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Schlamm, Sand und Schnecken: Deutsche Radcross-Meisterschaft in Kleinmachnow

Die deutsche Radcross-Elite trifft sich in den Kiebitzbergen von Kleinmachnow und sucht ihren nationalen Meister. Ein Teilnehmerrekord wird aufgestellt. Auch für viel Lokalkolorit ist gesorgt. 

Kleinmachnow - Olles Schmuddelwetter sagen die einen. Herausfordernde Wettkampfbedingungen meinen die anderen. Letztere zählen zur Zunft der Cyclocross-Rennfahrer, die am Wochenende in den Kleinmachnower Kiebitzbergen ihren deutschen Meister suchen. Gibt es keinen Frost, wird die Strecke in dem innerörtlichen Waldgebiet trotz oder wegen des Dauerregens ganz nach dem Geschmack der Rad-Rennfahrer sein. Viele Schlamm-Passagen wird es auf der Naturstrecke nicht geben. „Der Einfluss des Wetters auf die Wettkampfstrecke ist in Kleinmachnow gering“, sagt Philipp Walsleben.

Tückisches Terrain. Radcross, hier bei einem Rennen am 1. Januar in Luxemburg, verlangt von den Rennfahrern Kraft, Kondition und Technik. 
Tückisches Terrain. Radcross, hier bei einem Rennen am 1. Januar in Luxemburg, verlangt von den Rennfahrern Kraft, Kondition und Technik. 

©  Gerry Schmidt/imago

Der 31 Jahre alte Radprofi muss es wissen. Schließlich sind die Kiebitzberge die Haustrecke des Kleinmachnowers, der sechs Mal deutscher Crossmeister wurde, mit dem U23-Cross-Weltmeistertitel seinen größten internationalen Erfolg feierte und viele Jahre in Profiteams Crossrennen fuhr. Wenn am Sonntag die deutsche Radcross-Elite am Start ist, wird Walsleben jedoch nicht dabei sein. Er hat im vergangenen Jahr seine Cross-Karriere beendet und wechselt zum Ende seiner Laufbahn auf die Straße. „Dennoch wollte ich in Kleinmachnow dabei sein und habe gefragt, ob ich bei der Organisation mithelfen kann“, so Walsleben, der inzwischen wieder in Stahnsdorf zuhause ist, nachdem er viele Jahre in Belgien lebte.

Bis zu 3000 Zuschauer werden an der Strecke erwartet

Über helfende Hände kann sich Chef-Organisator Walter Röseler vom gastgebenden RSV Eintracht 1949 nur freuen. Immerhin haben sich für die Meisterschaftsrennen an diesem Wochenende 409 Aktive gemeldet – Teilnehmerrekord für eine Deutsche Cyclocrossmeisterschaft. Mehr als 600 Starter sind für die Hobbyrennen registriert. „Kleinmachnow ist begehrt“, konstatiert Röseler angesichts des großen Zuspruchs. Zudem werden bis zu 3000 Zuschauer erwartet, die die Rennen auf der 2,9 Kilometer langen Runde verfolgen können.

Die meisten Schaulustigen werden sich am Sandberg positionieren – einer Schlüsselstelle der Strecke. Die Erhebung ist Relikt des Teltowkanalbaus – der ausgebaggerte Sand wurde in den Kiebitzbergen aufgeschüttet. Für die Radcrossfahrer ist der Sandberg „eine interessante Stelle, denn hier werden vor allem in der Abfahrt die technischen Unterschiede im Fahrerfeld besonders deutlich“, sagt Philipp Walsleben. Viermal müssen die Rennfahrer Aufstieg und Abfahrt meistern. Tückisch dürfte auch die etwa 150 Meter lange Passage in Form einer Schnecke werden, in der die Kurven immer enger werden und an deren Ende die Fahrer eine 180-Grad-Wende machen, um wieder herauszufahren. „Bei anderen Rennen gibt es das schon, in Kleinmachnow zum ersten Mal“, frohlockt Röseler.

Olympiamedaillengewinnerin Hanka Kupfernagel fährt mit

Entscheidend für den Titelgewinn ist indes eine matschige Passage auf einem Streckenabschnitt im Freibad. „Schon häufig unterschätzte der Führende die tiefen Stellen und musste vom Rad“, plaudert Röseler aus der Kleinmachnower Renngeschichte, die 1971 begann und am Wochenende ihr viertes Meisterschaftskapitel hinzugefügt bekommt. Auch die mit acht Radcross-Weltmeistertiteln und einer olympischen Silbermedaille erfolgreichste deutsche Radcross-Fahrerin, Hanka Kupfernagel, kennt die Tücken der Kleinmachnower Strecke. Im Meisterschaftsrennen 2003 rutschte sie weg und musste sich mit dem zweiten Platz zufriedengeben. 2005 und 2012 indes triumphierte die inzwischen 44-Jährige, die einige Jahre in Werder lebte. 

Philipp Walsleben bei der Deutschen Meisterschaft 2012 in Kleinmachnow.
Philipp Walsleben bei der Deutschen Meisterschaft 2012 in Kleinmachnow.

© Manfred Thomas

Nach zweijähriger Wettkampfpause startete die Grand Dame des Cyclocross Sports, wie sie in einem aktuellen Beitrag des Online-Fachportals „velomotion“ genannt wird, ihr Comeback. „Das was mich nochmals zu einem Start bewogen hat, nennt man wohl Leidenschaft. Cross war immer meine Lieblingsdisziplin. Interessant ist, wie schnell sich der Körper an die Abläufe und Technik erinnert,“ wird Hanka Kupfernagel auf dem Radsport-Portal zitiert. Sie sei nach eigener Aussage im vergangenen Jahr so viel Rad gefahren wie lange nicht mehr. Beim Deutschland-Cup-Rennen kurz vor dem Jahreswechsel wurde sie in dem internationalen Starterfeld Dritte, nach Kleinmachnow reist Hanka Kupfernagel direkt vom Trainingslager aus Mallorca an. Walter Röseler wäre nicht überrascht, wenn sie sich durch eine Top-Platzierung am kommenden Samstag (Start der Frauen-Elite: 15 Uhr) für die kommenden Cross-Weltmeisterschaften qualifiziert, die in drei Wochen in Dänemark stattfinden.

Brandenburger Fahrern werden auch Medaillenchancen zugerechnet

Radsport-Fans bekommen an den beiden Tagen die aktuelle deutsche Cross-Elite zu sehen. Bei den Männern (Start: Sonntag, 15 Uhr) ist Marcel Meisen Top-Favorit, er gilt als derzeit bester deutscher Cyclocrosser mit zuletzt zwei Siegen in internationalen Rennen. Im Starterfeld wird auch der Potsdamer Ex-Straßenradprofi Paul Voß sein, der 2016 bei der Tour de France zwei Tage lang das Trikot des besten Bergfahrers trug und sich inzwischen mit seinem gegründeten "Paul Voss Development Team" und dem LKT Team Brandenburg um den märkischen Radsport-Nachwuchs bemüht. Bei den Frauen führt der Weg aufs oberste Treppchen nur über Titelverteidigerin und amtierende Deutschland-Cup-Siegerin Elisabeth Brandau. Aus Brandenburger Perspektive zählt Walter Röseler Larissa Luttuschka aus Finsterwalde und Thea Seidel aus Luckenwalde in der U23 zu den Medaillen-Kandidaten. In der Masters-II-Klasse will Sven Kuschla, ebenfalls aus Luckenwalde, seinen Vorjahressieg wiederholen.

Wie groß der Stellenwert der deutschen Meisterschaft ist, zeigte das vergangene Wochenende. Etwa 60 Radfahrer reisten aus ganz Deutschland an, um in den Kiebitzbergen zu trainieren und sich mit den Bedingungen – bei feinstem Schmuddelwetter – vertraut zu machen.

+++ Lokalmatador Walsleben mit neuer Herausforderung +++

Die Wurzeln von Philipp Walslebens international erfolgreicher Karriere liegen in den Kiebitzbergen. Hier feierte der Lokalmatador seine ersten nationalen Meistertitel im Radcross. Später fuhr er in Profiteams in Belgien, wo Cyclocross überaus populär ist. Im vergangenen Jahr entschied sich Walsleben, seine Cross-Karriere zu beenden. „Deshalb starte ich auch nicht bei dem Rennen in Kleinmachnow, denn dafür würde ich top vorbereitet sein wollen“, sagt er. Sein Fokus liegt künftig auf der Straße. Walsleben fährt in dem belgischen Profiteam Corendon-Circus, das zwar hauptsächlich Crossrennen bestreitet, in diesem Jahr aber auch bei Radklassikern wie der Flandern-Rundfahrt oder dem Amstel-Gold-Race an den Start geht. „Das wird für mich mit 31 Jahren noch einmal eine ganz neue Herausforderung“, sagt Walsleben. Noch wisse er nicht, ob er tatsächlich bei den Klassikern an den Start gehen wird, „aber allein das Training für eine reine Straßensaison ist eine neue Erfahrung“, sagt er. 

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