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SV Babelsberg 03 und die anderen Vereine: Das Überleben der anderen

700 000 Euro für den SVB sorgen hier für Aufatmen – dort für Kopfschütteln. Wie es bei den kleinen Vereinen der Stadt ankommt, wenn einem großen mit Steuermitteln geholfen wird.

Sie heißen „Kniebeuge“, „Goldfinger“ oder „Regenkinder“ und sind die kleinen Vereine der Stadt. Sie tragen den Namen ihres Kiezes im Vereinstitel und sind umgekehrt das sportliche Attribut der Waldstadt, des Schlaatz’ oder Zentrum Ost. Rund 160 Sportvereine listet das Register des Stadtsportbundes auf: Ob Kegelfreunde, Taucher oder Cheerleader – sie machen Potsdam genauso zur Sportstadt wie die auf nationalem und internationalem Parkett wetteifernden Vereine wie der FFC Turbine, der VfL, der SC Potsdam – oder eben der SV Babelsberg 03.

Dessen Identifikationskraft im Besonderen und die des Fußballs im Allgemeinen ist es geschuldet, dass die Kunde von drohender Insolvenz und drohendem Zwangsabstieg eine Welle der Enttäuschung, Wut, aber auch Solidarität auslöste. Wo Tradition, Identifikationspotenzial und sportlicher Erfolg – das ist der Klassenerhalt des Drittligisten ohne Zweifel – zusammenkommen, entsteht eine Bühne für verschiedene Interessengruppen: Fans, Sponsoren, ehrenamtliche und bezahlte Funktionäre – aber auch für Trittbrettfahrer, Glücksritter, Selbstverwirklicher. Für Letztere wird der Sport zur ganz eigenen Spielwiese, ohne die Mechanismen des Sports als gesamtgesellschaftliches Anliegen zu beachten. Gut gegangen ist das noch nie – das Klagelied, das jetzt in Babelsberg zu vernehmen ist, hat eine weit bekannte Melodie.

Die Rettung eines Vereins wie Babelsberg 03, der sich aufgrund seines Missverhältnisses zwischen ehrlichem Sport und Fanarbeit einerseits und zumindest fragwürdiger Geschäfts- und Förderpolitik andererseits zwischen zwei Polen bewegt, gerät zwangsläufig zum Drahtseilakt. 700 000 Euro will die Stadt den Nulldreiern zur Rettung aufs Vereinskonto überweisen. Was Anhänger, Freunde und Sympathisanten etwas aufatmen und vielleicht applaudieren lässt, sorgt bei anderen Vereinen für Kopfschütteln und Unverständnis. Etwa bei Christoph Jahn vom Volleyballclub Potsdam-Waldstadt: „Mir kommt die Galle hoch“, wettert der Trainer und nennt die städtische Finanzspritze für Nulldrei „ungehörig“ und eine „Verleumdung“ anderer Potsdamer Sportvereine. Auch sein erstes Männerteam hätte im Vorjahr finanzielle Hilfe gebrauchen können, als es sportlich den Aufstieg in die 2. Bundesliga schaffte. „25 000 Euro hätten gereicht“, sagt er, räumt aber ein, dass sein Verein nicht nur wegen Geldmangels weiterhin in der Regionalliga spielt.

Ganz kleine Vereine wie der „Systema Ost“ scheinen ohnehin nicht von einer Förderung im großen Stil zu träumen. Vielmehr fügten sich „glückliche Umstände und Kontakte“, dass die 35 Kampfsportler eine Sporthalle der Universität sowie eine städtische Schulturnhalle nutzen können. „Man muss sich halt kümmern“, sagt Vereinschef Sebastian Handke.

Doch braucht es dafür oft einen langen Atem. Seit fünf Jahren bemüht sich der SV Concordia Nowawes um den Neubau eines Fußballplatzes am Babelsberger Park für seine 6- bis 13-jährigen Kicker. Es bedurfte erst des basisdemokratischen Instruments eines Bürgerhaushalts, bei dem das Projekt auf dem ersten Platz landete und das die Stadtoberen nun über Umsetzung und Finanzierung nachdenken lässt.

Auch in Potsdam-West reibt sich die Initiative „Westkurve“ verwundert die Augen, wie schnell die Stadtpolitik 700 000 Euro für einen Fußballverein übrig hat. In dem Kiez versucht die „Westkurve“ seit 2007, eine Sport- und Freizeitfläche in der Hans-Sachs-Straße neu zu gestalten. Lösungsbereitschaft der Stadt konnte Initiativen-Sprecher André Falk bislang nicht erkennen: „Es gibt nur ein eigenwilliges Nein. Von einem offenen und gut moderiertem Prozess kann nicht die Rede sein.“

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