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Peter Kloeppel und Pinar Atalay führten durch das erste Kanzlerkandidatinnen-Triell auf RTL und ntv.

© dpa

Die Triell-Bilanz: Drei Mal Nein zum Start, dann macht Scholz auf Merkel

Nach dem Triell sollte weder Laschet abgeschrieben werden, noch ist Baerbock aus dem Rennen. Scholz bleibt Scholz - für Laschet ist das Ergebnis eine Hypothek.

Die Eingangsfrage ist interessant, läuft aber ins Leere. Annalena Baerbock, soll sagen, warum Scholz nicht Kanzler kann. „Erstmal schönen guten Abend in die Runde“, antwortet die Grünen-Kanzlerkandidatin darauf zum Start des ersten TV-Triells am Sonntagabend bei RTL und ntv. Und betont, es gehe darum, das Land zu erneuern, klimaneutral machen, „aus der Mitte des Lebens heraus.“ Das Abwarten der großen Koalition müsse ein Ende finden.

Nächster Versuch. Olaf Scholz soll sagen, warum Armin Laschet ungeeignet sei, Angela Merkel nachzufolgen: „Ich glaube, das ist nicht der Stil, den wir in Deutschland pflegen sollten. Der oder die kann irgendwie gar nichts, das gehört sich nicht.“ Im Übrigen habe er einen klaren Plan, um das Land zukunftsfähig zu machen.

Laschet soll die Frage mit Blick auf Baerbock beantworten, will aber auch nicht. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen betont stattdessen: „Ich regiere ein großes Land mit all den Gegensätzen, die wir in Deutschland haben, städtische, ländliche Räume.“

Von der Trump-Zeit geprägte US-Journalisten, die das Triell verfolgen, sind ganz überrascht über eine so wohltuende politische Kultur, dass keiner der Drei den anderen schlechtmachen will.

Aber dann läuft sich der Kanzlerkandidat der Union warm, er kämpft im TV-Studio in Berlin-Adlershof um seine letzte Chance. Er ist unter dem Druck dramatischer Umfragen der Angriffslustigste, mitunter aggressiv, aber gut vorbereitet. Scholz piesakt er mit der Zerstrittenheit der SPD bei Rüstungsthemen, Baerbock wirft er immer wieder fehlende inhaltliche Tiefe vor: „Sie haben da jetzt ein paar Dinge in die Luft geworfen.“ Doch der Abend wird noch zeigen, dass er vielleicht schon an einem Punkt ist, wo sein Ansehen irreparabel beschädigt ist.

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Scholz mit staatsmännischer Attitüde und schwarzer Krawatte braucht deutlich länger, um hineinzufinden - macht dann aber klare Versprechen in Sachen Mehrwertsteuer und Renteneintrittsalter. Baerbock ist die erfrischendste und mit klarer Botschaft, sie stehe hier, weil sie zutiefst überzeugt sei: "Unser Land kann mehr."

Scholz' Drohnenproblem

Laschet punktet: „Ich glaube nicht, dass man mit so globalen Sprüchen so eine Frage beantworten kann“, kontert er Scholz' Bedauern über die Entwicklungen in Afghanistan. „Das ist ein Desaster.“ Mit ihm werde es so ein Hin- und Hergeschiebe zwischen den Ministerien nicht mehr gehen.

Er vermeidet aber, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu erwähnen, die nun mal die Richtlinienkompetenz hat. Laschet bekräftigt die Forderung nach einem nationalen Sicherheitsrat. „Wir müssen auch ohne die Amerikaner in der Lage zu sein, so einen Flughafen wie in Kabul zu sichern." Er erlebe bei den Sozialdemokraten, immer „nein, geht nicht, eine Drohne darf nur beobachten, aber nicht Attentäter erschießen“.

Auch Scholz habe eine Lösung des Streits um die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr verschleppt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident erwähnt den Rückzug des verteidigungspolitischen Sprechers der SPD, Fritz Felgentreu, wegen des Streits mit dem linken Parteiflügel.

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Scholz laviert: Er ist eigentlich für die Bewaffnung, aber seine Partei ist noch nicht entschieden.

Der Vizekanzler sagt, die Entwicklung und Anschaffung der Eurodrohne unter anderem mit Frankreich sei beschlossen. „Herr Scholz, Sie sollten die deutsche Öffentlichkeit jetzt nicht täuschen“, ruft ihm Laschet zu - und legt die Differenzen der Sozialdemokraten, den Widerstand des linken Flügels, geschickt offen.

Fakt ist: Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte im April der Entwicklung und Beschaffung der Eurodrohne zwar zugestimmt, aber vorerst unbewaffnet. Scholz lenkt hier geschickt ab: Die Entwicklung der Eurodrohne wird noch Jahre dauern, der Streit in der großen Koalition drehte sich vor allem um die verfügbare israelische Drohne Heron TP, die SPD ist aber bisher gegen deren Bewaffnung. Die Bundeswehr will sie vor allem zum Eigenschutz, um Angriffe auf sie unterbinden zu können.

Gerade der Kabul-Einsatz hat unterstrichen, dass robustere Einsätze auf die Bundeswehr zukommen werden, gerade wenn an mehr Verantwortung in der Welt übernehmen will. Baerbock wiederum hält Laschet vor, dass die Unions-Fraktion im Juni zusammen mit der SPD gegen den Grünen-Antrag gestimmt habe, rechtzeitig mehr Ortskräfte, die etwa für die Bundeswehr gearbeitet haben, rauszuholen.

Scholz in der Coronapolitik an Merkels Seite

„Die Kanzlerin und ich“: Olaf Scholz versucht sich mit Raute und dem Slogan „Er kann Kanzlerin“ als Erbe Angela Merkels zu inszenieren, weshalb ihn CSU-Chef Markus Söder schon als Erbschleicher tituliert. Scholz verteilt im TV-triell bei der Frage, ob er den Plan, in Zügen künftig auf 3G - Zutritt nur für Geimpfte, Genesene und Getestete zu setzen - eine kleine Spitze an Laschet.

„Der Wunsch von mir und der Kanzlerin ist...“, sagt Scholz, ähnlich wie Söder stellt er sich in der Coronapolitik an Merkels Seite, während Laschet sich des Vorwurfes eines Zick-Zack-Kurses erwehren muss. Scholz unterstützt den 3G-Plan für Züge, das sei elektronisch wie die Tickets zu kontrollieren. Laschet sagt, es gebe rechtliche Bedenken. "Seriös kann das noch keiner beantworten."

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Maskenpflicht auch im Winter: Einig sind sich alle Drei, dass es keinen weiteren Lockdown geben soll, die Maskenpflicht im Winter erhalten bleiben wird und die Impfquote unbedingt erhöht werden müsse.

„Die Wissenschaft sagt deutlich, dass wir bei über 80 Prozent sein müssen“, sagt Baerbock. Bis dahin müssten vor allem die Schulen sicher gemacht werden. Sie kritisiert Finanzminister Scholz und dass dessen Ministerium die Finanzierung von Luftfilteranlagen lange verzögert habe.

"Kinder und Jugendliche haben bei Ihnen in den letzten eineinhalb Jahren keine Priorität gehabt", sagt sie. Scholz kontert kühl und korrekt: „Die Finanzierung steht und stand schon lange.“

Baerbocks Klima-Attacke

Die Moderatoren Pinar Atalay und Peter Kloeppel wollen wissen, was die ersten Maßnahmen in Sachen Klimaschutz wären. Scholz: Die Ausbauziele für erneuerbare Energie nach oben schrauben, den Strombedarf festlegen bis 2045, allein die Chemieindustrie werde durch den klimaneutralen Umbau, unter anderem mit Wasserstofftechnologien, einen Strombedarf haben wie Deutschland heute insgesamt.

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Die Union habe das immer blockiert und verschleppt. Zudem brauche es auch für den Stromnetzausbau eine Verschlankung der Planungsverfahren. „Wir müssen alle Gesetze so ändern, dass wir rechtzeitig fertig werden.“ Mögen Sie was verbieten? „Nö.“ Er sehe das Ganze als gigantisches Industrieprojekt - Mehrbelastungen für die Bürger durch den CO2-Preis sollen sehr moderat ausfallen - aber trotz mehrfacher Nachfrage bleibt Scholz hier vage.

Wie Laschet will Scholz keine innerdeutschen Flüge abschaffen, Baerbock will sie durch den Ausbau der Bahnverbindungen überflüssig machen. Baerbock sagt zu Scholz' und Laschets Plänen: „Für mich klingt das erschreckend.“ Und betont: „Sie beide sagen, wir machen weiter wie bisher, wir machen etwas Planungsbeschleunigung.“

Es ist ihr wichtigstes Themenfeld und die Unterschiede arbeitet sie klar heraus: Sie fordert einen früheren Kohleausstieg, eine Solarpflicht für jedes Hausdach und ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos zuzulassen. Laschet hingegen sagt, es sei ein Riesenakt mit dem Kohle- und Atomausstieg, allein in NRW würden nächstes Jahr sieben Kraftwerke abgeschaltet und Mitarbeiter in Vorruhestand geschickt. Die Grünen wollten der Industrie Fesseln anlegen und sagen, dann laufen Sie mal. "Das kann man nicht mit Verordnungen und Sprüchen lösen“, warnt Laschet.

Scholz’ doppeltes Versprechen

Scholz betont bei der Steuerpolitik, er werde die Mehrwertsteuer, die aktuell bei 19 Prozent liegt, nicht anfassen. „Dreimal unterstrichen Nein“. 2005 war Angela Merkel in ihren ersten Bundestagswahlkampf mit der Forderung einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte gegangen.

Die Sozialdemokraten um Kanzler Gerhard Schröder hielten lautstark dagegen. „Merkelsteuer - das wird teuer“, lautete der Slogan. Merkel gewann die Wahl, Schröder ging in den Ruhestand und ein Jahr später – während der WM 2006 – wurde die Mehrwertsteuer sogar um drei Prozentpunkte erhöht.

Und auch ein Renteneintrittsalter 70 werde es unter ihm als Kanzler nicht geben, verspricht Scholz.

Er und Baerbock sprechen sich jedoch erneut für eine Erhöhung des Spitzensteuersatz aus, um vor allem Geringverdiener und Alleinerziehende zu entlasten. „Ich bin dafür, dass wir unser Steuersystem etwas besser austarieren“, sagt Scholz.

Baerbock attackiert Laschets Vorschlag, die Steuern zu senken. „Sie wollen Spitzenverdiener entlasten und Geringverdiener belasten.“ Der wehrt sich und nennt Steuererhöhungen „töricht“. Entscheidend sei nicht die Höhe der Steuersätze, sondern die Höhe der Steuereinnahmen. Hier unterscheide sich die Union „fundamental“ von SPD und Grünen.

Das Ende

Armin Laschet hält Scholz vor, dass er kein rot-rot-grünes Bündnis mit der Linkspartei ausschließen will, mit einer Partei, die nicht für die Evakuierungsmission in Afghanistan gestimmt hat.

„Das ist nicht Ihr Ernst Herr Scholz, Sie können hier nicht spielen wie Angela Merkel und sprechen wie Saskia Esken“.

Wie zu Beginn legt er eine offene Flanke bei Scholz offen, der dies, auch wenn er das Bündnis nicht will, mit Rücksicht auf den Linken Flügel nicht ausschließen kann – zugleich legt Scholz mit der Forderung nach klaren Bekenntnissen, etwa zur Nato, die Messlatte so hoch, dass es de facto kaum Chancen für ein Linksbündnis gibt. Scholz wiederum legt inhaltliche Schwächen Laschets, etwa beim Stand der Vorratsdatenspeicherung, offen.

Im Schlusswort wirbt Laschet mit Standhaftigkeit: „Gegenwind habe ich immer wieder gespürt, auch jetzt.“  Er stehe für Verlässlichkeit und einen inneren Kompass, aber ein klares Aufbruchssignal kann er nicht ermitteln. Zudem spricht er von einem Wind des Wandels mit ihm und der CDU - aber die hat ja 16 Jahre lange mit Angela Merkel regiert.

Baerbock punktet als Anwältin von Kindern und Familien. „Machen wir Kitas zu den schönsten Orten.“

Scholz gibt den staatstragenden, inhaltlich auf allen Feldern sattelfesten Kandidaten mit einem klaren Plan; stellt sein Thema „Respekt“, 12 Euro Mindestlohn, sichere Rente und Klimaschutz als Wachstumsmotor in den Fokus. Er ist Merkel auch an diesem Abend nicht unähnlich, lässt die Angriffe der Anderen abperlen. Aber die große Frage bleibt, wieviel Beinfreiheit er nach einem Wahlsieg bekommen würde.

Die wichtigste Erkenntnis

Differenzen und Schwächen werden im Triell deutlich, weder sollte Laschet abgeschrieben werden, noch ist Baerbock aus dem Rennen, der Dreikampf geht weiter. Eine Schnellumfrage von Forsa ergibt folgendes Bild: Scholz fanden 36 Prozent am überzeugendsten, Baerbock: 30 Prozent, Laschet nur 25 Prozent – vor Ort hatten viele einen etwas anderen Eindruck. Für Laschet besonders dramatisch: er liegt bei den Sympathiewerten weit abgeschlagen. Er ist nach dem Triell als erster schnell weg, während Baerbock, die überraschend gut abgeschnitten hat, gelöst wirkt und eine der letzten ist, die geht.

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Im VIP-Zelt ist vor allem die SPD prominent vertreten. Bei Generalsekretär Lars Klingbeil war vor dem Start deutlich die Anspannung zu spüren, musste Scholz doch hier zeigen, ob der Umfragevorsprung wirklich gerechtfertigt oder nur ein Zerrbild ist. Er hat sicher nicht seinen stärksten Auftritt hingelegt, war halt typisch Scholz.

Fast symptomatisch für den bisherigen Wahlkampf der Union ist ein hier im Zelt diskutierter Auftritt jenseits des Triells.

Im ARD "Bericht aus Berlin" war zuvor CSU-Chef Markus Söder zu Gast. Auf die Frage wer der härtere Rivale gewesen sei - Seehofer oder Laschet?, antwortete Söder: "Schäuble". Vor allem der CDU-Grande Wolfgang Schäuble war es, der am 18. April in einer Geheimsitzung im Bundestag durchsetzte, dass Laschet der Kanzlerkandidat werden müsse. Söder und seine CSU-Entourage waren im Privatjet im Glauben angereist, Söder werde die Kanzlerkandidatur angetragen.

Aber Schäuble verbindet eine lange Geschichte mit der CSU, in der CDU fürchteten viele, dass Söder dann als möglicher Kanzler die viel größere Schwesterpartei unterbuttern, der CDU-Vorstand entmachtet werden könnte. Von einer drohenden Liste Söder“, nach dem Vorbild des österreichischen Kanzlers Sebastian Kurz der die ÖVP ganz auf seine Person ausgerichtet hat, war die Rede.

Längst haben in der Union die Schuldzuweisungen begonnen, wer eine mögliche Wahlniederlage nach dem 26. September zu verantworten habe, auch an der CDU-Basis sprechen einige von einem historischen Fehler Schäubles. Ein Vertrauter von Olaf Scholz kommentierte in Adlershof Söders Aussage, die noch vor dem Triell die Runde machte, mit den Worten: „Feind, Todfeind, Parteifreund.“

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