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Schlag auf Schlag. Hans Gruhne (l.) will einen Platz im olympischen Doppelvierer.

© Helmut Fohringer/dpa

Potsdams Spitzenruderer Hans Gruhne: Das nahe Ziel treibt noch einmal an

Der Potsdamer Ruderer Hans Gruhne kämpft um seine dritte Olympiateilnahme – und bringt dafür ein großes persönliches Opfer.

Von Tobias Gutsche

An Entbehrungen ist Hans Gruhne gewöhnt. Seit seiner Jugendzeit muss der Ruderer wegen des Leistungssports viele Dinge hintenan stellen. Doch nun, im reiferen Sportleralter von fast 32 Jahren, bringt der Doppelvierer-Weltmeister und -Olympiasieger sein bisher größtes Opfer. Weil der Deutsche Ruderverband (DRV) die besten Athleten je nach ihrer Disziplingruppe an den vier Bundesstützpunkten konzentrieren möchte, muss Gruhne mittlerweile umfangreich in Hamburg und Ratzeburg trainieren. Und das, während seine Freundin mit der knapp zehn Monate alten gemeinsamen Tochter weiterhin in Potsdam lebt.

Bei Olympia 2016 in Rio holte Hans Gruhne (r.) die Goldmedaille.
Bei Olympia 2016 in Rio holte Hans Gruhne (r.) die Goldmedaille.

© Soeren Stache/dpa

Es sei eine schwierige Situation, sagt der Skullfahrer des RC Potsdam. „Eine sehr schwierige.“ Fast jede Woche von Dienstag bis Samstag ist das Gruppentraining im hohen Norden angesetzt. Von der Anwesenheitspflicht kann sich Gruhne aufgrund seiner persönlichen Lage zwar das eine oder andere Mal lösen. „Trotzdem ist die Pendelei und das ständige Gefühl, zu Hause viel zu verpassen, nervig“, sagt der 1,93 Meter große Sportler. Doch er nimmt das – unterstützt von der Familie – in kauf. Denn das Ziel ist so nahe. Rund sechseinhalb Monate sind es noch bis zum Beginn der Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Seine dritte Teilnahme unter den fünf Ringen ist greifbar. „Das motiviert mich jetzt, noch einmal voll durchzuziehen“, sagt der Bundespolizist, der vor vier Jahren in Rio Gold mit dem deutschen Quartett gewonnen hatte. Ein Jahr zuvor holte das Team um Schlagmann Gruhne den WM-Titel.

Deutscher Doppelvierer zuletzt weit hinter der Weltspitze

Sphären, von denen der umformierte DRV-Doppelvierer zuletzt deutlich entfernt war. Bei der WM 2017, als Gruhne ein Sport-Sabbatjahr eingelegt hatte, reichte es nur zum B-Finale. Rang acht insgesamt. Das Gleiche 2018 mit dem Potsdamer zurück an Bord. Vorige Saison gelang zumindest wieder die A-Finalqualifikation. Der fünfte Platz war allerdings immer noch eine Enttäuschung angesichts von fast 13 Sekunden Rückstand auf den Sieger Niederlande und acht Sekunden Differenz zum Podium. „Das sind Welten“, betont Gruhne.

Immerhin wurde in dieser Bootsklasse aber der Olympia-Startplatz gesichert. Einen solchen Teilerfolg konnte der DRV nur in sieben der 14 Disziplinen verbuchen – darunter im weiblichen Doppelvierer mit RCP-Frau Daniela Schultze, deren Crew WM-Platz vier belegt hatte. In den anderen Bootsklassen kämpft Deutschland im Mai in Luzern bei der Nachqualifikation um Tokio-Tickets. Der Bundesstützpunkt Potsdam ist hierbei federführend für die Riemen-Frauen.

Endgültige Besatzung soll schon frühzeitig feststehen

Beim bereits qualifizierten Männer-Doppelvierer soll derweil dieses Jahr etwas umgedacht werden. In der Vergangenheit legten sich die Trainer oft erst sehr spät auf die endgültige Besatzung fest. 2019 beispielsweise rückte Gruhne erst rund sechs Wochen vor der WM ins Boot. Während der Selektionsphase sei er „durch Pech nach hinten gespült worden“, erklärt er. Ungünstige Bahnzuteilungen mit schlechten Windbedingungen bei den Rennen sind gemeint – seine Zeiten waren entsprechend langsamer als die der Konkurrenz. Daher war Gruhne zunächst nur Ersatzmann, bot sich im Saisonverlauf jedoch durch starke Trainingsleistungen für eine Einwechslung an. Diese geschah letztlich mit wenig zeitlichem Vorlauf zur WM. „Jede personelle Veränderung verändert das ganze System im Boot. Sich neu einzustellen, ist nicht einfach“, so Gruhne. „Man hat es an unserer Inkonstanz im Training wie auch in den Rennen gemerkt.“

Deshalb soll nunmehr nicht „auf den letzten Drücker“ gehandelt, sondern möglichst früh das Gespann bestimmt werden. „Andere Nationen machen das schon lange so“, weiß der erfahrene Brandenburger. „Es ist besser, sich über einen längeren Zeitraum einzufahren, gemeinsam Kilometer zu sammeln.“ Diesen Monat reisen Deutschlands Skullmänner ins Trainingslager nach Portugal. Vermutlich, so Gruhne, steht danach schon fest, wer zu Olympia soll. „Ich hoffe, dass wir die perfekte Besatzung finden, um zwei Schritte nach vorne zu kommen – also in den Medaillenbereich“, sagt das RCP-Ass und fügt hinzu: „Ich hoffe natürlich, dass ich dann dazu gehöre.“ Es wäre der Lohn für seine größte persönliche Entbehrung.

+++ RCP mit Rekordbilanz und viel Hoffnung +++

Der Ruder-Club Potsdam veranstaltete am Samstag seinen traditionellen „Sieger-Brunch“ im Seminaris-Seehotel. Dabei blickte der Verein auf eine Rekordbilanz zurück: Voriges Jahr schafften es 21 RCP-Athleten in die deutsche Nationalmannschaft (sechs Sportler im A-Team, zehn in der U23-Klasse und fünf bei den Junioren). „So viele hatten wir noch nie – und ich glaube, so etwas haben in Deutschland wenig andere Vereine vorzuweisen“, sagte Clubpräsident Harald Kirsch. Für internationalen Medaillenglanz sorgten Jonas Huth (JWM-Gold, Achter), Klara Kerstan, Kristin Wagner, Emma Lina Kögler (alle JWM-Silber, Achter), Maren Völz (U23-WM-Silber, Doppelvierer), David Junge (U23-WM-Silber, Doppelvierer) sowie Luisa Schade und Steuerfrau Sabrina Güttler (U23-EM-Bronze, Achter). „Wir haben Top-Sportler und können hoffnungsfroh in die Zukunft schauen“, sagte Kirsch. 

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