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Schön ist's in Neuruppin - auch für Kriminelle?

© imago images / Jürgen Ritter

Die Idylle als Rückzugsraum für Kriminelle: Polizei beobachtet Aktivitäten Berliner Clans in Brandenburg

Kriminelle entdecken das Berliner Umland. Brandenburgs Polizei sieht „noch keine verfestigten Strukturen“. Doch Experten fürchten: Es gibt zu wenig Ermittler.

In Brandenburg fallen zunehmend Verdächtige aus Berlins Clanmilieu auf – und Ermittler warnen vor dieser Form organisierter Kriminalität, die bislang meist mit Hauptstadt-Bezirken wie Neukölln assoziiert wurde. Nun äußern sich Kriminalisten und Behördenvertreter aus Brandenburg zu Tagesspiegel-Recherchen über die Expansion einschlägig aktiver Berliner Großfamilien ins märkische Umland.

„Clan-Kriminalität macht nicht an der Stadtgrenze halt. Bislang tauchen namhafte Männer aus dem Milieu nur vereinzelt in Brandenburg auf. Wir beobachten aber Verdachtsfälle von Geldwäsche, Brandenburg scheint ein Rückzugsraum für Clans aus Berlin zu sein“, sagte Peter Kaiser, der Brandenburger Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK).

„Sollte sich das Phänomen ausweiten, dürfte Brandenburgs Polizei schnell an ihre Grenze geraten, das aktuelle Personal würde für die nötigen Ermittlungen kaum reichen. Unsere Kräfte sind schon jetzt zu knapp, um die bereits vorhandenen Akteure organisierter Kriminalität zurückzudrängen“, sagte Kaiser. „In Cottbus, wo es eine gefährliche Rockerszene gibt, haben wir dafür keine Fachdienststelle“, sagte Kaiser.

Im Süden Brandenburgs sind Männer aus dem Umfeld der Hells Angels und der Hooligan-Szene aktiv, Ermittler sprechen dazu von banden- und gewerbsmäßigen Straftaten. „Wir beobachten derzeit zudem, dass tschetschenische Cliquen in Brandenburg aktiver werden – und durch schwere Gewalttaten auffallen.“

Clans versuchten an Häuser in Brandenburg zu kommen

Der Tagesspiegel hatte kürzlich zahlreiche Brandenburger Orte zusammengetragen, an denen Berliner Clan-Größen aktiv sind – etwa zum Immobilienerwerb oder für Drogengeschäfte.

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Den Ermittlern für organisierte Kriminalität in Brandenburgs Landeskriminalamt (LKA) in Eberswalde, die sich meist mit Rockern und osteuropäischen Banden befassen, wurde die Karte vorgelegt. „Wir stehen in ständigem Austausch mit dem LKA Berlin und dem Bundeskriminalamt“, sagte ein Sprecher der Polizei Brandenburg.

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Tatsächlich seien Versuche aus dem Clanmilieu registriert worden, sich Häuser in Brandenburg zu besorgen. „Es gibt in Brandenburg einzelne Straftaten und Bezüge zu Clan-Kriminellen und deren Umfeldpersonen. Und die kennen wir“, sagte der Sprecher. „Verfestigte Strukturen, massierte Vernetzungen und Niederlassungen im Land Brandenburg analog zur Dimension wie in Berlin sind aber nicht erkennbar. Probleme wie Berlin haben wir nicht, es gab auch keine uns bekannten Auseinandersetzungen von Clan-Angehörigen untereinander im Land.“

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In Neuruppin hatten sich 2020 Angehörige tschetschenischer Familien und ein deutsch-arabischer Clans, der mehrheitlich in Berlin lebt, heftige Kämpfe geliefert. „Wenn wir Angehörige arabischstämmiger Clans als Tatverdächtige feststellen, dann haben sie ihren Wohnsitz in Berlin“, sagte der Polizeisprecher.

Kämpfe in Fürstenwalde

Aufsehen erregten zuletzt mutmaßliche Großdealer. Acht Männer wurden im Februar in Frankfurt (Oder) und im Landkreis Oder-Spree festgenommen; gefunden wurden 55 Kilogramm Marihuana, zehn Kilogramm Kokain und 300.000 Euro Bargeld. Das von Albanern dominierte Netzwerk aus Frankfurt soll auch aus jungen Rockern bestanden haben. Einige der Männer waren in Fürstenwalde in Kämpfe mit einer libanesisch-stämmigen Großfamilie verwickelt. Im Juni wurden vier Männer des Clans zu Haftstrafen wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Immer wieder kooperieren Clan-Kriminelle mit Einzelpersonen, die nicht aus dem Milieu der deutsch-arabischen Großfamilien stammen, aber ihrer Berufe wegen für Banden interessant sein könnten. Zudem wurden Berliner Milieugrößen in den letzten Jahren zunehmend am Stadtrand und in den Vorstädten aktiv – in Marzahn-Hellersdorf, Spandau, Treptow-Köpenick sowie Kleinmachnow und Oranienburg. So eröffneten sie dort mitunter Lokale und mieteten oder kauften Wohnungen.

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