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Kommen und gehen. Viktoria-Spieler hatten die Wahl, den insolventen Verein zu verlassen oder zu bleiben. 

© Sebastian Wells

SV Babelsberg 03 gegen FC Viktoria 1889 Berlin: Spiel des Geldes

Mit dem FC Viktoria 1889 Berlin empfängt der SV Babelsberg 03 einen Gegner, der seine Aufstiegspläne teuer bezahlt hat. Zwielichtige Geschäfte, unseriöse Partnerschaften und maßloses Überschätzen der eigenen Verhältnisse sind Probleme in der Regionalliga.

Potsdam - Berlins dritte Fußballkraft? Vor einigen Monaten setzte der FC Viktoria 1889 hinter diese Frage ein dickes Ausrufezeichen. Die ganz großen Jahre liegen zwar mehr als ein Jahrhundert zurück – 1908 und 1911 wurde der Verein Deutscher Meister. Jetzt hinter Hertha BSC und Union Berlin Profifußball in der Hauptstadt zu spielen, formulierten die Hellblauen aus Lichterfelde bis vor Kurzem noch als Anspruch. Den dafür notwendigen Aufstieg in die dritte Liga wollte Viktoria mit Hilfe eines Geldgebers aus China schaffen. Die im vergangenen Sommer begonnene Liaison hielt jedoch keine Hinrunde lang. Der vermeintliche Gönner Alex Zheng ist ins Land des Lächelns verschwunden, am Ostpreußendamm in Lichterfelde wischen sie sich die letzten Tränen aus den Augen.

Der Traditionsklub, der mit den Verheißungen aus Fernost bereits auf Shoppingtour gegangenen war und einstige Profi-Fußballer – mit entsprechenden Gehaltswünschen – verpflichtet hatte, konnte das Geld nicht mehr aufbringen, als Zheng plötzlich abtauchte. Viktoria musste Insolvenz anmelden, bekam neun Punkte im laufenden Spielbetrieb abgezogen und kommt am Freitag statt heißer Aufstiegskandidat als Tabellenneunter zum Punktspiel gegen den SV Babelsberg 03 ins Karl-Liebknecht-Stadion (Beginn: 19 Uhr).

"Das verzerrt den Wettbewerb", ärgert sich SVB-Trainer Civa

Es sind zwielichtige Geschäfte, unseriöse Partnerschaften und maßloses Überschätzen der eigenen Verhältnisse, die die Regionalliga Nordost beeinflussen. „Das verzerrt den Wettbewerb“, ärgert sich SVB-Trainer Almedin Civa schon seit Monaten. Beispiel Rot-Weiß Erfurt: Der insolvente Drittliga-Absteiger aus Thüringen ging trotz aller finanzieller Engpässe mit einem derart hohen Etat für einen teuren Kader in die Saison, der den Traditionsklub in steter Regelmäßigkeit in Existenznot bringt. „Rot-Weiß endgültig vor dem Aus!“ oder „Rot-Weiß droht Zwangsabstieg!“ sind sich wiederholende Schlagzeilen in den Thüringer Medien. Kurzfristige Rettungsaktionen bewahrten Erfurt bislang vor dem Exodus.

Auch beim insolventen Chemnitzer FC schreiben die lokalen Medien in Sachsen von ständig „neuen Geldsorgen“. Die Idee von Insolvenzverwalter Klaus Siemon, die Stadt Chemnitz möge den Verein doch mit einer Dreiviertel Million Euro unterstützen, weil der FC unter anderem als „Bollwerk gegen Rechtsextremismus“ ein Werbeträger sei, hat die Kommune abgelehnt – und erscheint inzwischen mehr als gewagt, nachdem vor wenigen Wochen im Stadion an der Gellertstraße einem stadtbekannten Neonazi gehuldigt wurde. Mitte der Saison waren es es 500.000 Euro in Erfurt und 750.000 Euro in Chemnitz, die im laufenden Etat fehlten.

„Krank, wie viel auch schon in der Regionalliga ausgegeben wird“

Musterbeispiel für das Wettrüsten in der vierten Liga ist Wacker Nordhausen. Ende 2010 hatte der Klub aus dem Süd-Harz einen Marktwert von 225 000 Euro. Heute ist es das Zwölffache und Spitzenwert im nordostdeutschen Fußball. Mit Hilfe der milliardenschweren Knauf-Gruppe, weltweit agierender Gips- und Baustoffhändler, rüstet Wacker jedes Jahr zum Angriff auf die dritte Liga. Klappen wird das auch in diesem Jahr nicht.

„Es ist doch krank, wie viel auch schon in der Regionalliga ausgegeben wird“, schüttelte Ingo Kahlisch, seit Jahrzehnten Trainer-Eminenz bei Optik Rathenow zu Saisonbeginn den Kopf. Mit einem Marktwert von einer Million Euro ist das Tabellenschlusslicht der Nordost-Regionalliga auch Letzter in diesem Ranking. Der SV Babelsberg 03 hält da ebenso bei weitem nicht mit. Seit dem Drittliga-Abstieg 2013 bewegt sich der Kiezklub beim Wert der Spieler, die er sich leisten kann, auf nahezu gleichem Niveau – aktuell bei 1,7 Millionen Euro.

Teure Sommertransfers von Viktoria schon längst nicht mehr da

Als Viktoria Berlin in seiner durch die chinesischen Investorengruppe Advantage Sports Union Limited animierten Shoppinglaune für die aktuelle Saison reichlich Sommertransfers tätigte, kaufte der Verein Spieler mit einem Marktwert von 2,13 Millionen Euro ein – der teuerste war Ex-Bundesliga-Profi Jürgen Gjasula. Wie andere ist er längst wieder weg.

Zurück bleibt eine Portion „nötiger Demut“, wie Viktoria-Trainer Jörg Goslar jüngst in einem Interview sagte. Und die Rückbesinnung auf „Erfolgsfaktoren“, die seiner Meinung nach eine Spitzenmannschaft in der Regionalliga ausmachen: „Strategie, Identität, Kommunikation und Kontinuität.“ Das sei die Basis. Für einen Aufstieg, etwa zur Nummer drei des Berliner Fußballs, wird das nicht reichen. Um Leistungsträger zu halten, das weiß Goslar nur zu gut, ist auch in der vierten Liga viel Geld nötig. Und da beginnt das ganze Spiel von vorn.

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