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Bianca Schmidt (M.) und Lara Prasnikar (r.) ließen Turbine mit ihren je zwei Toren jubeln.

© Jan Kuppert

Sieg in der letzten Schlacht: Turbine Potsdam gewinnt spektakulär gegen den 1. FFC Frankfurt

Bevor der 1. FFC Frankfurt mit Männer-Bundesligist Eintracht Frankfurt fusioniert, kam es nochmal zum Klassiker des deutschen Frauenfußball bei Turbine Potsdam. Die Partie war ein Spiegelbild der langjährigen Rivalität beider Clubs. 

Im Moment des größten Jubels blieb Bianca Schmidt allein. Als ihre Mannschaftskollegen von Turbine Potsdam nach dem Siegtreffer zum 4:3 (1:2) gegen den 1. FFC Frankfurt im Kollektiv zur Seitenlinie stürmten, trottete die 29-Jährige hinterher. Sie wusste in dem Moment, in der vierten Minuten der Nachspielzeit, dass Schiedsrichterin Kathrin Heimann die Partie nicht noch einmal anpfeifen würde und dass die letzte große Schlacht gegen den den Erzrivalen in der Frauenfußball-Bundesliga mit einem Sieg zu Ende geht. 

Und sie spürte in diesem Moment am Samstagnachmittag im Karl-Liebknecht-Stadion, dass sich die lange Zeit des Wartens und Zurücksetzens gelohnt hatte: Nach zwei Verletzungen seit vergangenem Sommer hatte die zweifache Europameisterin (2009, 2013) Turbine in ihrem ersten Saisonspiel zum Sieg geführt und selbst zwei Tore erzielt. 

Mit ihrer Erfahrung kann Schmidt dem jungen Team sehr weiterhelfen

„Ja, war geil“, sagte Schmidt kurz nach dem Abpfiff, als ihr der Stadionsprecher das Mikrofon hinhielt und aufforderte, in einem Satz das Spiel zu beschreiben. Etwas später, als die ersten Emotionen etwas gesackt waren, betonte sie, dass sie gezeigt habe, wie wichtig sie als erfahrene Spielerin für die junge Mannschaft sein könne. „Es wird vielleicht nicht jedes Spiel so laufen, aber meinen Beitrag kann ich immer leisten“, sagte sie.

Frankfurts Trainer Niko Arnautis hatten die 90 Minuten plus die vier Minuten Nachspielzeit, die letztlich Freud und Leid auf dramatische Art und Weise trennten, so mitgenommen, dass er sich nicht mehr an die Torfolge erinnern konnte. In seiner Spielanalyse schrieb er die 1:0-Führung seiner Mannschaft zu, was durchaus Sinn gemacht hätte. Denn die Gäste hatten den besseren Start und verschafften sich durch gute Zweikämpfe im Mittelfeld mehr Spielanteile und Offensivaktionen. Doch Turbine machte das 1:0, als Schmidt eine Flanke mit der Brust annahm, eine leichte Drehung vollzog und sehenswert in den Winkel schoss. Nina Ehegötz verpasste gut 60 Sekunden später das 2:0, sodass die Hessinnen konterten: Turbine-Kapitänin Sarah Zadrazil verlor vor dem eigenen Strafraum den Ball – „mein Fehler“, räumte sie später schuldbewusst ein – und Laura Freigang nutzte die Chance zum 1:1. Die 21-Jährige war auch vier Minute später dankbare Abnehmerin einer Flanke, die sie mustergültig per Kopf zur Gästeführung verwertete.

Indirekter Freistoß im Frankfurter Strafraum bringt Entscheidung

Die Halbzeitansprache von Trainer Matthias Rudolph an die Turbine-Spielerinnen, selbst aggressiver die Zweikämpfe zu führen, zeigte gleich zwei Minuten nach Wiederanpfiff Wirkung: Erneut war es Bianca Schmidt, die nach einer Ecke zum 2:2 per Kopf traf. Auf der anderen Seite hatte Frankfurt eine Angreiferin in bester Torschusslaune – Laura Freigang brachte die Gäste wieder Führung (58.). Doch konnten sich Rudolph und die 1011 Zuschauer auf die Nehmerqualitäten, die Turbine in dieser Saison schon oft gezeigt hatte, verlassen. Angetrieben von Bianca Schmidt und Lara Prasnikar drängten die Potsdamerinnen auf den Ausgleich. Und tatsächlich war es Prasnikar in der 82. Minute nach einer Ecke und zwei abgewehrten Schüssen durch die Frankfurter Abwehr, die schließlich die Lücke zum 3:3 fand. 

Der späte Ausgleich weckte Erinnerung an die Partie vor wenigen Wochen gegen den SC Freiburg, in der Turbine spät zum 4:4 kam und in letzter Minute noch 4:5 verlor. Das hätte sich fast wiederholt, doch rettete Turbine-Torhüterin Vanessa Fischer stark gegen die völlig freistehende Freigang. Dann schließlich die 94. Minute: Turbine setzte die Frankfurter Hintermannschaft noch einmal unter Druck, deren Torhüterin Bryane Heaberlin nahm einen Rückpass mit der Hand auf, was Schiedsrichterin Heimann mit einem indirekten Freistoß ahndete. „Lara Prasnikar hat sofort gesagt, dass sie schießt“, erzählte Bianca Schmidt später von dem kurzen Dialog zwischen ihr und der Turbine-Torjägerin. „Wer sich so sicher ist, soll auch schießen“, meinte Schmidt. Und Prasnikar traf – wohl überlegt ins untere Eck. 

„Bestmögliche Strukturen gibt es eben im Männerfußball“

Für Rudolph waren Spiel und Schlussakt ein Spiegelbild der Jahrzehnte langen Rivalität zwischen Turbine Potsdam und dem 1. FFC Frankfurt. Über Generationen haben beide Vereine die Entwicklung des deutschen Frauenfußballs geprägt und vorangetrieben. Nun steht der Frankfurter Klub vor der Fusion mit dem Männer-Bundesligisten Eintracht Frankfurt, die zur nächsten Saison vollzogen werden soll. „Wir müssen sehen, dass wir in der Frauen-Bundesliga Prozesse entwickeln, mit denen wir eine Professionalisierung vorantreiben und somit im europäischen Maßstab wettbewerbsfähig bleiben“, sagte Frankfurts Manager Siegfried Dietrich am Rande des letzten Klassikerduells. Die dafür „bestmöglichen Strukturen gibt es eben im Männerfußball“, so der 61-Jährige. 

Das letzte Duell der beiden Liga-Dinos war schließlich so wie immer. Dietrich tobte wild gegen die strittige Freistoß-Entscheidung in der 94. Minute, während Prasnikar süffisant vom „Lieblingsgegner Frankfurt“ sprach, gegen den sie in den letzten Spielen immer getroffen hatte. Zumindest gegen den 1. FFC werden keine weiteren Treffer für sie hinzukommen. 

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