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Musterschülerin. Anna Gasper setzte die Anweisung von Turbine-Trainer Matthias Rudolph hervorragend um. Vor ihrer Einwechslung hatte er gefordert, sie solle „einfach mal draufhalten“. Das tat sie und traf per fulminantem Fernschuss zum 1:0-Siegtreffer.

©  Jan Kuppert

Turbine Potsdam: Nach schmutzigem Sieg ist die Weste weiterhin weiß

Turbine Potsdam hat gegen den defensivstarken SC Sand seinen vierten Erfolg im vierten Spiel erkämpft, hält als Spitzenreiter der Frauenfußball-Bundesliga aber den Ball flach. Beim 1:0 gegen Sand setzte die Torschützin des goldenen Treffers eine Traineranweisung perfekt um.

Von Tobias Gutsche

Matthias Rudolph ist nicht nur Cheftrainer des Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam, sondern zugleich Lehrer am Potsdamer Humboldt-Gymnasium. Zwei Jobs, in denen es darum geht, Dinge so zu vermitteln, dass sie verstanden und anschließend richtig umgesetzt werden. Insofern konnte Anna Gasper am Sonntag als Musterschülerin gelten. In der 58. Minute des Turbine-Heimspiels gegen den SC Sand hatte Rudolph die Offensivakteurin eingewechselt und – wie sie später verriet – ihr mit auf dem Weg gegeben, Torabschlüsse zu suchen, „einfach mal draufzuhalten“.

Gesagt, getan. Sechs Minuten später kam Anna Gasper in halbrechter Position etwa 20 Meter vor dem gegnerischen Gehäuse an den Ball, drehte sich um die eigene Achse und zog ab. Die Kugel flog im Bogen über SCS-Torhüterin Carina Schlüter hinweg, touchierte noch die Unterkante der Latte, ehe das Leder im Netz zappelte. „Das hat wirklich gut geklappt“, sagte sie später über ihr „sagenhaftes Tor“ – so formulierte es Rudolph – zum 1:0 (0:0)-Erfolg der Turbinen.

Massives Bollwerk aus Sand und viele Fehler der Turbinen

Allerdings war das vor 2038 Zuschauern im Karl-Liebknecht-Stadion schon einer der ganz wenigen Höhepunkte der Partie. „Wir“, befand die im Sommer von Bayer Leverkusen an die Havel gewechselte Gasper, „haben nicht das gezeigt, was wir können.“ Das lag einerseits am Gegenüber, der es verstand, die Gastgeberinnen nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Sand verteidigte clever und leidenschaftlich. „Damit haben wir das Leben von Potsdam unheimlich schwer gemacht“, urteilte Gästetrainer Colin Bell, dessen Mannschaft an den ersten drei Spieltagen als einziges Team der Liga ohne Gegentor geblieben war. „Und auch diesmal war unsere Defensive exzellent, aber nicht perfekt. Sonst hätten wir 0:0 gespielt.“ In der Tat: Kaum ließ das Bollwerk aus Sand hochkarätige Chancen für die Brandenburgerinnen zu, war bei jenem Treffer von Gasper dann allerdings für einen Moment schlichtweg zu passiv, was prompt bestraft wurde.

Neben der großen Herausforderung, die der diszipliniert auftretende Gegner darstellte, waren es aber auch die Turbine-Kickerinnen selbst, die sich eine Menge Probleme bereiteten. Unkonzentriert wirkten sie. Fehlpässe reihten sich aneinander, hinzu kamen etliche unsaubere Ballannahmen sowie misslungene Dribblings. Durch den fahrigen Spielaufbau gelang es in der Folge zu selten, das Top-Sturmduo Tabea Kemme/Svenja Huth – zusammen haben beide in dieser Saison bereits sieben Treffer erzielt – aussichtsreich in Szene zu setzen.

Bell: "Potsdam hat bestes Spiel der Liga - homogen und durchdacht"

Eigene Möglichkeiten auf einen Treffer blieben zwar Mangelware, doch für den SC Sand galt das ebenso. Abgesehen von der Anfangsphase, in der die Potsdamer Abwehr drei gefährliche Abschlüsse zuließ, wurde hinten dicht gemacht. „Das lag daran, dass wir mit zunehmender Spielzeit die Zweikämpfe immer besser angenommen haben“, erklärte Anna Gasper. Ihr Team bekam so die Kontrolle über das Match. Und dank des Sonntagsschusses der Einwechselspielerin auch die drei Punkte. Ob der Sieg angesichts des mühseligen Zustandekommens ein schmutziger gewesen sei, wie es so schön heißt? „Das kann man so sagen“, erwiderte die 19-Jährige: „Aber es ist ja auch ein ganz gutes Zeichen, wenn man solche Duelle, in denen man spielerisch nicht überzeugen kann, dann am Ende trotzdem gewinnt.“ Für gewöhnlich wird diese Fähigkeit absoluten Top-Mannschaften zugeschrieben. In den Augen von Sand-Coach Colin Bell verdient sich Turbine momentan diesen Status. Er lobte: „Ich finde, Potsdam hat das beste Spiel in der Liga. Es ist sehr homogen und durchdacht.“

Der kreative Kopf dahinter ist Matthias Rudolph, der zugab, dass ein Start mit vier Siegen aus vier Spielen vorab „keiner bei uns“ erwartet habe und nun „stolz“ mache. Rudolph ist es hierbei aber wichtig, weiterhin den Ball flach zu halten. Schließlich ist eine Tabellenführung mit weißer Weste nach nicht einmal einem Viertel der Saison kein Grund, in Ekstase zu verfallen. Daher möchte er auch am Jahresplan – von Spiel zu Spiel denken zu wollen – konsequent festhalten und sich nicht etwa vom Umfeld zum Ausruf konkreter, hoher Ziele ermutigen lassen. Bislang läuft es mit der eingeschlagenen Marschroute ja auch gut. „Und wir hoffen natürlich“, sagte er grinsend, „dass es so weitergeht.“ Also wenn die Anweisungen von ihm, dem Cheftrainer und Lehrer, so hervorragend umgesetzt werden wie durch Anna Gasper am Sonntag gegen Sand, dann stehen die Chance bestimmt nicht schlecht, dass noch einige Potsdamer Positiverlebnisse folgen werden.

Turbine: Schmitz – Schmidt, Wesely, Elsig (83. Prasnikar), Meister – Aigbogun (58. Gasper), Zadrazil, Kellond-Knight (58. Draws), Lindner – Huth, Kemme

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