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"Es fühlt sich an, als wäre alles umsonst gewesen", sagt Doppelvierer-Athlet Hans Gruhne (r.).

© DRV/Detlev Seyb

Ruder-Olympiasieger Hans Gruhne: Verschiebung der Sommerspiele ist für ihn eine persönliche "Katastrophe"

Der Potsdamer opferte im privaten Bereich viel, um zum dritten Mal an Olympia teilzunehmen. Durch den neuen Termin beginnt nun wieder eine Ewigkeit der Vorbereitung. Wird der 31-Jährige sie angehen? 

Von Tobias Gutsche

Potsdam - Stille am Telefon, dann ein schwerfälliges Durchatmen. Für die Antwort auf die Frage, was die Olympia-Verschiebung für ihn persönlich bedeutet, braucht Hans Gruhne einen Moment Zeit zum Überlegen. „Es ist…“, setzt der Potsdamer Ruderer an und stockt wieder. „Ja, doch. Es ist eine Katastrophe für mich.“ Natürlich sei die Entscheidung, die für 2020 geplanten Sommerspiele von Tokio wegen der Coronavirus-Pandemie um ein Jahr zu verlegen, richtig, betont er. „Aber etwas völlig Richtiges kann sich für manch einen auch schlecht anfühlen.“ So ist es bei ihm.

Für Tokio wurde Gruhne an einen anderen Stützpunkt delegiert

Hans Gruhne hat bereits die größten sportlichen Meriten seiner Zunft eingefahren. 2015 holte der Athlet des RC Potsdam mit dem deutschen Doppelvierer den Weltmeistertitel. Im Jahr darauf erklomm er im selben Boot den Olymp – Gold bei den Spielen von Rio. Vier Jahre später wollte das Mitglied der Bundespolizei-Sportfördergruppe zum dritten Mal beim Ringe-Spektakel starten. „Alles war darauf ausgelegt, ich habe mich voll ins Zeug gehangen und es sah gut aus, dass es mit Tokio klappt“, erzählt er. Zufriedenheit mit der eigenen harten Arbeit ist für einen Augenblick herauszuhören. Aber das hält nur kurz. „Durch die Verschiebung fühlt es sich jetzt an, als wäre alles umsonst gewesen.“  

2016 holte Hans Gruhne (r.) Olympiagold. Ob Tokio wie erhofft seine dritten Spiele werden, ist offen. 
2016 holte Hans Gruhne (r.) Olympiagold. Ob Tokio wie erhofft seine dritten Spiele werden, ist offen. 

© Soeren Stache/dpa

Dabei hatte Gruhne so viel geopfert. Seit Herbst 2018 konzentriert der Deutsche Ruderverband seine Olympiakandidaten in den jeweiligen Bundesstützpunkten. Als Mann aus der Disziplingruppe Skull durfte der 31-Jährige nicht mehr in Berlin und Potsdam trainieren, sondern musste nach Hamburg und Ratzeburg. Schwangerschaft der Freundin sowie erstes Lebensjahr der gemeinsamen Tochter erlebte er meist aus der Ferne. Vereinzelt wurden für Gruhne wegen seiner persönlichen Situation Ausnahmen bei der Stützpunktanwesenheitspflicht von Dienstag bis Samstag gemacht. Im Januar hatte er betont, nur weil das große Ziel Tokio 2020 so nahe sei, bleibe seine Motivation hoch.

Für dieses Jahr hatte er einen "Cut" geplant

Und nun wurde beschlossen, die Sommerspiele fast auf den Tag genau um ein Jahr auf den Zeitraum vom 23. Juli bis 8. August 2021 zu verschieben. „Auf einmal ist alles 16 Monate entfernt. Das ist wieder eine Ewigkeit“, sagt Gruhne. „Ich hatte mich darauf eingestellt, dass in vier Monaten ein Cut für mich bevorsteht.“ Er hätte bereits mit seiner Freundin Planungen angeschoben, dieses Jahr nach Olympia in deren Heimat Stuttgart zu ziehen. Auch den beruflichen Werdegang wollte er forcieren. „Jetzt hängt aber erst mal wieder alles in der Schwebe.“ Ähnlich haltlos zeigte sich zuletzt auch sein Potsdamer Kanukollege Ronald Rauhe. Er wollte dieses Jahr – mit fast 39 Lenzen – eigentlich die Karriere beenden, um mehr Zeit mit der Familie und für das Jobleben zu haben. Wie es mit Rauhe weitergeht, ist ungewiss.

Und Gruhne? Wird er die neue Ewigkeit einer Olympiavorbereitung angehen? Wieder Stille und ein schwerfälliges Durchatmen. „Ich weiß es gerade nicht“, antwortet er. Der 1,93 Meter große Athlet wolle zunächst abwarten, ob dieses Jahr noch ein Wettkampfbetrieb gestartet werden kann und wie der Deutsche Ruderverband den Fahrplan nach Tokio skizziert. „Das Wegsein von zu Hause würde bestimmt nicht weniger werden – und damit wäre es weiterhin für mich eine ziemliche Belastung.“ Aktuell sollen er und seine Teammitglieder vier Wochen aktive Erholungspause einlegen. Motivation, sich sportlich zu betätigen, verspüre er kaum, sagt Gruhne. „Ich bin in ein Loch gefallen.“

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