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Alexander Kleine (rechts) und Philip Thaler in ihrem wöchentlichen YouTube-Format. Gesponsert von EinProzent.

© YouTube

Kurz vor den Landtagswahlen: Wie rechte Influencer mit Hetze Stimmung für die AfD machen

Junge Rechte nutzen Instagram und YouTube, um Rassismus normal erscheinen zu lassen. Langfristig kann das den demokratischen Diskurs zerstören.

„Neue Deutsche? Machen wir selber!“ Das steht auf einem Wahlplakat der AfD in Sachsen, im Bild eine schwangere Frau. Alexander Kleine präsentiert das Plakat in einem YouTube-Video und kommentiert: „Finde ich gut".  Seine Begründung: Die „etablierte Politik“ setze stattdessen auf den Zuzug aus Nordafrika.

Alexander Kleine ist ein rechter Influencer, ein neues Phänomen im Netz. Es ist noch nicht klar, ob rechte Influencer wie er Wahlen beeinflussen können. Aber es ist eine ernstzunehmende Entwicklung, die zu beobachten ist. Denn Rechte im Netz agieren immer professioneller und beeinflussen auf diesem Weg strategisch junge Erwachsene.

In sozialen Netzwerken wie Instagram und YouTube machen Influencer – Menschen mit vielen Follower, also hoher Reichweite – nicht mehr nur Werbung für Schminke, Eistee oder Waschmittel. Inzwischen geht es auch um Politik. Alexander Kleine macht Werbung für die AfD. Über 30.000 Mal wurde allein sein Wahlplakat-Video aufgerufen. Das ist nichts im Vergleich zu millionenfach geklickten YouTube-Videos, aber es sind 30.000 vorrangig junge Menschen, die er mit dem Video erreicht und beeinflussen kann.

In wenigen Tagen wird in Sachsen und Brandenburg der neue Landtag gewählt. Die AfD, bei der auch der 27-jährige Alexander Kleine sein Kreuzchen macht, könnte in Sachsen laut aktuellen Umfragen die zweitmeisten Stimmen nach der CDU bekommen. In Brandenburg liegt sie aktuell gleichauf mit der führenden SPD. Kleine ist selbst nicht Parteimitglied, aber Regionalleiter bei der rechten, vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung. Leute wie er können bei einem knappen Rennen womöglich den Ausschlag geben.

Die AfD hat schon lange mehr als doppelt so viele Facebook-Follower wie die meisten anderen Parteien. Rechte Influencer nutzen nun die Social-Media-Plattformen Instagram, YouTube und Telegramm, um junge Menschen unauffällig zu beeinflussen.

Subtile Verbreitung rassistischer Inhalte

Zwar gibt es auch Influencer, die andere politische Positionen beziehen. Der YouTuber Rezo oder der Moderator Jan Böhmermann sind nur zwei Beispiele. Aber beide waren zuvor schon durch andere Tätigkeiten bekannt und gingen dann auch mit ihrer politischen Meinung an die Öffentlichkeit.

Andere bekannte Personen wie Luisa Neubauer (Grüne) oder Lilly Blaudszun (SPD) bekennen sich offen zu ihrer Partei. Alexander Kleine ist deshalb bekannt, weil er zunächst wirkt wie ein ganz normaler 27-Jähriger, dabei aber subtil rassistische Inhalte verbreitet. Offiziell ist er kein Parteimitglied.

Das Bedürfnis, sein Land zu beschützen

Bei einem Treffen in einem Leipziger Starbucks-Café zwirbelt er an seinem blonden Schnurrbart, den er gerade lang wachsen lässt, und erzählt von seiner Frau, seinem Babyglück und dem Imker-Hobby. Doch schon im nächsten Satz hetzt er gegen Flüchtlinge, feiert den AfD-Hardliner Björn Höcke oder den italienischen Innenminister Matteo Salvini, der Bootsfllüchtlinge wochenlang nicht an Land gehen lässt.

Circa 20 Stunden investiert der Student, der sich mit seinen 170cm zu klein findet, dafür aber Fitnessstudio-Muskeln antrainiert, jede Woche in sein politisches Engagement. Begonnen hat alles mit dem, was er „Migrationskrise 2015“ nennt, seitdem er das Bedürfnis hat, sein Land zu beschützen.

Weil er das Gefühl hat, dass Deutschland gefährlicher geworden ist. Dass man vor allem Frauen jetzt beschützen muss, zumindest sobald es dunkel wird. Weil in jeder Ecke jemand aus Nordafrika stehen könnte, so schildert er seine Ängste.

Für die Situation von 2015, als über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen und Kanzlerin Angela Merkel sagte „wir schaffen das“, verwendet er bewusst das Wort „Migrationskrise 2015“. Wie Angela Merkel Deutschland regiert, findet er so schlimm, dass er sich nicht einmal mit ihr an einen Tisch setzen würde. „Ich könnte es noch versuchen mit konstruktiver Kritik oder ich könnte mich über sie lustig machen. Aber ich glaube, ich würde gar nicht zu ihr hingehen.“

Rechte Musikvideos

Auf Social Media teilt er neben seiner politischen Meinung auch Inhalte aus seinem Alltag, vom Imkern. Und er verbreitet Veröffentlichungen von Melanie Schmitz, einer anderen rechten Influencerin. Schmitz hat unter anderem eine Parodie auf eines der meistegeklicktesten YouTube-Videos hochgeladen, in der sie singt: „Du weißt ich bin rechts Babe, will dass du jetzt hetzt Babe, scheiß doch auf den Rest Babe, wir machen ein Hetztape. … Also Baby mach die Kamera an, kommt ein Nafri macht es bam bam bam bam.“ Dabei schlägt sie mit den Fäusten in die Luft. 

Melanie Schmitz hetzt in ihrem Musikvideo gegen Flüchtlinge.
Melanie Schmitz hetzt in ihrem Musikvideo gegen Flüchtlinge.

© / YouTube

„Nafri“ war die interne Arbeitsbezeichnung der Polizei Nordrhein-Westfalen für „Nordafrikaner“ oder „Nordafrikanischer Intensivtäter“ nach den Vorkommnissen der Silvesternacht in Köln 2015. Sprich: Die Influencerin verherrlicht rassistische Gewalt – und könnte damit indirekt ihre Zuschauer zu Straftaten animieren.

Alexander Kleine findet das Video gut. Er sagt, er möge ihre Musik. Außerdem: „Wissen Sie, was Nafris bedeutet? Das steht für nordafrikanische Intensivstraftäter. Dass eine zierliche junge Frau denen eine klatschen will, das ist doch witzig.“ Bis vor Kurzem hatte er noch über 6000 Follower auf Instagram, etwa 4.000 schauten täglich seine Storys. Vergangene Woche wurde sein Account von der Plattform Instagram gelöscht, Kleine schaltete seinen Anwalt ein.

Rechte "Satire"

Was bisher nicht gelöscht wurde, ist der YouTube Kanal „Laut gedacht“, dem über 45.000 Menschen folgen. Zusammen mit seinem Kollegen Philip Thaler veröffentlicht Kleine wöchentlich Videos auf diesem Account, die er „Satire“ nennt. Sie kommentieren aktuelle politische Themen. So gibt es etwa aus dem letzten Video vor der Sommerpause einen Dialog über Privatschulen.

Dort sagt Alexander Kleine: „In Berlin richtet man sich nicht mehr nach der Minderheit, sondern nach der Mehrheit. Deshalb gibt es in Berliner Schulen Türkisch-Unterricht für Erstklässler.“ Sein Kollege Philip Thaler kommentiert: „Und wer kein Türkisch spricht, der muss dann auf die Privatschule gehen.“

Es gibt einen Unterschied zwischen „Laut gedacht“ und anderen Accounts rechter Influencer. „Laut gedacht“ ist professionell aufgebaut. Das feste Studio, gute Kamera-, Ton- und Schnitttechnik machen aus der Videoproduktion ein Hochglanzformat. Die „Witze“ sind so gewählt, dass rassistische Inhalte unterschwellig vermittelt, aber nie direkt ausgesprochen werden. Wahrscheinlich wurde deshalb bisher erst ein Video des Accounts wegen Hatespeech (Hassrede) gelöscht.

Alexander Kleine sagt zwar, dass sie hier nicht alles allein machten, aber nur Thaler und er seien das feste „Laut gedacht“ Team. Recherchen für Inhalte würden öfter von Kollegen übernommen und von der neurechten Bürgerinitiative EinProzent bekämen sie Unterstützung. Kleine sagt im Interview ihr Studio sei in Thalers Garage, die Professionalität spielt er herunter.

Alexander Kleine zeigt sich auf seinem privaten YouTube Kanal beim Imkern.
Alexander Kleine zeigt sich auf seinem privaten YouTube Kanal beim Imkern.

© / YouTube

Telefoniert man mit Philip Stein, klingt das etwas anders. Stein ist Vorsitzender von EinProzent, der Verein ist ein Bindeglied zwischen AfD, Identitären, Pegida und anderen Rechten. „EinProzent ist der Betreiber des Kanals, die beiden sind nur Schauspieler. Wir haben das Studio, die Technik, die Filmleute. Wir sind offizielle Ausstatter und Ansprechpartner der Serie.“

Ein richtiges Produktionsstudio gebe es im neuen Haus in Dresden seit etwa einem halben Jahr. Zum festen Team gehören demnach zwei Kameraleute, die filmen und schneiden. Außerdem eine feste Person, die die Themen recherchiert. Alle Kosten würden von EinProzent abgedeckt. Aber in die Videoproduktion greife EinProzent inhaltlich nicht weiter ein, die Darsteller schrieben ihre „Witze“ noch selbst.

Offizielle Mitglieder hat der Verein EinProzent nur sechs, darunter angeblich keine offiziellen AfD-Mitglieder oder Identitäre. „Aber bei unseren vielen Unterstützern dürfte die Schnittmenge dieser Gruppen relativ groß sein“, sagt Stein. EinProzent bezeichnet sich als patriotisches Bürgernetzwerk, auf der Website steht die „Flüchtlingsinvasion ist eine Katastrophe für Deutschland und Europa“. Der Verein und das breite Netzwerk wollen, dass sich der gesellschaftliche Diskurs nach rechts verschiebt. Eines ihrer sechs offiziellen Mitglieder ist Götz Kubitschek, der als Vordenker der neuen Rechten gilt und von Experten als „Spinne im Netz“ beschrieben wird. Kleine steht mit ihm in gutem Kontakt.

Zeigen verzerrtes Bild der Realität

Obwohl es bundesweit oft Überschneidungen zwischen AfD und Identitären gibt, sagt Kleine, er habe mit der AfD nichts weiter zu tun. Auch Torben Braga, Pressesprecher des Bundesvorsitzenden der Jungen Alternativen, sagt, dass er weder Alexander Kleine noch Melanie Schmitz kenne. Vom YouTube Kanal „Laut gedacht“ habe er schon einmal gehört, aber noch nie ein Video angeschaut. Offiziell verbietet die AfD eine Kooperation mit der Identitären Bewegung. Wer trotzdem kooperiert, würde das nicht unbedingt öffentlich zugeben.

Könnten rechte Influencer dafür sorgen, dass die AfD stärkste Kraft in Sachsen oder Brandenburg wird?  „Nein“, sagt Politikberater Martin Fuchs. „Schon allein deshalb, weil man mit den jungen Leuten keine Wahl in Deutschland gewinnt. Die Gruppe der unter 35-Jährigen ist einfach zu klein.“ Außerdem sagt er: „Rechte Influencer und was sie vermitteln könnte ein Baustein sein, der das Weltbild mit bestätigt, aber sie werden keine Auslöser für die Wahl sein.“ Nur weil es ein paar rechte Influencer gebe, würden nicht mehr Leute die AfD wählen. „Wegen so etwas geht kein Linker oder Grüner zur AfD.“

Trotzdem findet er es schlimm, dass es die entsprechenden Profile in den sozialen Netzwerken gibt. „Sie sagen oft, was machen die Verrückten dort jeden Tag in Berlin? Oder sie nehmen Einzelfälle wie Frankfurt, wo ein gebürtiger Eritreer ein Kind vor einen Zug geschubst hat, und tun so als wären alle Flüchtlinge so. Mit Einzelfällen stellen sie ein verzerrtes Bild der Realität dar.“

Patrick Stegemann bestätigt diese Aussage. Stegemann ist Journalist, Filmemacher und Formatentwickler und hat auf der Digitalkonferenz re:publica einen Vortrag darüber gehalten, wie die neue Rechte Influencer erschafft und nutzt.

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Auch wenn die YouTuber bei „Laut gedacht“ vorsichtig vorgehen, zeigen die kumulierten Aussagen seiner Meinung nach klar ein rassistisches Weltbild. „Das Ziel ist es, die eigene Botschaft genau so zuzuspitzen, dass sie für die eigene Gruppe klar erkennbar bleibt ohne die Standards der Plattformen sofort zu verletzen.“ Wenn die AfD bei der Wahl gut abschneidet, kann er sich vorstellen, dass die Followerzahl der rechten Influencer zunimmt, weil es dann „noch normaler“ werde, solchen Leuten zu folgen. Influencer nutzen seiner Meinung nach der Partei und der Aufstieg der Partei nutze auch den Influencern.

Die großen Plattformen reagieren und löschen in regelmäßigen Abständen rechte YouTube-, Instagram- und Facebook-Accounts, weshalb inzwischen einige Influencer auf alternative Plattformen wie Telegramm zurückgreifen. Patrick Stegemann sagt, es gebe vor allem eine Möglichkeit, rechten Influencern die Stirn zu bieten: „Es muss Gegenerzählungen geben.“

Instagram und YouTube gehörten inzwischen zu den Hauptnachrichtenquellen für junge Menschen, aber viele klassische Medien hätten sich lange damit schwergetan, auf diesen Plattformen auch Journalismus zu machen. Ein Vakuum, das vor allem von rechten Aktivisten genutzt werde. Aber wenn Medien dieses Vakuum einnehmen würden, könnten sie dem Einfluss der Aktivisten entgegenwirken.

Diesem Text wurden nach der ersten Veröffentlichung noch weitere Absätze hinzugefügt.

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