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Coach Almedin Civa verlässt den SV Babelsberg 03 im kommenden Jahr.

© Manfred Thomas

SV Babelsberg 03: Dämmerstimmung im Kiez

Beim SV Babelsberg 03 verabschieden sich wichtige Akteure, die dritte Liga ist nicht in Sicht und immer wieder tauchen finanzielle Probleme auf. Was steckt dahinter?

Potsdam - Der SV Babelsberg 03 segelt weiterhin auf hoher See. Finanziell ist der Fußball-Regionalligist längst nicht in sicherem Fahrwasser. Die alte Führungscrew geht von Bord, sportlich ist die dritte Liga nicht in Sicht. Ab Sommer 2019 soll ein neuer Vorstand die blauweißen Segel setzen und den Kurs bestimmen. Das ist die aktuelle Situation beim Kiezklub. Die Taktdichte, in der zuletzt Trainer Almedin Civa und Geschäftsstellenleiter Björn Laars ihren Abschied ankündigten, Steve Müller, das Schaltwerk des Vereins, ebenso wie Kai Pallasch, seinen Vorstandsposten geräumt hat, verursacht Sorgenfalten. Untergangsstimmung bei Nulldrei? Mal wieder?

Rückblick soll helfen, die Abschiede zu erklären

„Es ist kein Krisentreffen“, beruhigte Vorstandsmitglied Christian Lippold gleich zu Beginn, als sich am Montagabend gut 80 Mitglieder und Fans des Vereins im Stadion-VIP-Raum versammelten. Zum Info-Abend hatte die SVB-Führungsriege geladen, um deutlich zu machen, was in den vergangenen Jahren geleistet wurde. Ein Rückblick, der helfen sollte, die Demissionen und angekündigten Abschiede zu erklären. Mit etwas Gespür und Wissen um die Vergangenheit sollte es gar nicht so schwierig sein, die Gegenwart zu verstehen. Die Kurzfassung: Zerstrittene Gremien, ein gestörtes Verhältnis zu den Fans und rund fünf Millionen Euro Schulden haben die Vorgänger vor fünf Jahren den heutigen Akteuren vererbt. „Eigentlich hätten wir das Licht ausmachen müssen“, sagt Nulldrei-Präsident Archibald Horlitz.

Archibald Horlitz, Präsident des SV Babelsberg 03, schilderte nun die Gründe für die derzeitige Situation beim Kiez-Club.
Archibald Horlitz, Präsident des SV Babelsberg 03, schilderte nun die Gründe für die derzeitige Situation beim Kiez-Club.

© P. Könnicke

Aber sie entschieden sich für den steinigen Weg, um die Insolvenz zu vermeiden. Und der wurde länger als gedacht. „Dafür sind wir an die Grenzen gegangen, oft zu Lasten des Privatlebens“, so Horlitz. „Mit Ehrenamt oder einem geregelten Berufsalltag hatte das nichts zu tun.“ Deshalb sei es verständlich, wenn die Kräfte aufgebraucht sind. „Der Verein muss sich personell neu aufstellen.“ Nach Jahren der Trümmer- und Aufbauarbeit braucht es neue Köpfe und Ideen, um den Verein weiterzuentwickeln.

Der blauweiße Kahn ist vorm Untergang gerettet

Die verbliebene Crew von Aufsichtsrat und Vorstand befindet sich auf der Zielgeraden ihrer Amtszeit. Sie geht im kommenden Frühsommer zu Ende. Der blauweiße Kahn ist vorm Untergang gerettet, sehr gutes Navigationsgeschick ist von der neuen Besatzung aber weiterhin gefragt. „Wir kämpfen immer noch in jeder Saison um die schwarze Null“, sagt Horlitz. In jede neue Spielzeit startet der SVB mit einem Fehlbetrag zwischen 150.000 und 180.000 Euro. Es ist kein Vergleich zu den Schulden und Defiziten, mit denen seine Mannschaft vor vier Jahren zu kämpfen hatte – rund fünf Millionen Euro an Verbindlichkeiten standen da unter dem Strich. Aber auch, wenn die finanzielle Lücke im Etat kleiner geworden ist, führt sie zu regelmäßigen Engpässen bei der Liquidität. „Es ist eine kurz-, mittel- und langfristige Knochenarbeit, Geld reinzuholen“, beschreibt Aufsichtsratsmitglied Uwe Schilde die nahezu täglichen Geldbeschaffungsmaßnahmen. Bleiben die Zuschauer weg, fliegt der SVB frühzeitig aus dem Pokal, halten sich Sponsoren zurück, herrscht Abenddämmerung im Kiez.

Es liege an den „fehlenden sportlichen Perspektiven“, meint ein älterer Fan. Immer nur Regionalliga, das treibe die Fans aus dem Stadion. Das seit Jahren in Babelsberg geleistete – dem schmalen Budget geschuldeten – Engagement, junge Talente zu verpflichten und zu entwickeln oder bei anderen Klubs ausrangierte Spieler wieder aufzubauen, wird offenbar verkannt oder findet keine Wertschätzung. Oder es ist ermüdend, wie Horlitz durchaus ein- und es Trainer Civa zugesteht. Wenn nach jeder Saison das Murmeltier grüße, weil die Hälfte des Kaders geht und genauso viel neue Spieler kommen, verlange es schon viel an Leidenschaft und Idealismus, diesen Neubeginn jedes Jahr aufs Neue mitzumachen. „Diese Stagnation zerrt an den Nerven“, gibt Horlitz zu. Doch Besserung ist nicht in Sicht. Zwar sei die „absolute Insolvenzgefahr“ weg und die Hoffnung gegeben, in die kommende Saison mit einem ausgeglichenen Etat zu starten. „Aber das Budget für die erste Mannschaft wird nicht ausreichen, um ernsthaft die dritte Liga anzugehen“, machte Horlitz jegliche Illusion zunichte.

Dem SVB gelang es nicht, sich wirtschaftlich stärker aufzustellen

Nach dem finalen Schuldenschnitt mit der Deutschen Kreditbank im vergangenen Jahr ist es dem SVB bislang nicht gelungen, sich wirtschaftlich stärker aufzustellen.

Die Gründe sind zum Teil hausgemacht. Die überraschende Kürzung des Sponsorings des städtischen Energieversorgers EWP, die im vergangenen Jahr neben dem SVB auch andere Potsdamer Vereine traf, schlug ein klaffendes Loch in den Etat. Das unwürdige Verhalten einiger Fans während des Landespokal-Finales im vergangenen Mai hat am mühsam polierten Vereinsimage tiefe Kratzer hinterlassen, sodass ebenso mühsam gewonnenes Sponsoreninteresse wieder gedämpft wurde. „Keiner gibt Geld, um damit Verbandsstrafen zu bezahlen“, so Horlitz. Die eigenen Netzwerke waren stark genug, um den gekürzten EWP-Betrag zu kompensieren: Lonsdale wurde stolzer Brustsponsor des Regionalligisten. Aber die Netzwerke waren bislang zu schwach, um neben den vielen kleinen und mittleren Förderern weitere größere Partner an den Verein zu binden.

Nulldrei muss seine Identifikation wahren und neu definieren

Der SV Babelsberg 03 ist ein Verein mit Tradition, ein Kiezklub wie es nur noch wenige gibt. Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels will er seine Identifikation wahren, zum anderen muss er sie neu definieren. Jene, die versucht haben, den Klub zu kommerzialisieren, sind vom Hof gejagt worden –nicht ohne Scherben zu hinterlassen. Nach wie vor betont Horlitz als Grundsatz: „Der SVB wird kein Kommerzklub.“ Aber er verbreitert seine Basis, schafft mit Volleyball, Frauenfußball, eSport, Rollerderby und Schach Angebote für den Freizeitsport, um sich mit der Bevölkerung zu verankern. In den vergangenen Jahren hat der SVB seine Mitgliederzahl auf 1350 nahezu verdoppelt.

Und der Klub wird weiter gesellschaftspolitisch Haltung zeigen – ein blauweißes Grundverständnis. Seine bundesweit beachtete und unterstützte Kampagne „Nazis raus aus den Stadien“ will der SVB weiter leben und mit neuen Initiativen und Inhalten deutschlandweit ausbauen. Und der SVB will sich als Verein entwickeln, der für zeitgemäße Belange des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit neue, innovative und alternative Wege geht. Die energetische Sanierung des „KarLi“ zum „Grünen Stadion“, das sich mit Solarstrom selbst versorgt, soll erst der Anfang sein. „Wir können und wollen als Sportverein Vorbild sein, Umweltschutz und Nachhaltigkeit als Markenkern zu stärken und in diesem Kontext neue Partner gewinnen“, heißt es seitens der Vereinsführung.

Um sich für die Zukunft personell stärker aufzustellen, wird derzeit die Satzung des Vereins reformiert. Der Aufsichtsrat soll für seine Kontrollfunktion gestärkt, der geschäftsführende Vorstand aus haupt- und ehrenamtlichen Mitgliedern gebildet werden. „Im Vorstand sollen entscheidende und handelnde unter einem Dach sein, um Haftung und Verantwortung auch bei den tatsächlich ausführenden Personen zu haben“, so Christian Lippold, der mit Ende der Legislaturperiode seine Vorstandsarbeit aufgeben wird, sich aber eine Arbeit im Aufsichtsrat vorstellen kann. Auch Horlitz erwägt diesen Gremienwechsel. Er würde sich aber weiterhin der Verantwortung als Vereinschef stellen, falls dies gewünscht ist und sich bis zur Morgendämmerung kein geeigneter Nachfolger findet.

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