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Velten liegt keine zehn Kilometer von Berlin. Von der Hauptstadt will man hier trotzdem nichts wissen.

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AfD, NPD und CDU in Velten einig: Keine neuen Wohnungen und bitte keinen S-Bahn-Anschluss

In Velten bei Berlin heißt es: „Nicht jede Kleinstadt muss wachsen.“ Die CDU ist irritiert über das Abstimmungsverhalten der Parteifreunde in Brandenburg.

28 Jahre haben die Veltener im Schatten der innerdeutschen Grenze gelebt, nun wollen sie im 11.000 Einwohner Städtchen scheinbar wieder Mauern erbauen. Keine zehn Kilometer sind es zur nördlichen Berliner Stadtgrenze, täglich pendeln Hunderte Einwohner. Doch mehr sollen es bitteschön nicht werden.

Diesen Eindruck vermitteln zumindest zwei Beschlüsse, die am vergangenen Donnerstag in der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet wurden. Demnach soll es ein Moratorium für den Wohnungsbau geben, weil die Infrastruktur nicht mithalte. Und auch gegen den S-Bahn-Anschluss sprach sich die Mehrheit der Stadtverordneten aus.

„Unsere Heimatstadt darf nicht zu einer Berliner Vorstadt werden“, heißt es in der Beschlussvorlage Nummer 218. Stattdessen soll Veltens Charakter bewahrt werden. Und weiter: „Nicht jede Kleinstadt muss wachsen.“ Eingebracht hat den Antrag die Wählergemeinschaft „Pro Velten“, in der Stadtverordnetenversammlung stärkste Fraktion. Eine knappe Mehrheit bekamen die Anträge jedoch nur, weil AfD, NPD und CDU zustimmten.

CDU-Generalsekretär: "Dürfen uns nicht erpressbar machen"

Kritik an der ungewöhnlichen Koalition folgte prompt. „Ganz offensichtlich hat die Brandenburger CDU kaum Berührungsängste mit dem rechten Rand“, sagte die Landesvorsitzende der Linken, Anja Mayer. Die CDU müsse sich fragen, ob sie fähig sei, auch lokal Verantwortung für die Landesentwicklung zu nehmen.

Der Generalsekretär der Brandenburger CDU, Gordon Hoffmann, wies die Kritik zurück: „Unsere Abgrenzungsbeschlüsse bleiben gültig, wir dürfen uns aber nicht durch die AfD erpressbar machen.“ Dass AfD und NPD ihre Stimmen nicht zusätzlich zu einer Mehrheit abgegeben hätten, sondern als Zünglein an der Waage zum Mehrheitsbeschaffer wurden, ändere daran nichts.

Generalsekretär der CDU in Brandenburg: Gordon Hoffmann
Generalsekretär der CDU in Brandenburg: Gordon Hoffmann

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Die Christdemokraten könnten sich nicht bei jedem Antrag von demokratischen Parteien, den die AfD eventuell unterstützt, enthalten. Die Kritik der Linken sei „hysterisch“. „Ich gebe Brief und Siegel darauf, dass die Opposition im Landtag unseren Nachtragshaushalt geschlossen ablehnen wird – mit Stimmen der AfD und der Linken.“ Inhaltlich übt Hoffmann keine Kritik. „Ich kenne die Anträge nicht und werde mich nicht einmischen.“

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Keine Reaktion bisher auch von Brandenburgs Verkehrsminister Guido Beermann, selbst CDU-Politiker. Aus politischen Kreisen in Potsdam war jedoch zu hören, dass der Minister inhaltlich große Probleme mit dem Beschluss habe.

Kritik auch von der Berliner CDU

In der Berliner CDU sorgt das Stimmverhalten der Parteifreunde in Velten für Kopfschütteln. „Da enthält man sich“, sagte der CDU-Abgeordnete Oliver Friederici. Im Berliner Parlament würde seine Fraktion auf das Mittel eines Änderungsantrags zurückgreifen, um keine gemeinsame Sache mit der AfD zu machen.

Auch inhaltlich hat der verkehrspolitische Sprecher seiner Partei große Probleme mit dem Beschluss: „Von Abschottung halte ich nichts.“ Städte am Berliner Stadtrand wie Velten würden doch von den Pendlern leben, wundert sich Friederici. „Die S-Bahn nach Velten wird gebraucht“, sagt der CDU-Verkehrsexperte. So würden nur noch mehr Pendler auf das Auto statt die Bahn setzen und damit die Berliner Innenstadt verstopfen.

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Inhaltliche Kritik kommt derweil auch aus dem Veltener Rathaus. „Es ist schon heute klar, dass der Ruf der Stadt als verlässlicher Partner geschädigt ist“, teilte der stellvertretende Bürgermeister Berthold Zenner mit. Er befürchtet, dass durch den Beschluss der Zugriff auf Fördermittel erschwert werden könnte.

Zenner, der als Fachbereichsleiter für Stadtentwicklung für das geregelte Wachstum Veltens zuständig ist, sagt: „Als Stadt am Rande einer Metropole wie Berlin können wir uns dem Wachstum nicht entziehen.“ Gebaut werde ansonsten auch ohne Bebauungsplan, dann aber nicht gesteuert.

Die beiden Koalitionspartner der CDU in Potsdam halten sich indes mit Kritik zurück. Schon die Ereignisse in Thüringen, wo die CDU mit der Höcke-AfD den FDP-Mann Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt hatte, sorgte für Turbulenzen in der noch jungen Kenia-Koalition. Anders als vor zwei Wochen hat es nach Velten kein Treffen des Koalitionsausschusses gegeben. Es gab jedoch einige Telefonate.

Julia Schmidt, Landesvorsitzende der Grünen, sagt lediglich: „Wir werden uns nicht auf das niederträchtige Spiel der AfD einlassen, Initiativen der demokratischen Parteien durch AfD-Zustimmung unmöglich zu machen und damit parlamentarische Verfahren zu blockieren. Damit hätten sie ihr Ziel erreicht, unsere Demokratie auszuhöhlen, und das dürfen wir nicht zulassen.“

Beschluss bedroht 115-Millionen-Euro-Projekt

Einer ärgert sich am Montag jedoch mächtig. Andreas Noack, SPD-Abgeordneter im Potsdamer Landtag und langjähriger Vorsitzender des Bauausschusses im Veltener Stadtparlament. „Das, was da beschlossen wurde, widerspricht allen Planungen auf Kommunal- und Landesebene“, sagt Noack. Der Veltener hat über Jahre für eine bessere Anbindung seiner Heimatstadt gekämpft – per S-Bahn und Regionalbahn.

Ausbau geplant. Die S-Bahn nach Hennigsdorf wird verlängert bis Velten.
Ausbau geplant. Die S-Bahn nach Hennigsdorf wird verlängert bis Velten.

© VBB

Nach 15 Jahren Verhandlungen gab es im vergangenen Jahr schließlich grünes Licht für das rund 115 Millionen Euro teure Programm, das den Bau eines zweiten Gleises umfasst. Es steht nun priorisiert im Investitionsprogramm „i2030“ von Berlin und Brandenburg mit dem Verkehrsverbund und der Deutschen Bahn. „Und dann kommen da solche Dummköpfe und setzen sich über all das hinweg“, sagt Noack. Die lokale CDU habe sich auf eine „Schleimspur“ gesetzt, kritisierte er.

Auswirkungen auf die Koalition aus SPD, CDU und Grüne im Landtag habe dies für ihn aber erst einmal nicht, versichert Noack. Auf Landesebene vertraue er den Abgrenzungsbeschlüssen der Christdemokraten. In seinem Landkreis Oberhavel besorge ihn jedoch die Nähe von AfD und CDU vielerorts: „Das geht über das Schielen zueinander deutlich hinaus.“

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