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Der BER im  ersten Ferienbetrieb, doch das Bau-Drama hat ein Nachspiel.  

© Fabian Sommer/dpa

Aufklärer für neue Strukturen: Berliner Untersuchungsausschuss für Konsequenzen aus BER-Skandal

Der Abschlussbericht des zweiten Berliner BER-Untersuchungsausschusses liegt vor. Votiert wird für weniger Manager und einen Weiterbetrieb des alten Terminals.

Das alte Schönefelder Terminal aus DDR-Zeiten vis-a-vis des Bahnhofes ist wegen der Corona-Pandemie geschlossen und verwaist. Eigentlich rechnet niemand damit, dass es je wieder aufmacht, da der neu eröffnete BER-Airport ein paar Kilometer weiter nach dem Corona-Einbruch wohl noch auf Jahre alle Passagiere abfertigen kann. 

Doch nun empfiehlt der Berliner BER-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses überraschend, doch einen dauerhaften Weiterbetrieb des alten Interflug-Terminals zu untersuchen, um mittelfristig auf den milliardenschweren Neubau eines dritten BER-Terminals verzichten zu können. Der ist bislang für die zweite Hälfte der 20er Jahre geplant, liegt derzeit allerdings wegen der Pandemie auf Eis.  

Der Weiterbetrieb des früheren SXF-Airports, der anders als der stillgelegte City-Airport Tegel damit überleben würde, ist eine der "Schlussfolgerungen und Empfehlungen" aus dem Abschlussbericht des parlamentarischen Aufklärungsgremiums.

Seit 2018 hat es den Skandal um den BER-Hauptstadtairport untersucht, der erst am 31.Oktober 2020 acht Jahre zu spät und mit Kosten von 6,8 Milliarden Euro drei Mal teurer als kalkuliert eröffnet werden konnte.

Mit der Folge, dass die Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) an den Rand der Pleite geraten ist, was nun noch durch die Corona-Krise verschärft wurde. Da das alles über ein Jahrzehnt dauerte, ist es bereits der zweite Berliner BER-Untersuchungsausschuss. Der erste Berliner Untersuchungsausschuss hatte 2016 seine Arbeit beendet

Könnte das Terminal T5 erhalten bleiben? 

Der  618-Seiten-Abschlussbericht, über den der rbb zuerst berichtet hat, liegt dem Tagesspiegel vor. "Auch sollte geprüft werden, ob das Terminal T5 (Schönefeld-alt) erhalten bleiben könnte, anstatt ein neues Terminal T3 zu bauen", heißt es darin.

Angeregt wird als Konsequenz aus dem BER-Desaster auch eine "Neuausrichtung der Flughafengesellschaft". Eines von mehreren möglichen Konzepten "könnte die Fokussierung auf den reinen Betrieb des Flughafens" sein, heißt es. "Für den Bereich der Liegenschaften der Entwicklung der Liegenschaften der Flughafengesellschaft könnte eine eigene Tochtergesellschaft gegründet werden". Also für die künftige BER-City zwischen Hauptterminal und der Autobahn. 

Mit der BER-Eröffnung war das alte SXF-Terminal zum T5 geworden.
Mit der BER-Eröffnung war das alte SXF-Terminal zum T5 geworden.

© Patrick Pleul/dpa

Der Grund: "Der Untersuchungsausschuss stellte in seiner Beweisaufnahme fest, dass die Konzepte sowie das Geschäftsmodell für die Immobilienentwicklung des Flughafens BER nur unzureichend sind." In diesem Zusammenhang sei auch "zu überlegen, ob die Anzahl der Geschäftsführer reduziert werden kann." Tatsächlich leistet sich die FBB, die nur noch den BER betreibt, aber bis 2025 mindestens weitere 2,5 Milliarden Euro der öffentlichen Hand benötigt, nach Entscheidungen der Eigner weiterhin ein dreiköpfiges Management.  

Zur Einordnung: Der nun vorliegende 618-Seiten-Bericht des U-Ausschusses, der 55 Zeugen vernahm und zehntausende Seiten Flughafenakten studierte, ist die Fassung der regierungstragenden Fraktionen SPD, Linke und Grüne. Die erwarteten Minderheitenvoten der Opposition von FDP, CDU und AfD, die dann noch angefügt sein werden, dürften weit härter und schärfer mit dem Ausmaß von Missmanagement und mangelnder Kontrolle auch nach der geplatzten Eröffnung 2012 ins Gericht gehen.

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Der finale Gesamtbericht des "BER UA II" soll auf einer Pressekonferenz am 11.August präsentiert werden, ehe das Abgeordnetenhaus dann Ende August, wenige Wochen vor der Berlin-Wahl, darüber befindet. Diese politische und zeitliche Konstellation birgt einige Brisanz. Im Kern geht es um die Tatsache, dass nach der kurzfristig gecancelten Eröffnung des BER 2012 mit weltweiten Schlagzeilen das Krisenmanagement das Debakel noch verschärfte und verlängerte.  

Rückzahlung der Steuergelder und Dividende nur noch Fernziel? 

Dass selbst der rot-rot-grüne Abschlussbericht die Verantwortlichen nicht freispricht, ist keine Überraschung. "Die Flughafengesellschaft war mit dem Bau eines solchen Großprojektes überfordert. Ihr fehlte die Bauherrenkompetenz", heißt es. Daher sei für künftige Großprojekte "nach der Standortentscheidung" eine Projektgesellschaft zu empfehlen.

Was am BER jetzt zu tun ist? Nach der baulichen Sanierung, so lautet ein Fazit von SPD, Linken und Grünen, müsse nun eine finanzielle Sanierung erfolgen. "Ziel muss sein, dass die FBB zu einem krisenfesten öffentlichen Unternehmen weiterentwickelt wird, welches kapitalmarktfähig ist und ohne Zuschüsse des Landes Berlin und anderer Gesellschafter auskommt."

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Der BER sei hauptsächlich über Gesellschafterdarlehen und Bankkredite finanziert worden, was laut Bericht zu einer "exorbitanten Verschuldung des Unternehmens" geführt hat, "deren Folgen ... noch nicht abzusehen sind." Die Eigenkapitalausstattung sei "eher gering" gewesen. 

Die Schlußfolgerung: Es sei "unerlässlich, die Flughafengesellschaft von ihrer erdrückenden Schuldenlast zu befreien." Dafür sei "ein Sanierungsfahrplan mit Teilentschuldung erforderlich, der auch vor einer Neustrukturierung des Unternehmens nicht halt macht." Eine Rückzahlung der Miliardendarlehen Berlins, Brandenburgs und des Bundes für den BER und die "Zahlung einer Dividende sollten als Fernziel erhalten bleiben", heißt es.   

BER-Privatisierung wird abgelehnt

Rot-rot-grüne Politik-Pflöcke finden sich entsprechend der Parteipositionen etwa in der Empfehlung, dass "jegliche (Teil-)Privatisierung ausgeschlossen wird": "Um die staatliche Kontrolle und den Einfluss auf dieses systemrelevante Infrastrukturprojekt zu behalten, sollte die Flughafengesellschaft sowie ihre Tochtergesellschaften zu 100 Prozent in öffentlicher Hand bleiben." 

In die gleiche Richtung geht die Empfehlung der "Gründung eines landeseigenen Bodenverkehrsdienstleisters", für die Ende 2020 bereits das Abgeordnetenhaus mit rot-rot-grüner Mehrheit votierte. Der Staatsabfertiger stünde im Wettbewerb mit zwei privaten Anbietern, die das bisher am BER abwickeln. Zudem seien  "Anreizsysteme" zu schaffen, die einen lärmarmen Betrieb und den Einsatz von alternativen, nicht fossilen Treibstoffen beim Luftverkehr fördern, und zwar über die bisherigen "Lärmentgelte" der FBB hinaus. "Dennoch empfiehlt das Abgeordnetenhaus, eine Erweiterung der Nachtruhe und die Einführung von Lärmobergrenzen - im Zusammenwirken mit dem Land Brandenburg - nach dem Vorbild des Flughafens Frankfurt am Main zu prüfen und ggf. umzusetzen." 

Eine klare Empfehlung für ein strengeres Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr für den im brandenburgischen Schönefeld gelegenen neuen Airport, was in Brandenburg der Landtag einstimmig und 106 000 Menschen in einem Volksbegehren gefordert haben, gibt der rot-rot-grüne BER-Abschlussbericht damit allerdings nicht.             

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