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Klares Ziel. Christian Diener will ein zweites Mal zu Olympia.

© Michael Kappeler/dpa

Sorgen im Potsdamer Schwimmsport: Per Vorkasse Richtung Tokio

Potsdam soll auch 2020 wieder bei Olympia im Schwimmen vertreten sein, doch die Förderung stockt. Das Aushängeschild Christian Diener nutzt derweil die "Champions League" zum Formaufbau.

Von Tobias Gutsche

Christian Diener fühlt sich wohl im Kreise der Weltelite. „Es ist ein saugeiler Wettkampf und macht riesig Spaß“, schwärmt der Rückenspezialist des Potsdamer SV im OSC (PSV) über die International Swimming League (ISL). Bei zwei Stationen der neu eingeführten und privat organisierten „Champions League“ des Schwimmsports war Diener bereits am Start. In Texas und in Budapest – beide Male steuerte er mit guten Einzelleistungen dazu bei, dass seine Mannschaft „London Roar“ den Tagessieg holte und so schon vorzeitig für das große Finale qualifiziert ist. Dieses steigt am Wochenende vor Weihnachten in Las Vegas.

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Dieners Trainer Jörg Hoffmann freut sich darüber, dass sein Schützling die Chance bekommt, sich in der ISL zu beweisen. Bei den bisherigen Events und auch einer gemeinsamen Team-Trainingswoche habe er auf höchstem Niveau von Spitzenleuten wie seinem Mannschaftskapitän – dem britischen Superstar Adam Peaty – lernen dürfen. Und das zum Nulltarif. Die ISL-Teilnahme ist nämlich auch insofern attraktiv, weil den Aktiven nicht nur Erfolgsprämien winken, sondern ihnen auch alle Kosten abgenommen werden.

Trainer Jörg Hoffmann bezeichnet die Situation als "grotesk"

Im leistungssportlichen Alltag sieht es für das Gespann Diener/Hoffmann ganz anders aus. „Es fehlen uns wichtige Zusagen für die Finanzierung von Trainingslager- und Wettkampfreisen“, sagt der Potsdamer Bundesstützpunkttrainer im Rahmen eines Pressetermins, bei dem das Sponsoring der Mittelbrandenburgischen Sparkasse für den PSV offiziell fortgesetzt wurde. Damit fließt Geld, das die Spitzenriege des Klubs ein wenig über Wasser hält. Doch mehr sei nötig, so Hoffmann. Vor allem von den eigentlich zentralen Financiers. Der Deutsche Schwimm-Verband, der chronisch wegen Reibereien zerrüttet ist und dessen Präsidentenamt derzeit unbesetzt brachliegt, hat laut Hoffmann noch keine aktuelle Kostenbeteiligung für die Top-Gruppe vom Luftschiffhafen bescheinigt. Gleiches gelte für das Land Brandenburg, dessen Regierung gerade im Umbruch steckt. „Es gibt Signale: Ja, ihr kriegt etwas. Aber wir haben nichts in der Hand“, berichtet der Coach.

Und solch eine Planungsunsicherheit ausgerechnet jetzt. In dieser Saison, die mit den Olympischen Spielen in Tokio den Höhepunkt von vier Jahren erreicht. Der Zustand sei „grotesk“, findet Hoffmann. Andere Nationen wüssten am Anfang eines Olympiazykluses, was sie für den kompletten Zeitraum zur Verfügung haben – und hierzulande sei nicht einmal neun Monate vor dem Beginn der Spiele etwas gewiss. „Wir sind wie die Amateure unter den Amateuren, die da bei den Profis mit an den Start gehen“, sagt er.

Olympianorm muss zwischen Januar und Anfang Mai erfüllt werden

Christian Diener ist Potsdams größte Schwimmhoffnung für Tokio. 2016 in Rio überzeugte er mit Platz sieben über 200 Meter Rücken. Damit es der zweifache EM-Medaillengewinner nun wieder zu Olympia schafft, muss er im Qualifikationszeitraum von Januar bis Anfang Mai die Norm knacken. 1:57,00 Minute lautet sie auf der 200-Meter-Distanz, was Hoffmann eine „lösbare Aufgabe“ nennt. Auch die Qualifikation über die 4x100-Meter-Lagen-Staffel ist möglich.

Voraussetzung, um das Ticket zu lösen, ist hartes, hochwertiges Training. Zwei entsprechende Trainingslager im Ausland plant Hoffmann für seine Spitzenleute im nächsten Jahr. Buchen musste er diese bereits jetzt – ohne Förderung. „Ich habe gerade erst wieder 5000 Euro aus eigener Tasche dafür vorgeschossen. So sieht heute unser Leistungssportsystem aus.“ Per Vorkasse Richtung Olympia.

Mehrere Hoffnungsträger für Paris 2024

Neben Diener sieht Hoffmann an seinem Bundesstützpunkt ansonsten nur noch Melvin Imoudu als Tokio-Kandidaten. Der Brustschwimmer hatte 2018 mit Doppelgold bei den Deutschen Meisterschaften überrascht, aber erreicht noch nicht das notwendige Niveau für internationale Einsätze. Imoudu stecke in der Anpassung an stärkere Trainingsreize und Technikumstellungen. „Im Moment schwimmt er mehr rückwärts als vorwärts. Da überlegst du manchmal, ob du ihm das Seepferdchen wieder von der Badehose reißt“, scherzt Hoffmann. „Aber das ist eine normale Reaktion.“ Dem 20-jährigen Imoudu sowie den noch jüngeren Chiara Klein, Hannah Küchler, Ole Mats Eidam, Anton Zeno Rauch und Aaron Leupold attestiert er das Potenzial für Paris 2024. „Wir sind im Nachwuchs wieder ganz gut aufgestellt“, zeigt sich der Cheftrainer optimistisch.

Denselben Optimismus hegt er trotz Finanzsorgen für die aktuelle Olympiamission mit Christian Diener. Jener soll sich schließlich nicht nur im neuen Ligabetrieb mit der Weltelite messen, sondern auch erneut beim alles überstrahlenden Sportspektakel unter den fünf Ringen.

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