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Berlins Bahnchef Kaczmarek (2. von links) und Bauleiter Jens Kulecki (4. von links) eröffnen die neue Strecke.

© Jörn Hasselmann

Großprojekt der Bahn in Berlin: Sperrung am Karower Kreuz wird aufgehoben

Nach 17 Monaten Sperrung soll am Freitag der erste Zug wieder über das Karower Kreuz rollen. Am Mittwoch kam der Chef zur Visite.

Der Bahnchef Berlins sprach laut aus, was der Bauleiter wohl nur dachte. „Das Karower Kreuz stand immer im Schatten des Ostkreuzes.“ Tatsächlich baut die Bahn im Nordosten ähnlich intensiv. Das Ostkreuz kostete etwa 500 Millionen, sagte Alexander Kaczmarek, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Berlin, am Mittwoch bei einer Führung über die Baustelle durch Bauleiter Jens Kulecki. Das Ostkreuz ist mitten in der Stadt, Karow dagegen j.w.d, also janz weit draußen. Da es hier keine Straßen gibt, gab es anders als zum Ostkreuz (oder früher am Hauptbahnhof) keinen Baustellentourismus von Eisenbahnfans. Übers Ostkreuz gibt es mehrere Bücher, übers Karower Kreuz Pressemeldungen der Bahn. Auf der Stettiner Bahn gab es seit dem 2. Weltkrieg in Höhe Karow nur ein Gleis, dieses führte über eine 100 Jahre alte Brücke über den Berliner Außenring. Diese Brücke hatte die DDR nach dem Krieg woanders abgebaut, und nach Karow versetzt, berichtete Kulecki. Sie sah aus, wie man das Ostkreuz von früher kennt: verrostet, windschief und optisch einsturzgefährdet. Die Verwendung von Altmaterial war in der DDR beliebt: Wenig später wurde eine 60 Meter lange Stahlbrücke an der Bornholmer Straße in Berlin abgebaut, weil an der Oder bei Wriezen eine fehlte. Die uralte Technik im Stellwerk war mit Schuld, dass 2009 am Karower Kreuz ein Regionalexpress in einen Güterzug krachte. 24 Menschen waren verletzt worden.

Ab Freitag fährt der RE3 wieder übers Karower Kreuz

Ab Freitag können Regionalzüge auf der Stettiner Bahn wieder durchfahren, gesteuert aus einem elektronischen Stellwerk. Die Fahrzeit von Gesundbrunnen nach Bernau verkürzt sich im RE3 von 33 auf 13 Minuten. Seit Februar 2017 waren die Züge über Lichtenberg umgeleitet worden, dies traf auch alle Ostseeurlauber Richtung Stralsund. Acht Wochen lang mussten auch die Fahrgäste der S2 von Bernau nach Berlin in Ersatzbusse umsteigen. Denn das Karower Kreuz wurde komplett erneuert, inklusive aller Verbindungskurven: Die Fernbahn kann hier in alle Richtungen abbiegen. Der RE5 nach Rostock biegt am Karower Kreuz nach Norden ab, auch dieses Gleis ist komplett neu.

Ein Sonderzug hielt 2018 auf der Brücke am Karower Kreuz. Seitlich wurde Platz für mögliche spätere Bahnsteige gelassen.
Ein Sonderzug hielt 2018 auf der Brücke am Karower Kreuz. Seitlich wurde Platz für mögliche spätere Bahnsteige gelassen.

© Jörn Hasselmann

Der „Turmbahnhof Karower Kreuz“ ist immerhin minimal vorbereitet worden, oben ist Platz für einen Mittelbahnsteig und zwei Seitenbahnsteige. Unten ist Platz gelassen worden für zwei Seitenbahnsteige an den Ferngleisen. Ein S-Bahn-Kreuz wird es dagegen wohl nie geben: Unter der neuen Brücke ist am Außenring kein Platz für S-Bahn-Gleise gelassen worden. Dabei hatte die DDR von der heutigen Endstation der S75 (Wartenberg) Platz für eine Verlängerung Richtung Karower Kreuz gelassen.

"Phantom" Turmbahnhof

Über diesen Turmbahnhof wird seit Jahrzehnten diskutiert – ohne Ergebnis. Der Fahrgastverband Igeb spricht von einem „Phantom“, Bauleiter Jens Kulecki nannte ihn am Mittwoch „ominös“. Denn immer noch ist unklar, ob ihn das Land Berlin irgendwann bestellt. Der Bezirk Pankow lehnt das Projekt ab und fordert einen Regionalbahnhof Buch. Natürlich wäre es, sagt Kulecki, einfacher gewesen, alles zusammen zu bauen. Für mehr vorbereitende Arbeiten habe es natürlich kein Geld gegeben.

Die neue Brücke über den Berliner Außenring. Oben fährt die Stettiner Bahn. Auch hier ist Platz für seitliche Bahnsteige.
Die neue Brücke über den Berliner Außenring. Oben fährt die Stettiner Bahn. Auch hier ist Platz für seitliche Bahnsteige.

© Jörn Hasselmann

Zurück zu dem, was als sicher gilt: Ab Freitag früh kann die Stettiner Fernbahn wieder befahren werden, allerdings weiter nur auf einem Gleis. Das zweite Gleis wird erst 2020 fertig, weil im nächsten Abschnitt der Bahnhof Karow umgebaut werden muss. Das ist die Station, wo die Heidekrautbahn als Berliner Kuriosum am S-Bahnsteig abfährt. Weil keine Vollsperrung möglich ist wie am Karower Kreuz, muss mühselig unter Betrieb gearbeitet werden, angestrebt für die Gesamtfertigstellung wird September 2020. Dann kann der Abschnitt Gesundbrunnen bis Karow mit Tempo 160 befahren werden. Da dies Krach macht, und auf der Strecke zudem Güterzüge fahren, entstanden entlang der Gleise 8,5 Kilometer Lärmschutzwände- und Mauern. Sie sind nicht schön, aber hoch – und laut Bahn für Anwohner effektiv. Die Gleise für die S2 nach Bernau wurden ebenfalls auf mehreren Kilometern zwischen Karow und Blankenburg komplett erneuert. Insgesamt, da scheint Bauleiter Kulecki schon stolz darauf zu sein, hat er am Karower Kreuz vier Mal so viel Material bewegt, wie beim Bau des Fernsehturmes.

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