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Nicht zum Hinsehen. Turbines Trainerkollektiv – Chef Bernd Schröder in der Mitte, umrahmt von seinen Assistenten Dirk Heinrichs (l.) und Matthias Rudolph – sitzt fassungslos an der Seitenlinie.

© M. Thomas

Turbine Potsdam in der Krise: Ein Spitzenteam?

Frauenfußball-Bundesligist Turbine Potsdam verliert 0:2 gegen den SC Sand und erlebt dadurch einen historischen Tiefpunkt der Klubgeschichte. Der Verein ist so erfolglos wie noch nie.

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Was gab es im Karl-Liebknecht-Stadion schon für großartige Frauenfußball-Momente zu erleben. Turbine Potsdam fuhr sensationelle Siege ein, holte Titel. Auf nationaler und internationaler Bühne. Doch dieser Glanz vergangener Tage blättert immer mehr ab. Am Sonntag hat der Klub aus der brandenburgischen Landeshauptstadt nun einen historischen Tiefpunkt erreicht. Aufgrund der 0:2 (0:0)-Heimniederlage gegen den SC Sand stehen zum Saisonstart nur drei von möglichen zwölf Punkten auf dem Konto. Platz zehn in der Tabelle. Neun Zähler hinter den als Ziel ausgegebenen Rängen eins und zwei. Um den eigenen Ansprüchen noch gerecht zu werden, bedarf es in den verbleibenden 18 Saisonspielen einer phänomenalen Aufholjagd. Andernfalls muss es heißen: Es war einmal ein Spitzenteam.

Nach dem Abpfiff um kurz vor 13 Uhr hielt Turbines Präsident Rolf Kutzmutz gestern erst einmal konsterniert inne. Sein starrer Blick fixierte den Rasen, auf dem die Heimmannschaft zuvor eine erschütternd schlechte Vorstellung abgeliefert hatte. Die ersten Worte, die Kutzmutz dann wieder fand, waren drastische. „Wir sind am Boden. Es fühlt sich an wie eine Zerstörung“, erklärte er im Hinblick auf die derzeitige sportliche Lage. Sie ist so schlecht wie zuletzt vor 20 Jahren. In den Spielzeiten 1994/95 und 1995/96 – es waren die ersten beiden für die Potsdamerinnen in der damals noch zweigleisigen Bundesliga – hatte Turbine nach vier Ligapartien jeweils auch nur drei Punkte aus vier Ligapartien geholt.

Eine Trainerdiskussion gibt es bei Turbine nicht

In Zeiten eines solchen Dilemmas greifen im Fußballgeschäft für gewöhnlich die bekannten Automatismen, die vor allem die Arbeit des Trainers infrage stellen. Nicht so bei Turbine. „Das wird es bei uns nicht geben“, wiegelte Kutzmutz ab und machte unmissverständlich klar, dass das Krisenmanagement keinesfalls auf Kosten des seit fast 45 Jahren für den Verein tätigen Bernd Schröder erfolgen wird. „Stattdessen müssen wir an die Spielerinnen appellieren. Sie müssen jetzt ihre Qualität auf den Platz bringen.“

Genau darin, die Leistungsfähigkeit aus dem Kader herauszukitzeln, besteht schlussendlich die Aufgabe des am Luftschiffhafen breit aufgestellten Trainerkollektivs. Der Chef dieser Riege, der 73 Jahre alte Bernd Schröder, war nach der Partie gegen Sand der Meinung, „dass wir gut mit den Spielerinnen im Training arbeiten“. Daher sei so ein „blutleerer Auftritt auch nicht zu erklären“. Ansätze für eine Problemanalyse ließen sich am Sonntag vor 1960 Zuschauern jedoch einige erkennen. Im taktischen Bereich etwa erteilte die SCS-Mannschaft von Trainer Alex Fischinger dem sechsfachen deutschen Meister eine Lehrstunde. Defensiv agierte Sand als kompakte Einheit, unterband viele Angriffe der Potsdamerinnen. Wenn die dann doch mal gefährlich durchkamen, offenbarte sich ihre eklatante Abschlussschwäche. Oder wie es Präsident Kutzmutz formulierte: „Wir hätten noch vier Stunden weiterspielen können und hätten nicht getroffen.“ Der Gegner tat dies in 90 Minuten hingegen zweimal. Erst war Chioma Nisa Igwe (47.) aus Nahdistanz zur Stelle, dann netzte Isabelle Meyer (65.) per fulminantem Distanzschuss ein. Schnell und direkt kombinierten sich die Gäste immer wieder vor den Turbine-Kasten. Das Spiel hatte Struktur, die man beim Gastgeber vergeblich suchte.

In der kommenden Partie geht es zum Kellerduell nach Leverkusen

Und auch hinsichtlich der Athletik – einst Turbines großes Plus – präsentierte sich das Team aus Baden-Württemberg deutlich besser. Jede Aktion wirkte dynamisch, während Potsdams Kickerinnen über das Grün liefen, als hätten sie Bleiwesten statt Trikots übergezogen. Wie die Elf des nicht zur Diskussion stehenden Trainers Bernd Schröder mit der nunmehr enorm angewachsenen mentalen Last umgeht, wird das kommende Bundesligaspiel am Samstag zeigen. Dann gastiert sie bei Bayer Leverkusen. Der Tabellenvorletzte trifft auf den -drittletzten. Ein Kellerduell. Nichts, aber auch wirklich gar nichts ist für Turbine Potsdam ungewohnter als das.

Turbine: Schmitz – Siwinska (68. Rauch), Draws, Kulis – Schmidt, Kemme, Kellond-Knight (68. Makanza), Wälti – Hanebeck – Huth, Mauro. Tore: 0:1 Igwe (47.), 0:2 Meyer (65.)

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