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Klara Geywitz, Brandenburger SPD-Landtagsabgeordnete und Kandidatin für den SPD-Bundesvorsitz.

© Kay Nietfeld/dpa

Wahl in Brandenburg: Klara Geywitz droht Verlust des Direktmandats

Die Bewerberin für den SPD-Bundesvorsitz könnte in Potsdam ihren Wahlkreis an die Grünen verlieren. Ausgerechnet Olaf Scholz kann nicht für sie stimmen.

Wahlkreis 21 in Potsdam? Bis vor knapp zwei Wochen aus Bundessicht irgendeiner von 44 Wahlkreisen bei der Landtagswahl in Brandenburg. Doch nun schauen über Brandenburg hinaus viele darauf, wer dort am Sonntag das Rennen macht. Denn die bundesweit bis dato weitgehend unbekannte Landtagsabgeordnete Klara Geywitz, die am 20. Juli erklärte, gemeinsam mit Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz für den SPD-Parteivorsitz zu kandidieren, tritt dort an. Dreimal hintereinander holte sie das Direktmandat, nun muss die 43-Jährige erstmals zittern.

Der für die Landeshauptstadt wichtige Innenstadt-Wahlkreis, zu dem auch Babelsberg gehört, war bislang eine SPD-Hochburg. Doch nun preschen die Grünen vor und könnten mit der 1990 geborenen Informatikerin Marie Schäffer das erste Direktmandat bei einer Landtagswahl in Brandenburg holen. Genau das hatte Schäffer, die erstmals für den Landtag kandidiert, beim Parteitag der Grünen im Februar selbstbewusst als Ziel ausgerufen. Und die Prognosen stehen nicht schlecht für Schäffer, das Portal election.de sah sie im Wahlkreis 21 vorn. Bei der Kommunal- und Europawahl im Mai räumten die Grünen in Babelsberg und in der Potsdamer Innenstadt ab und wurden in weiten Teilen stärkste Kraft. Eine ungewohnte Ausgangsposition für Klara Geywitz. 2004 holte die gebürtige Potsdamerin, die im Landtag zuletzt Vorsitzende des Innenausschusses war, 33,6 Prozent der Stimmen. 2009 waren es 31,6 und vor fünf Jahren noch 28Prozent. Zwei Mal verwies sie eine Konkurrentin von den Linken, 2004 den CDU-Kandidaten auf Platz zwei. Die Grünen spielten bislang keine Rolle im Kampf um das Direktmandat.

Die Bewerbung für den SPD-Parteivorsitz könnte Geywitz nun am Sonntag nutzen. Die Ansage könnte einige doch dazu bewegen, für die Politologin zu stimmen, die nun womöglich bald bundesweit Einfluss haben könnte. Aber: Verliert sie ihren Wahlkreis, würde das die Chancen auf den Parteivorsitz schmälern. Auf der Landesliste steht sie nur auf Platz zehn. Früher ein sicherer Platz, bei Umfragewarten von nur noch um die 20 Prozent für die SPD gilt das diesmal nicht.

Ausgerechnet Scholz kann nicht für Geywitz stimmen

Am Wahlsonntag endet auch die Bewerbungsfrist für die Führung der Sozialdemokraten. Eine Forsa-Umfrage sah das Duo Scholz-Geywitz vor wenigen Tagen vorn. Demnach würden 26 Prozent der SPD-Mitglieder für das Potsdamer Doppel stimmen.

Bei der Basis und beim Wähler dürfte nun aber nicht gut angekommen sein, dass ausgerechnet Geywitz’ politischer Partner Olaf Scholz ihr am Sonntag keine Stimme geben kann – obwohl er in ihrem Wahlkreis lebt. Scholz und seine Ehefrau, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst, wohnen in der noblen Berliner Vorstadt – haben aber versäumt, einen Monat vor der Wahl ihre Potsdamer Wohnung zum Hauptwohnsitz umzumelden, weil ihr Lebensmittelpunkt weiter in Hamburg sei. Was angesichts der Terminfülle, die beide in Potsdam und Berlin zu bewältigen haben, auch aus melderechtlicher Sicht wenig überzeugend wirkt.

Der Vizekanzler und die Landesministerin sind somit jedenfalls bei der Wahl, bei der es für die angeschlagene SPD nicht nur um die Verteidigung des prestigeträchtigen Wahlkreises 21, sondern um den Machterhalt nach 29 Jahren geht, nicht stimmberechtigt. Nichtsdestotrotz twitterte Olaf Scholz am Samstagabend: „Morgen Dietmar Woidke wählen für ein starkes Brandenburg.“ Geywitz retweetete natürlich, auch wenn es für die frühere Brandenburger SPD-Generalsekretär, die 2017 im Streit mit Dietmar Woidke um die abgesagte Kreisgebietsreform dieses Amt aufgab, von Scholz nur indirekte Schützenhilfe und keine Stimme bekommt. Vor zehn Tagen absolvierte Scholz gemeinsam mit der Landtagskandidatin in seinem Nebenwohnort Potsdam eine Diskussionsrunde zu Finanzthemen.

Prominenz für den Wahlkampf

Geywitz holte sich noch mehr Bundesprominenz für den Wahlkampf nach Potsdam. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil war da, auch der kommissarische SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich. Der Bundestagsabgeordnete und Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, machte ihr ebenfalls seine Aufwartung. „Auch wenn wir derzeit um den Vorsitz der SPD konkurrieren, war es für mich Ehrensache, Klara Geywitz im Landtagswahlkampf zu unterstützen“, schrieb er vor wenigen Tagen bei Twitter. Aber Geywitz verließ sich nicht nur auf die Promi-Besuche. Mit einem roten Lastenfahrrad fuhr sie im Wahlkampf rastlos durch die Stadt, war überall präsent, verteilte umweltbewusst Papierwindräder statt Plastikluftballons.

Aber auch Hauptkonkurrentin Marie Schäffer war nicht untätig. Die Europa-Fraktionschefin Ska Keller und der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck waren in Potsdam, die in der Landeshauptstadt lebende Co-Parteichefin Annalena Baerbock unterstützt sie ohnehin. Bei der Fridays-for-Future-Klimademo am Freitag vor dem Landtag traf Schäffer zudem auf viele Erstwähler, die ihr Kreuz vermutlich eher bei der jungen Grünen als bei der erfahrenen SPD-Frau machen dürften – rotem Öko-Wahlkampf zum Trotz.

Marion Kaufmann

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