindlich getestet werden, sodass bereits eine Rückreise von akut Infizierten möglichst vermieden wird“, heißt es in der Beschlussempfehlung.

Bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten wird zudem „eine unverzügliche Übermittlung der Aussteigekarten an die zuständigen Gesundheitsämter innerhalb eines Tages gefordert, um die Kontaktnachverfolgung und Quarantänekontrollen zu erleichtern."

Obergrenze für Privatfeiern: Wo sich Bund und Länder nicht einigen konnten

Bund und Länder konnten sich nicht auf eine Obergrenze bei privaten Feiern einigen. Die Bürger werden gebeten, in jedem Einzelfall kritisch abzuwägen, ob, wie und in welchem Umfang private Feierlichkeiten nötig und vertretbar seien.

Der sachsen-anhältische Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) sagte, er wisse nicht, wie er für eine Obergrenze für Privatfeiern argumentieren könne, wenn es in der Gastronomie umfangreiche Hygienekonzepte gebe. Zudem sei der Großteil der Neuinfektionen in Sachsen-Anhalt den Reiserückkehrern geschuldet.

Angela Merkel betonte jedoch, dass die Bürger bei privaten Feiern besonders wachsam sein sollten. Zudem sei man sich einig, dass die Teilnehmerzahl privater Feiern in den Ländern begrenzt werden müsse, nur eine länderübergreifende Obergrenze sei nicht beschlossen worden.

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Markus Söder sagte nach der Live-Schalte, man dürfe Corona nicht unterschätzen, „auch, wenn es regional unterschiedliche Infektionszahlen gibt.“ Kommunen müssten besonders darauf achten, die Bevölkerung auf Achtsamkeit hinzuweisen und zu betonen, wie wichtig es ist, die Teilnehmer von Feiern zu erfassen. „Wir haben wahnsinnig viel Unvernunft bei uns.“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hingegen hatte sich schon am Donnerstag erneut gegen eine bundeseinheitliche Regelung für Familienfeiern ausgesprochen. „Das werde ich auf keinen Fall mitmachen“, sagte sie im Deutschlandfunk.

Bundesweites Bußgeld für Maskenverweigerer geplant

Für Maskenverweigerer soll es künftig teuer werden. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, bei Verstößen gegen die Maskenpflicht ein Bußgeld von mindestens 50 Euro zu erheben. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff hatte in der Diskussion ein Mindestbußgeld abgelehnt und erklärt, er werde die Regelung in seinem Land nicht mitmachen, was er in einer Protokollnotiz festhalten lassen wollte.

Anschließend an die Sitzung sagte Haseloff, es gebe für die Durchsetzung der aktuellen Regelungen ohnehin schon keine Ressourcen. "Wir haben in Deutschland keinen Regelungsbedarf, sondern einen Umsetzungsbedarf", sagte Haseloff.

Angela Merkel mit Maske (Archivbild )
Angela Merkel mit Maske (Archivbild )

© AFP/Federico Gambarini/Pool

Eine solche Vereinheitlichung hatte der Präsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, am Mittwoch gefordert – ebenso die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. „Das sorgt für mehr Klarheit in der Bevölkerung und damit auch für ein größeres Verständnis und für mehr Akzeptanz“, sagte die SPD-Politikerin der „Rheinischen Post“.

Der Deutsche Landkreistag hingegen warnt vor einer übermäßigen Vereinheitlichung der Corona-Regelungen in Deutschland. „Wenn wir im vergangenen halben Jahr eines lernen konnten, dann dies: Die Pandemie kann dezentral gut eingedämmt werden“, sagte Landkreistags-Präsident Reinhard Sager.

Diese Beschlüsse stehen noch aus

  • Zum einheitlichen Umgang mit Zuschauern bei bundesweiten Sportveranstaltungen wird eine Arbeitsgruppe auf Ebene der Chefs der Staatskanzleien eingesetzt, die bis Ende Oktober einen Vorschlag vorlegen soll.
  • Einheitliche Hygienevorschriften in Schulen sollen zudem von der Kultusministerkonferenz beschlossen werden.
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach der Live-Schalte, dass eine Verkürzung der Quarantäne für Reiserückkehrer erst von Experten und Wissenschaftlern diskutiert werden muss.

Bezüglich der Zulassung von Karnevalsveranstaltungen und Weihnachtsmärkten in der Corona-Pandemie wollte sich Merkel dagegen noch nicht festlegen. „Das werde und müsse heute nicht entschieden werden“, sagte Merkel am Donnerstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in ihren Beratungen.

Söder habe ihr zugestimmt. Er sei nie für eine Totalabsage von Fasching oder Karneval gewesen, habe er erklärt. Sachsen habe in der Runde auf die Zulassung von Weihnachtsmärkten gedrängt, hieß es weiter – offensichtlich vor dem Hintergrund von Befürchtungen, der berühmte Dresdner Weihnachtsmarkt müsse abgesagt werden.

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Dabei steht in der Beschlussvorlage auch, dass Ausnahmen in Regionen mit maximal 15 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner dann vorgesehen werden können, „wenn sichergestellt ist, dass die Teilnehmer ausschließlich aus dieser Region bzw. aus umliegenden Regionen mit entsprechenden Inzidenzen kommen.“

Söder hatte am eine solche Abhängigkeit von regionalen Infektionsgeschehen am Dienstagabend bei „Maischberger“ in der ARD gefordert. Söder betonte, grundsätzlich sollte gelten, dass in Städten und Gebieten mit hohem Infektionsgeschehen die Zügel angezogen werden müssten. (mit dpa)

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